Hallo,
ein anderes Thema hier, wo es um Täter und Opfer ging hat mich auf die Idee gebracht, ob es bei einer FA auch möglich ist, dem Täter die Rolle des Opfers zu geben oder umgekehrt. Das müsste doch eine ideale Möglichkeit sein, die Beweggründe des jeweils anderen nachzuvollziehen, wenn man quasi in seine Haut schlüpft.
Wird soetwas gemacht, oder ist das eine zu brachiale Methode?
Gruß
Diana
Hallo Diana,
ein konkretes Opfer seinem Täter so nahe zu bringen/bringen zu wollen ist Gewalt. Begegnungen zwischen (dann ehemaligen) Opfern und Tätern kommen - wenn überhaupt! - ganz zum Schluss, vielleicht zum Abschluss des Heilungsprozesses.
Leider läuft es in vielen Familienaufstellungen aufgrund der Ausrichtung des Aufstellungsleiters in etwa genau darauf hinaus: Dem/den Tätern wird in der Aufstellung viel Raum und Bedeutung gegeben und wenn am Ende das Opfer den Täter versteht, soll das dann Versöhnung sein. Meist wird noch für und mit dem Opferhintergrund des Täters gearbeitet, damit er möglichst in den Zustand kommt, seine Schuld zu erkennen und zu übernehmen. Die Idee dahinter, der Weg aus dem Opfersein könnte in irgendeiner Weise in Zusammenhang mit den Befindlichkeiten des Täters stehen, ist eine verstrickte, unerlöste und für Opfer typische Sichtweise.
Kann umgekehrt ein Täter sich in die Gefühle seines Opfers hinein versetzen?
Nein, das kann - und will! - er eben nicht.
Denn dazu müsste er seinen eigenen Schmerz fühlen wollen.
Tragischerweise kann das Opfer den Täter viel besser verstehen, als ihm lieb ist. Ist es ihm doch so extrem nahe gekommen, dass es ALLES, insbesondere das abgespaltene Eigene des Täters, dem der Täter durch die Tat nämlich zu entkommen versucht, genau so spürt, als wäre es sein (des Opfers) Eigenes.
Und jedes Opfer muss Entscheidungen treffen, ob es seinen Schmerz, und alle Hass- und Vernichtungsgefühle, annimmt und für sich durch arbeitet, oder ob es sich in Spaltung oder Wahn flüchtet, alles Fühlen einfriert und möglicherweise selbst zum Täter wird.
Nein! Das Opfer versteht den Täter leider nur allzu gut, es fühlt in ja in sich, und hat die ekelhafte Aufgabe, sich trotzdem sich selbst zu zu wenden.
Manchmal ist die (fruchtlose) Auseinandersetzung damit, was den Täter nur getrieben haben mag, auch eine Ersatzbaustelle, mit der sich Opfer von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken.
Täter brauchen kein Verständnis und kein Mitgefühl von wem auch immer. Höchstens vielleicht Hilfestellung, sich selbst zu verstehen, sich selbst zu fühlen, und zwar mit dem Risiko, dann auch zu fühlen, was sie anderen angetan haben.
Diese Hilfestellung kann aber frühestens und allenfalls dann sinnvoll sein, wenn sich ein Täter seiner Wahrheit wirklich stellen will.
Und das ist zuallerletzt Aufgabe, Zuständigkeit oder Kompetenz des von der Tat Betroffenen!
Beste Grüße von Eva, die am Wochenende wieder bei Franz Ruppert und Traumaaufstellungen war, wo genau diese Themen sehr eindrucksvoll präsent waren.