Reichtum und Armut
Mit dem Thema "Besitz" eng verbunden ist ein Begriffspaar, das in gnostischen Texten oft vorkommt: Fülle (Reichtum) <> Mangel (Armut).
Im Dialog des Erlösers fragen die Jünger/innen Jesus: "Was ist die Fülle und was ist der Mangel?".
Jesus antwortet: "Ihr stammt aus der Fülle und ihr seid doch an dem Ort, wo der Mangel ist. Und siehe, ihr (d.h. der Fülle) Licht ist ausgegossen über mich."
Damit ist gemeint, dass die Lichtmenschen aus einem Reich der Fülle, des Überflusses, stammen. Sie müssen jedoch in einem Ort des Mangels leben.
Wie das Reich der Fülle entstanden ist, wird am besten im Tractatus Tripartitus geschildert.
Der Eine ist vollkommen und unerkennbar. Um erkannt zu werden, erzeugt er aus seiner Fülle göttliche Wesen (Äonen), denen er die Erkenntnis schenkt, damit sie Ihn erkennen können.
Als die Äonen erkennen, dass sie alle aus dem Einen hervorgegangen sind, gehen sie eine Verbindung untereinander ein. Durch die Fülle ihrer Vereinigung werden sie zu einer einzigen Gestalt, die aus vielen besteht. Sie ziehen zu dem, der selbst das All ist, wie ein Einziger und bilden die Fülle.
Die Fülle existiert und ist vollkommen in dem Maße, als sie aus einer Übereinstimmung der einzelnen Äonen miteinander und deren Vereinigung mit dem Vater besteht.
Durch Sophias Fall ist jedoch eine Welt des Mangels entstanden, wo keine Einigkeit weder unter den Menschen noch zwischen den Menschen und dem Vater herrscht.
Die Wesen, die im Mangel existieren, leben in der Armut, siehe Thomasevangelium:
„Wenn ihr euch erkennt, dann werdet ihr erkannt werden, und ihr werdet begreifen, dass ihr die Kinder des lebendigen Vaters seid. Wenn ihr euch aber nicht erkennt, dann existiert ihr in Armut, und ihr seid die Armut."
"Jedoch wundere ich mich darüber, wie dieser große Reichtum in dieser Armut Wohnung genommen hat."
Die Lichtmenschen sind herrliche Wesen der Fülle. Es ist nicht übertrieben, sie mit Multimilliardären zu vergleichen, die als Bettler in einem Elendsviertel des Kosmos leben müssen, weil sie vergessen haben, woher sie stammen. Der Erlöser brachte ihnen vor zweitausend Jahren die gute Nachricht des Reichs. Sie dürfen daher Hoffnung schöpfen, dass sie das Licht des Reichs wieder sehen dürfen.
Die Botschaft Jesu ist eine Botschaft der Hoffnung für die, die diese Botschaft empfangen und annehmen.