Hass ist genauso ein Gefühl.
Das ist es ja, bisher dachte ich das auch und jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Jetzt halt ich es durchaus für möglich, dass Hass wie ein scharfes, heißes Messer das Gefühl in Streifen schneidet und der Unterschied liegt für mich darin, ob mein begehrendes Selbst oder mein seiendes Selbst den Griff des Messers in der Hand hat.
Ja, es kommt mir vor, als gäbe es eine Uneinigkeit zwischen einem begehrenden Selbst und einem seienden Selbst.
Aber wenn man jemanden Hasst dann sind auch Gefühle im Spiel.
Ich weiß es nicht. Wenn "will haben" "will sein" "will erlangen" der Gefühlswelt entspringen, dann ja. Denn immer wollte ich etwas haben, erreichen oder krampfhaft festhalten, das mir zu entgleiten drohte - und dann erst kam der Hass dazu. Noch nie regte sich ein Hass in mir, wenn kein Begehren in mir war, bzw. legte sich der Hass wieder zur Ruhe, als die Einsicht zu mir kam, dass ich kein Anrecht hätte auf den Besitz von einem Ding oder einem Menschen, wenns um Liebeangelegenheiten ging.
Ich weiß nicht, ob Hass ein Zeichen für das Vorhandensein von Liebe ist. Ich glaube, Verständnis ist ein mächtigeres Zeichen von Liebe, als der Hass.
Aber gut, vielleicht hat der Hass die Funktion eines Signalgebers, und ich frag mich, kann ICH den Signalgeber zeitgerecht abschalten, bevor er mein Wesen und mein Tun bestimmt, ich vielleicht gar den Sadisten in mir wecke, oder kann ich es nicht? Habe ich Macht über den Hass oder habe ich sie nicht? Grundsätzlich, als Mensch. Und wenn nicht ich, wer hat dann die Macht?
Ich sage "JA!" denn sonst säße ich heute nicht mehr da.
Worüber hätte ich denn Macht? Über ein Ding, das ich begehrte und in meinen Besitz gebracht habe? Ich kann es betrachten, von allen Seiten bewundern, kann es verstauben lassen oder dem Ding entsprechend benutzen. Hat es Tasten, kann ich dran drücken. Hat es Saiten, kann ich dran zupfen. Will ich aber unbedingt mit der Gitarre Tennis spielen, wird sie bald kaputt sein. Ich brauch also eine harmonische Beziehung zu dem Ding, muss seine Funktionalität ansatzweise erkannt haben, dann kann ich es dem Ding entsprechend benutzen. Ansonsten hab ich die Macht, es kaputt zu machen, klar. Das schon.
Habe ich die Macht, über ein geliebtes Wesen, das fortgehen will, von mir, wenn mir der Hass erst signalisiert, dass ich dieses Wesen eigentlich liebe und ich ihm vom Hass getrieben hinterher renn und böse Sachen sag? Und was erreiche ich, wenn ich vom Hass getrieben Macht ausüben will, über ein lebendiges Wesen, außer noch mehr Leid und Traurigkeit?
Erst Sonntag is es mir wieder passiert. Da ging ein Wesen fort von mir und ich hab ihm böse Sachen hinterher gerufen, weil die Macht über mich selbst mich verlassen wollte. Da sprach wieder alles andere, als die Liebe durch mich hindurch. Es war mein Begehren, dieses Wesen besitzen zu wollen, das Begehren hat durch mich gesprochen. Und in der Hand hatte ich den Hass. Wie ein Revolver lag er in meiner Faust. Oder eine Bohrmaschine, egal, ein Werkzeug, das ich benutzen kann, wenn ich mich in Bosheit üben will. Aber zum Glück nicht zwanghaft muss.
Und ich musste mir eingestehen, dass ich Macht haben wollte, über ein Wesen und dabei fast die Macht über mich selbst verloren hätte. Ja, Hass ist Werkzeug, aber ein recht schwaches. Eine Signallampe, mehr nicht. Darüber hinaus verwendet wird er zum Ausdruck von Hilflosigkeit.
Nein, Hass scheint mir gar nicht nahe an der Liebe zu sein, eher weit entfernt und doch ist er nicht ihr Gegenteil. Weil über den Hass in mir kann ich Macht haben. Wenn die Lampe aufleuchtet, kann ich sie abdrehen. Wenn ich es nicht schaffe, sie zeitgerecht abzudrehen, beginnt sie wie ein offenes Feuer zu brennen in mir.
Über das Wesen der Liebe aber habe ich keine Macht. Will ich Macht ausüben, über das Wesen der Liebe, verbrenne ich vollkommen.