Geist, Körper, Seele und Leib

Also ich persönlich spüre meinen Leib am Besten, wenn ich mich erst mal ganz strecke. Dafür verwende ich mittlerweile nicht mehr meine Muskulatur, sondern meinen kinaesthetischen Sinn. Ich setze einfach nur meine Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung meines kinaesthetischen Sinns und dann streckt sich mein Körper. Ich verlasse dann meine Alltagshaltung, was ich als die Grundlage dafür betrachten würde, meinen Leibe spüren zu können. Der Grund liegt in den Schäden der Wirbelsäule, die mir in meiner Alltagshaltung mitunter die Austrittspforten des ZNS in den Körperraum verklemmt. Stehe ich dann gerade, habe ich aber noch kein Leibgefühl, sondern nur den Sinn aktiviert, mit dem mein Gehirn in den Körper spürt und seine Bewegung wahrnimmt.

Was ich dann beginne ist atmen. Zuerst ist es kühl an der Nase, dann wird es aber im Rachen wärmer. Der Hals ist schon ziemlich warm, und der Nacken und die Schulter auch. Überhaupt ist alles ziemlich warm, auch recht locker. Angenehmes Gefühl, ich atme mich also locker und warm. Ein paar Atemzüge reichen.

Was ich dann noch immer nicht habe ist ein Leibgefühl. Sondern ich spüre jetzt meinen Körper: seine Wärme, ggf. sein Zwicken und Kribbeln, sein Ziehen und seinen Schmerz. Das ist zunächst nur der Körper, ich stecke also dann als Geist in meinem Körper. (ein buddhistisches Vorgehen, wie man sieht, das auf die Seele zunächst verzichtet. Ich bereite so das Gefäss für die Seele vor, könnte man sagen, denn ich vergesse die als kognitiv gesteuerter Typ schon mal.)

Und dann kommt das Dritte: ich nehme mein Gefühl wahr. Es steckt im Körper. Es steigt aus dem Bauch hoch, wenn man es so in Ruhe genau betrachtet. Oder ergibt sich im Herzen, äussert sich per Wort, zeigt sich per Mimik, Gestik, Körpersprache.

Was ich schliesslich dann einsetze, um mein Leibgefühl zu aktivieren, das ist ein spirituelles Bild. Eine kleine Sonne, die sich dreht, im Unterbauch. Und von diesem zentralen Unterbauch da dann das wunderbare Leibgefühl wie eine kribbelnde Sonne auszubreiten, das übe ich, seit ich 14 bin. Macht mir nach wie vor sehr viel Spass.

Es setzt dann das Ausbreiten dieses sehr manifesten, haptischen Geistgefühls im Körper, das sich als Raum und Rauminhalt zugleich erfährt, von innen im Körper nach aussen fort. Es entsteht eine Blase, eine Kugel, in dem ich den Leib "verteidigen" könnte. Bleibe ich in dieser Blase intakt, komme ich nicht zu Schaden, denn ich bin dort präsent. Ohne psychische Bewegungen, wie ich sie aus meinem Alltag kenne. Man nennt den Zustand auch Achtsamkeit, das ist eine Art weichere Aufmerksamkeit. Sie fokussiert nicht, daher bleibt mehr Energie zum Anwesendsein übrig.

Diesen Leib, den kann man auch ausbreiten. Man kann ihn ausdehnen, willentlich - die Sonne im Bauch liefert immer neues Kribbelmaterial nach, wenn man es nur beabsichtigt. Natürlich muss der Organismus dafür durch Übung auch schon in fernöstlichen Praktiken geschult sein, sonst wird man eher eine Vorstellung produzieren, für den Anfang. Ein mir bekannter Taichimeister zeigt das spontane Ausdehnen seines Leibes an Gruppen, die ringförmig um ihn herumstehen. Das sind durchaus 50, 60 Personen bei diesen Workshops, die dann beinahe alle einen Schritt zurück machen, obwohl er nicht angekündigt hat, was er da überhaupt tut. Nur die, die fortgeschritten sind, können seinem Leibangriff widerstehen und stehen bleiben.

Dagegen: dehnt man die eigene Seele auf andere Personen aus, über die Mitteilung hinweg, dann begeht man Manipulation. Man vermutet in der eigenen psychischen Situation eine Lösung für andere Personen. Man übergeht sie so und dringt in ihre selbständige Entwicklung ein. Man macht sie so abhängig und dumm.

Dehnt man den eigenen Geist auf andere aus, tut man das im Allgemeinen, indem man unterrichtet oder für andere betet oder meditiert. Ansonsten ist das Ausdehnenwollen des eigenen Geistes auch das Überredenwollen oder -müssen, das Diskutieren aus Überzeugungsgründen und nicht aus Wahrheitsfindungs-, also Lerngründen, die Manipulation von Verhalten durch Worte, Taten, Verbote, Nichtgemachte Äusserungen, Liebesentzug und so weiter.

Dehnt man den eigenen Körper über andere aus, könnte man ihnen wehtun, oder man beschützt sie, behütet sie. Meist kommt Beides aber miteinander. Oder immer.



Man sieht vielleicht: unter Einsatz kognitiver, erlernbarer Funktionen (Manifestierung der Vorstellung "Sonne") kann man das Leibgefühl aktivieren. Man muß im Kleinen beginnen und letztlich ist im Kleinen wie im Grossen. Oder wie sagt man. Man muss es üben: Yoga, Taichi, Chigong, alles was langsam ist eignet sich gut. Schnelle Dinge sind eher körperlich, aber man kann natürlich auch mit dem Leib laufen. Ich versuch's zum Beispiel, aber dann laufe ich eher langsam. Ich sehe ihn, den Leib, als eine Art Spielzeug. Ich kann ihn auch zum Auto formen, wenn ich will, oder zu einem beliebigen Tier. Das macht Spass, ehrlich. Man übt gerade das im Yoga, anhand einiger Tiere, in Formen. Aber natürlich ist es das Ziel, die Form aufzulösen und jedwede Form annehmen zu können. Darin liegt die wahre Freiheit, auch philosophisch.


Geist, Körper und Seele dagegen sind fest definierte Gruppen von Merkmalen, die wir bisher an uns ausgemacht haben. Und zwar unter einer völlig beliebig und unkontrollierten Wissenssuche über die Jahrtausende hinweg - wir leben wissensmässig also im Chaos. Wenn man's mal recht betrachtet. Und das wird sich auch nie ändern, solange man nicht zu philosophieren beginnt. Schließlich kann man nur durch die Philosophie überhaupt zu dem Denkergebnis kommen, daß es einen leeren, freien Geist geben muss. Der sich nur Fragende Wissenschaftler wird das leider nie bemerken, daß es tatsächlich so ist.

Man muss hinter das geschaffene Wissen zurücktreten, um alle Disziplinen des Wissens dann breit auf einen Haufen zu legen und einmal alles mit dem Nudelholz breit klopfen, bis alles aufeinander passt. Jedes Wissensgebiet hat naturgemäss einen blinden Fleck, es vernachlässigt stets einen Teil der Wahrheit, weil es ein Wissensgebiet ist. Und niemals Wissen für sich darstellen kann wie die Philosophie.

Die Philosophie kann sich fragen: "Was ist Wissen"? Und findet darauf ohne Zweifel eine für alle verständliche Aussage im Rahmen von 7 Worten. Die Kognitionswissenschaft dagegen würde sich totfaseln und den Grad der Wahrheit der Philosophie niemals nicht erreichen können.
 
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ok, und genau um diesen phänomenalen Unterschied, den du hier meines Erachtens sehr klar auf den Begriff bringst, ging es mir.
Das ist keine empirisch-messende Beobachterperspektive - die schon ein Beobachterschema voraussetzt - sondern eine phänomenologische Ich-Perspektive, die sich den Qualitäten der Phänomene zuwendet, und von hier aus dann Begriffsbestimmungen vornimmt.

:)
*fingerheb* ich muss jetzt grad mal sagen, Energeia: dafür lieb ich Dich. Für solche Sätze. könnt' ich davon noch ein paar bekommen? :)

(das ist wieder die Situation, in der ich normalerweise früher sagte: "ou Mann, Du bist echt phänomenal klug.")

*verliebtguck* ;)
 
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