Hat der Begriff "Ehre" eine neue Bedeutung?

MamaBaer

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Als ich folgenden Artikel
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,418236,00.html
gelesen habe, habe ich mich, auch aufgrund folgenden Zitats, gefragt, ob sich der Ehrbegriff inhaltlich in den letzten Jahrzehnten geändert hat.
... sagen die Mädchen. "Wer gefilmt worden ist, öffentlich angefasst von Jungen, der muss aus der Öffentlichkeit verschwinden und zu Hause bleiben. Wegen der Familie und der Ehre", sagen sie.

Was versteht Ihr also unter "Ehre" ? Ich bin mit der Überzeugung aufgewachsen (ist schon was länger her), daß ich für meine "Ehre" selbst verantwortlich bin. Ehrlich, ehrenhaft sein war das Ziel. Für uns hatte jemand keine Ehre, der Schwächere drangsalierte,sein (Ehren-) Wort nicht hielt, nicht half, bei einer Prügelei weitermachte, wenn der andere unten lag oder aufgegeben hatte. Als Mädchen verachtete man jene Mädchen, die jede Woche einen anderen Freund hatten (und beneidete sie insgeheim, denn sie wurden von den Knaben umschwärmt), da fiel dann schon mal die Aussage "Die hat ja keine Ehre im Leib!"
Wie kann, was jemand anderes tut oder sagt, Einfluß auf meine "Ehre" haben?
Wieso kann meine Ehre vom Verhalten eines Familienmitglieds abhängen? (Ich denke dabei an die sogenannten "Ehrenmorde".)
Was denkt Ihr darüber?

MamaBaer
 
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Hallo MamaBaer!

Ich weiß nicht genau was er bedeutet, mir fällt nur auf, daß dieser Begriff Ehre sehr häufig mißbraucht wird, vor allem dann, wenn es darum geht an jemanden Rache zu üben.

Vielleicht ist Ehre für jene Menschen wichtig, deren Umwelt viele und vielleicht auch strenge Regeln aufgestellt hat, die man nicht übertreten darf, sonst verliert man seine sogenannte Ehre.

Für mich ist Ehre nicht so wichtig, ich halte das sprichtwörltich "Gute Gewissen" und die "Innere Stimme" für brauchbarer. Das sind zwar auch dehnbare Begriffe, für mich beiden beinhalten diese Wörter, daß niemandem Schaden zugefügt wird, was bei der Ehre durchaus drin ist.
Beziehungsweise soll Ehre wohl der Überbegriff sein für Respekt und Toleranz im Umgang miteinander sein, was je nach sozialem Umfeld und Hierarchie sicher sehr verschieden ist.


Schauen wir mal, was das Wörterbuch dazu sagt:

1) Ansehen, Achtung, Wertschätzung (die jmd. bei seinen Mitmenschen genießt); mit einer Arbeit, Leistung E. einlegen;sein ansehen fördern, !"sein Verhalten macht ihm Ehre", "Bei meiner Ehre", "jemandes Ehre verletzen"

2)Selbstachtung, Gefühl für den eigenen Wert, für die eigene Würde; "das geht mir gegen die Ehre", jmdn. auf E. und Gewissen eindringlich fragen und die Wahrheit fordern, etwas auf E. und Gewissen beteuern, daß etw. ganz bestimmt wahr sei, er ist ein Mann von Ehre, ein ehrenhafter Mann

3)Zeichen der Wertschätzung, Achtung, jmdn. militärische Ehren erweisen, "wollen sie mir die Ehre erweisen?", der Wahrheit die Ehre geben, sein mut ist aller Ehren wert....


Das Wörterbuch ist schon älteren Datums, als vierter Punkt war noch die Jungfräulichkeit vermerkt, was ich aber nicht mehr für zeitgemäß halte in unserem Kulturkreis. Aber es zeigt, wie sehr man den Begriff Ehre anpassen kann an das, was jeweils in Mode ist.

Also, man verliert offensichtlich seine Ehre, wenn man sich nicht an bestimmte Regeln hält, die in einer/in verschiedenen Gesellschaft/en aufgestellt worden sind.

Aber was Ehre wirklich ist, ist für mich immer noch nicht greifbar. Scheint ein menschengemachter, konstruierter Begriff zu sein, damit sich viele Menschen an gewisse Regeln halten, und jeder/jede Gruppe dreht und wendet es sich so, wie er/sie es gerade braucht.

Was sagen die anderen dazu?
 
hi,

mir ist es eine Ehre:

Dass ich hier Posten darf, wo doch so viele Leute hier erleuchtet sind oder zumindest ein erhöhtes Bewußtsein haben :clown:

Dass ich meiner Großmutter am Samstag zum Geburtstag gratulieren darf :weihna1

Dass ich auf die Reiki-Treffs von ****** kommen darf und auch immer nett empfangen werde :)

Dass ich dort Kampfsport trainieren darf, wo ich jetzt trainiere :clown:

wenn meine Schwester mich besuchen kommt :stickout2

....
....
...

g*

:banane:
 
Für mich ist Ehre etwas, was man verdienen muß durch sein Verhalten. Da gehören die Worte mit zu.
Mir kommt gerade in den Kopf, daß es für mich aber auch etwas mit Heiligkeit zu tun hat. Wenn ich andere Menschen oder etwas ehre, dann betrachte ich nicht die Teile des Menschen, die ich ablehne, sondern ich nehme diese Teile an und ehre ihn trotzdem. Insofern hat jeder eine Ehre, die aber im Auge des Betrachters oder in einem selber liegt. Die Kommuniktation hier im Forum läßt z.B. sehr oft das Ehren des anderen vermissen, nicht wahr? Das liegt dann wahrscheinlich im Auge des Lesers, daß der für sich keine Ehre empfinden kann und seine eigene Meinung neben die Meinung eines anderen blöken muß.

Liebe Grüße, Christian
 
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Hmm.... ich sehe das doch anders als bisher dargestellt. Für mich hat jeder Mensch Ehre, ganz einfach deshalb weil er Mensch ist. Es ist nichts, was man sich erwerben muss. Es ist aber etwas, das es gilt zu achten.
Dazu haben die Gesetzgeber Gesetze geschaffen die die Ehre der Menschen schützen.

In Österreich gibt es da die § 111 und 115 Strafgesetzbuch (StGB) http://www.sbg.ac.at/ssk/docs/stgb/stgb111_117.htm wo es um die Üble Nachrede und Beleidigung geht. Ähnliche Gesetze gibt es natürlich auch in D im STGB 14. Abschnitt: Beleidigung, § 185 Beleidigung, § 186 Üble Nachrede, § 187 Verleumdung.

Das heißt, der Gesetzgeber gesteht grundsätzlich jedem Menschen Ehre zu und sorgt auch für deren Schutz. Und das ist gut so.

Gegen Übergriffe, und das ist mehr als ein Vergehen gegen die Ehre, wie es in dem Artikel dargestellt wird, kann sich der einzelne dann auch nicht schützen. Dazu ist der Rechtsstaat da. Das Problem ist, dass das Opfer, sobald das Thema bekannt ist, weiter Opfer bleibt. Heute ist die Medienlandschaft so, dass sie sich viele an solchen Verbrechen begeilen, nicht nur die Täter mit ihren Videos, die Konsumenten von Schlagzeilenjournalismus tun das genau so und damit ist das Opfer zum öffentlichen Opfer gemacht. Und hier passiert das Vergehen gegen die Ehre der Opfer und das in aller Öffentlichkeit. Menschen in der Umgebung des Opfers können die Zusammenhänge erkennen, erkennen möglicherweise das Opfer, sprechen es an oder auch die Familie. Wo soll die Familie, das Opfer hin? Die haben Probleme genug. Die brauchen Ruhe und Hilfe, keine guten Ratschläge und, was bei sexuellen Übergriffen auf Mädchen/Frauen dann noch häufig dazu kommt: na, sie wird doch schon auch was dazu getan haben, dass... Da wird oft genug der Spiegel der Hilflosigkeit zerschlagen den man im eigenen Spiegelbild nicht erträgt.

Unsere Gesetzgeber kennen den Täterschutz, aber vom Opferschutz halten sie nicht viel, solange der Täter nicht verurteilt ist, es gilt die Unschuldvermutung. Damit versuchen Opfer ihre Ehre durch totalen Rückzug, der bis zum Selbstmord gehen kann, zu schützen. Und da gilt es, meiner Ansicht nach, sehr viel mehr zu tun. Es gibt schon viele Ansätze, aber sie erreichen die Opfer oft nicht. Gerade wenn der Angriff auf die Ehre die Intimsphäre von Frauen, aber auch von Männern/Jungs geht, dann ist unglaublich viel Scham mit im Spiel. Und da wird immer noch zuwenig darauf geachtet.
 
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