Gott?

jake schrieb:
hi traumbaum!

ich meine, den c. g. jung ziemlich komplett gelesen zu haben ... aber dass er irgendwo schriebe, dass gott eigentlich das selbst des menschen ist, muss ich übersehen haben. kannst du mir die stelle zitieren? ich würde mich wirklich sehr wundern und wäre neugierig, weil es ja doch ziemlich allem wiederspricht, was jung sonst so schreibt...

Ich habe jung auch so verstanden, dass das selbst nicht die gesamtheit der psyche eines menschen ist, sondern ein archetyp... wie z.b. auch die anima, der animus, der schatten etc. bitte um aufklärung, wenn ich jung auch da falsch in erinnerung haben sollte. ich lern immer gern dazu!

alles liebe, jake


Gott, das Göttliche ist nach meiner Ansicht das *Höhere-Selbst* aller Wesen zusammen , jake . . . .sozusagen auch die Psyche eines Menschen der alle Archetypen, samt Anima und Animus sowie alle Schatten integriert hat- vollkommenes BEWUßTSEIN seiner SELBSt statt trennendes Unbewußtsein/ Bewußtsein seiner SELBST . . . .

Liebe Grüße von Diana
 
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hi diana!

ein wenig redest du von äpfeln und ich von birnen... mir ging es darum, dass jung das selbst - das selbst, nicht gott und auch nicht ein "höheres selbst", das bei jung nicht vorkommt - nicht als gesamtheit der psyche sieht, sondern als einen von etlichen archetypen. die gesamtheit der psyche heißt einfach psyche.

die archetypen sind auch nicht in der individuellen psyche verankert, sondern zunächst einmal gestaltlose strukturen des kollektiven unbewussten - sie vermitteln sich uns in bildern und symbolen, um der kommunikation zugänglich zu werden. so war nach jung auch das gottesbild der israeliten entlang des archetypen "selbst" konstruiert, ein bild, das über die jahrhunderte aufgeladen und modifiziert wurde ... tut immer gut, einen gott nach eigenem bilde formen zu können ("with god on our side" - auch gorge bush weiß das). wie jung ja auch in einem aufsatz der frühen 1950er die damals grassierende ufo-manie als ausdruck kollektiver projektionen des selbst-archetypus an den himmel interpretierte: der kreis, das mandala, ist eines der symbole des selbst. aber - von ein paar bemerkungen in seiner von ihm autorisierten, von seiner mitarbeiterin aniela jaffé geschriebenen biographie "erinnerungen, gedanken, träume" abgesehen - c. g. jung hat immer nur über die gottesbilder der menschen geschrieben, und da klarerweise auch über die überschneidungen von archetypen und gottesbildern. über gott selbst hat er höchstens privat spekuliert bzw. sich an einen seiner kindheitsträume erinnert: gott entblößt seinen hintern über dem ulmer münster und scheißt es zu.

die konzeption eines "höheren selbst" entstammt völlig anderen quellen, bezeichnet auch eine andere energetische wirkung als jene eines archetypus, und ich bin einfach so ein korinthenkacker, der wert darauf legt, dass in einer konservendose auch drin sein sollte, was drauf steht. und eine traumdeutung, die das höhere selbst bemüht, kann sich nun mal nicht auf jung berufen. zumal im traum, der diesem thread zugrunde liegt, der "alte mann" durchaus als symbol des selbst genügt... es bringt in meinen augen keinen gewinn an erkenntnis, ihn gleich zum "höheren selbst" zu adeln.

was gott ist, da halte ich es gern mit bert hellinger und achte ihn (gott, nicht hellinger :) dadurch, dass ich die grenze achte, hinter der die spekulation gott auf ein produkt nach den maßen meiner eigenen beschränktheit reduzieren würde. oder ich halte mich unabsichtlich an das zweite gebot: du sollst dir kein bild machen von deinem gott.

alles liebe, jake
 
jake,
ich rede von Höherem Selbst eigentlich nur deswegen, weil das ein bezeichnenderer Ausdruck ist. Das Selbst klingt so farblos, und nur für Jungianer verständlich. Und das Gefühl der Ergriffenheit, wenn man es wahrnimmt, rechtfertigt diese Bezeichnung durchaus. Und man muss auch gar kein Höheres Göttliches Wesen bemühen, im Gegenteil, meine erste Antwort lief gerade darauf hinaus, dass das Höhere Selbst (oder für dich nur Selbst) ein Phänomen unserer Innenwelt ist.
Ich werde morgen mal gucken, ob Jung wirklich nicht die Gesamtheit der Psyche als Selbst bezeichnete. Kann schon sein, dass ich mich damals verlesen habe. Werd mich jedenfalls noch mal melden.
Grüßchen
 
jake schrieb:
mir ging es darum, dass jung das selbst - das selbst, nicht gott und auch nicht ein "höheres selbst", das bei jung nicht vorkommt - nicht als gesamtheit der psyche sieht, sondern als einen von etlichen archetypen. die gesamtheit der psyche heißt einfach psyche.

Hi jake,
du hast dich doch geirrt. Hier sind die Zitate:

"Als empirischer Begriff bezeichnet das Selbst den Gesamtumfang aller psychischen Phänomene im Menschen. Es drückt die Einheit und Ganzheit der Gesamtpersönlichkeit aus. (...) Da es praktisch Phänomene des Bewusstseins und des Unbewussten gibt, so hat das Selbst als psychische Gesamtheit einen bewussten sowohl als einen unbewussten Aspekt. (...) Es erweist sich damit als eine archetypische Vorstellung, die sich von anderen Vorstellungen solcher Art dadurch auszeichnet, dass sie entsprechend der Bedeutsamkeit ihres Inhaltes und ihrer Numinosität eine zentrale Stellung einnimmt." Gesammelte Werke 6, § 891, Walter-Verlag, Olden-Freiburg i. Brsg., in: Lexikon Jungscher Grundbegriffe, Hrsg. Helmut Hark, Walter-Verlag

"Es lässt sich aber empirisch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass im Unbewussten ein Archetypus der Ganzheit vorkommt, welcher sich spontan in Träumen usw. manifestiert, und dass eine vom bewussten Willen unabhängige Tendenz besteht, andere Archetypen auf dieses Zentrum zu beziehen. Es erscheint daher nicht unwahrscheinlich, dass jener auch an sich eine gewise zentrale Position besitzt, welche ihn dem Gottesbild annähert. Die Ähnlichkeit wird noch insbesondere dadurch unterstütz, dass der Archetypus eine Symbolik hervorbringt, welche von jeher schon die Gottheit charakterisierte und versinnbildlichte. (...) Das Gottesbild koinzidiert, genau gesprochen, nicht mit dem Unbewusten schlechthin, sondern mit einem besonderen Inhalt desselben, nämlich mit dem Archetypus des Selbst. Dieser ist es, von dem wir empirisch das Gottesbild nicht mehr zu trennen vermögen. Man kann zwar arbiträr eine Verschiedenheit dieser beiden Größen postulieren. Das nützt uns aber gar nichts, im Gegenteil hilft es nur dazu, Mensch und Gott zu trennen, wodurch die Menschwerdung Gottes verhindert wird." Antwort auf Hiob, § 19, S. 112, C.G.Jung - Taschenbuchausgabe in 11 Bänden, dtv
 
Hi Traumbaum!
Traumbaum schrieb:
"Da es praktisch Phänomene des Bewusstseins und des Unbewussten gibt, so hat das Selbst als psychische Gesamtheit einen bewussten sowohl als einen unbewussten Aspekt. (...) Es erweist sich damit als eine archetypische Vorstellung, die sich von anderen Vorstellungen solcher Art dadurch auszeichnet, dass sie entsprechend der Bedeutsamkeit ihres Inhaltes und ihrer Numinosität eine zentrale Stellung einnimmt."

"Das Gottesbild koinzidiert, genau gesprochen, nicht mit dem Unbewusten schlechthin, sondern mit einem besonderen Inhalt desselben, nämlich mit dem Archetypus des Selbst. Dieser ist es, von dem wir empirisch das Gottesbild nicht mehr zu trennen vermögen.
Danke für die Zitate... ich fühl mich eigentlich bestätigt!

"Das Selbst als psychische Gesamtheit" heißt ja nicht, dass im Selbst alle Inhalte des Bewusstseins und des Unbewussten aufgehen, sondern dass das Selbst, wie schon im nächsten Satz erläutert wird, eine archetypische Vorstellung ist (von mehreren), die sich von anderen Vorstellungen solcher art ... auszeichnet. "Gesamtheit" ist hier - so verstehe ich es - als Gesamtheit der bewussten und unbewussten Anteile des Selbst verwendet. "das Selbst als psychische Gesamtheit" und "das Selbst als Gesamtheit der Psyche" bedeuten nicht dasselbe, oder?

Und im anderen Zitat wird es noch deutlicher ... nicht das Unbewusste schlechthin, sondern ein besonderer Inhalt desselben (neben etlichen anderen). Und vom Archetypus vermögen wir das Gottesbild ... Bild! ... nicht mehr zu trennen.

War es nicht das, was ich geschrieben hatte? Aber wir wollen das doch nicht in einen Streit münden lassen, wer nun Recht hat. Ich würde sagen: Im Zweifelsfall C. G. Jung.

Alles Liebe, Jake
 
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Jake,
du hast recht, das mündet in Buchstabenklauberei aus. Mir ist es persönlich auch egal, was andere für Vorstellungen haben. Wenn sie ihr Gedankensystem so am besten ordnen können, wird es schon passen.

Für mich ist die Frage hauptsächlich die, was das Selbst ist, wenn es unsere Träume produziert und unsere Psyche ändert und demzufolge die höchste Autorität unseres Innenlebens ist. (Weil dies lässt sich empirisch feststellen, obwohl ich jetzt nicht genau weiß, wie Jung das gesehen hat.)

Und da ist es eigentlich nicht so wichtig, ob man die Definition so wie du oder so wie ich in Bezug zu Psyche, Archetypen etc. sieht, sondern das Interessante wäre eher die Frage, wie das naturwissenschaftlich zu fassen ist. Ich sehe dabei drei Möglichkeiten:

Entweder ist es die Gesamtheit des Gehirns. Oder es ist eine andere Bewusstseinsinstanz in uns, wobei mir am ehesten die Gene einfallen. (Ich habe ja die Theorie, dass Bewusstsein mit komplexen Strukturen zu tun hat, und die Hypothese, dass die Elektronenwolken der Moleküle ebenfalls komplexe Strukturen bilden können, mit winzigen Details drin, ähnlich wie bei der Mandelbrot-Menge.) Und die dritte Möglichkeit wäre, dass es ein nichtlokales Phänomen ist, also außerhalb des Menschen, und unsere Gehirne empfangen das irgendwie.

Übrigens bin ich kein Jungianer, da diese anscheinend sehr dogmatisch sind. Mein Lehrer der Traumanalyse hat am Jung-Institut gelernt (bei jemand, der Jung persönlich kannte), hat aber sein Diplom dann abgelehnt, weil er dieser "Sekte" nicht beitreten wollte. Und er hatte zeitlebens Probleme damit, denen seine neuen Erkenntnisse mitzuteilen, weil die nur das akzeptieren, was ihr Gründervater geschrieben hat. (Weiß nicht ob das hier genauso ist, mein Lehrer war aus den USA.)

Wenn ich Begriffe von Jung nehme, dann deswegen, weil er ziemlich nahe dem kam, was wir heute über diese Dinge wissen. Aber es lässt sich leider nicht vermeiden, dass der eine oder andere Begriff dadurch einen Bedeutungswandel erfährt.

Grüßchen, Eriq
 
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