Hausprobleme

Och, hi2u, hab doch ein wenig Nachsicht mit mir, ich fühl mich derzeit im 3. Haus nicht so wohl.
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@ Simi: http://de.wikipedia.org/wiki/Borderline-Persönlichkeitsstörung

Es ist sehr einfach erklärt, aber als grober Überblick reicht es.

Borderline hat nichts, aber auch gar nichts mit Grenzgängern zwischen Leben und Tod zu tun und alle Borderliner, deren Horoskop ich kenne - und das sind doch 4 Stück an der Zahl "echte", also Diagnostizierte - haben nix im 8ten Haus.
Sie haben sehr wohl alle eine Neptunthematik.
Mit Tod, Todessehnsucht, Gespräche über den Tod, etc. hat das nichts zu tun.
Das hast Du schon einmal falsch interpretiert.
Borderline deshalb, weil es um die Grenzgänger zwischen Neurose und Psychose geht. Weil ihre Krankheit zur Kategorie der Persönlichkeitsstörungen gehört.

Zu Zeiten von Adler gabs natürlich diese Feineinteilung, Stichwort Differentialdiagnostik, noch nicht. Das wüßtest Du, wenn Du Schönbergs Tagebuch gelesen hättest, in dem er über Adler und seine Begeisterung für Freud schreibt. Freud war damals das non plus ultra, the state of the art.

Adler war auch ein fortschrittlicher Mensch. Seine Haltung, seine Sichtweisen wurden von vielen als ebenso revolutionär wie die Freuds beurteilt. Aber eben während seiner Zeit. Und die war vor rund 80 Jahren. Ich bin mir sicher, Adler selbst wäre nicht stehen geblieben und hätte sich einen Wissenschafter als Vorbild gesucht, der vor 80 Jahren topaktuell war in einer Wissenschaft, die - wie er selbst auch mal betont hat - sich ständig verändert, ständig wächst wie der Mensch auch. (Zwillingsonne und -Mond, Flexibilität, intellektuell wendig, offen für Neues)

Vieles von Adlers Testament der Astrologie hat er nicht erfunden, sondern es entspricht dem psychoanalytischen Menschenbild Freuds. Das muss man eben im Kontext seiner Zeit sehen. Ob der Hysteriebegriff, das Frauenbild, etc. Der Ansatz damals war einfach gesagt, ein höchst negativer. Vom fin de siecle geprägter. Die Psyche des Menschens als Hort seiner schlimmsten Geheimnisse. Das Unbewusste als Sammelsurium des Verderblichen, der schrecklichsten Ängste. Man ging in vielen Fällen davon aus, dass der "Wahnsinn" nicht heilbar ist. Dass Neurosen bloß die Folge von unterdrückter Sexualität/ unterdrückter Triebe sind. Etc. etc. Dass Hysterie ein weibliches Problem ist. Dass Ängste, vor allem Ängste aus der Frühkindheit, einen bis zum Tode heimsuchen und beherrschen.

Das klingt heute alles sehr antiquiert für uns - Gabi hat es so schön als "50er Jahre - Ansatz" beschrieben. Aus dem Kontext der damaligen Zeit ist es absolut verständlich. Fin de siecle, aufkommender Antisemitismus, Nationalismus, eine Erziehung die Michael Haneke in seinem neuen Film (der die Palme in Cannes bekommen hat) "Das weiße Band" so exakt beschreibt.

Dieses Bild hat sich schon bei Freuds Tochter Anna sehr verändert. Je mehr Forschungsergebnisse man hatte, je mehr man wusste, je mehr man aus dem "sadomasochistisch" angehauchten Geist der Jahrhundertwende (man lese Arthur Schnitzler und seinen Sexualbegriff - by the way auch ein Liebling von Adler) herauskam, um so mehr hat man sich neuen, erfolgreicheren Ansätzen in der Diagnostik und in der Behandlung von psychischen Krankheiten zugewandt. Natürlich sind viele von Freuds Ansätze in der Psychoanalyse erhalten geblieben. Aber sie sind auch zu recht in den 60er Jahren kritisiert und verändert worden. Ob von der Frankfurter Schule oder von der Frauenbewegung.

Ich denke, das sollte einem bewusst sein, wenn man die Begriffe "psychisch, psychologisch, etc." in den Mund nimmt. Und wenn man Adler verehrt, sollte man ihm nicht selbst widersprechen, indem man Neuem gegenüber nicht aufgeschlossen ist.

Ich denke mir zB immer, wenn ich lese "im 8ten Haus sind Depressionen bzw. Menschen mit Saturn, Mars, Pluto oder Uranus im 8ten Haus sind depressiv" - was für eine Art von Depression ist da gemeint?

Da existieren doch riiiiiesige Unterschiede zwischen den verschiedensten Depressionsformen. Endogene Depressionen, Dysthym, depressive Epidsoden, wiederkehrende, einmalige, periodische, als Symptom für eine Persönlichkeitsstörung (die dahinter liegt und nicht sofort sichtbar wird), etc.

Es fühlen sich auch bei Weitem nicht alle Menschen, deren Diagnose das Wort "Depression" enthält traurig oder denken an den Tod usw.
Dysthyme fühlen zB eine große Gleichgültigkeit, während jemand, der an einer depressiven Episode erkrankt ist, sich kurzfristig auf nichts konzentrieren kann, nicht gut schläft, keine Kraft aufbringen kann für nichts, etc.

Mir ist dieses Wischiwaschi einfach zu platt und vor allem - zu unpräzis. Da wird da was dort zugeordnet, dem und dem Haus und alles geht sich aus und dann wird mit Begriffen um sich geworfen von wegen "depressiv" und Borderline ist gleich Todessehnsucht, die wollen nur vom Tod reden und 8tes Haus etc. Das ist einfach zu oberflächlich und zu unexakt.

Oskar Adler und Sigmund Freud haben einfach zu kurz gelebt, um die Entwicklung der Psychologie als Wissenschaft mitzuerleben. Aber aufgrund der überlieferten Schriften, die doch ein wenig Auskunft über ihre Charaktere geben, kann man sich sicher sein, dass sie nicht zu den Menschen gehört hätten, die sich krampfhaft an Altes klammer und Neues nicht zulassen. Die sich der Moderne verschließen.

LG

Anna
 
Vielen Dank Anna, für deinen aufschlußreichen Beitrag.:)

Viele Dinge, die du erklärst, waren mir nicht bekannt und ich versteh jetzt vieles besser.

lg
Gabi
 
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