"Von daher stehen hier Vergebung und Befreiung meines Empfindens nach überhaupt nicht zur Debatte." Wieso? Genau diese Dinge sind notwendig in meinen Augen...
"Hier" in diesem Thread. Doppelte Fragezeichen und Ausrufezeichen lassen nicht unbedingt auf das Umfeld schließen, in dem diese Dinge möglich sind.
Sich selbst, ja, denke ich auch.
Aber auch den Täter. Sich selber hauptsächlich, ja! Aber auch den Täter kann nur das Opfer vergeben.
Egal in welche Richtung man das liest, es macht für mich keinen Sinn.
Du konstruierst damit eine Abhängigkeit zwischen Täter und Opfer, und ich verstehe dich so, dass du das im Bezug auf das Verarbeiten begreifst. Das finde ich keine förderliche Sichtweise. Es setzt das Opfer mit dem Glauben unter den Druck, die einzige Person zu sein, die den Täter "erlösen" kann; und es setzt den Täter unter den Druck, sich "erlösen" zu lassen, als sei er dazu nicht selbst in der Lage (was dann evtl. dazu führt, dass er wiederum das Opfer unter Druck setzt oder sich nun selbst von ihm zum Opfer machen lässt).
Ob es zwischenmenschlich zu Reue und Vergebung kommt, ist genau da, zwischenmenschlich, von Bedeutung. Ansonsten trägt jeder seine Verantwortung für sich, auch die, mit ausgeübter oder erfahrener Gewalt umzugehen.
(Was wird denn sonst immer in jeder beschissenen Religion einen "vermittelt"? ).
Ich bin nicht religiös, von daher spielt das für mich keine Rolle. Ich vermute aber, dass viele religiöse Lehrsätze bei Weitem zu oberflächlich interpretiert werden. Wäre ein Thema für sich.
Um selber Frieden zu erreichen und zu finden. Mit sich selber! Das Leben genießen können nachdem man die ganze Scheiße durchlebt und durchgestanden hat.
Und das willst du, wenn du dich in einer für dich schwierigen Situation unschön verhalten hast, davon abhängig machen, dass dein Gegenüber es dir nicht mehr übelnimmt?
Oder davon, jemandem, der das dir gegenüber getan hat, verzeihen zu können, auch wenn er/sie es z.B. nicht im Geringsten bereut?
Wie du schreibst, den Frieden macht man mit sich selbst, und er hängt auch erstmal nur davon ab: Vom Umgang mit sich selbst.
Der Position des "Opfers". Sadistischer und grausamer zu werden, als die Vergangenheit gewesen ist. Zu sich selber (Haare ausreißen?Ritzen? bis zu sich Knochen selber brechen? Drogen/Tabletten/Alkohol?), zu seinen Mitmenschen (bei jedem kleinen Wort ausflippen? Man wird blind in solchen Zuständen und reagiert nur nach "Kämpf oder Flieh!" und verliert am Ende noch den letzten Freund, der zu einem gehalten hat) und seiner Umwelt. Nurnoch unter Stress, unter Hochspannung und min. ein Nerv/Sehne/Muskel generell jede Sekunde angespannt eine Bombe sein, die jedem und sich selber mehr schadet, als dass das vorherige wert ist. So würde ich nicht leben wollen
Ist auch niemand dazu gezwungen, so zu leben, wenn er/sie es nicht will.
Was nicht heißt, dass es nicht verdammt viel helfen kann, einfach mal in den Arm genommen und getröstet zu werden, oder sich an der Person zu rächen, die jemandem solch eine Verletzung zugefügt hat. Aber die Entscheidung, was man nach einer Gewalterfahrung mit seinem Leben macht, trifft man immer selbst.