Gefühle in sozialen Interaktionen und Verantwortung für die eigenen Gefühle

LIeber Opti,

vielen Dank für deine Worte, von denen ich mich sehr gut verstanden fühle.

Inwieweit die Äusserungen Energeias wirklich frei von eigenen Emotionen und Vorurteilen sind, mag er selber herausfinden. Ich jedenfalls würde mich davon nicht immer frei sprechen.

Und darin kann ich dir natürlich nur zustimmen: ich kann nicht ausschließen, dass hier und da auch andere Gefühle und Motive in mir aufkommen und dass ich auch hier und da Vorurteilen erliege.

Liebe Grüße,
Energeia
 
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Hallo Inti,

Hallo Energeia deine Aussagen kann ich nur unterstützen.

schauen wir uns doch mal an, wie es zu solchen Einschätzungen von Verletztheit kommt - Joey hat es kurz angesprochen mit: "Du bist ja blöd" - Du-Botschaften kratzen fast immer an meinem Selbstwertgefühl und wirken deshalb verletzend. Da müsste man sich schon spalten und viele tun das ja auch und können in der anderen Rolle dann etwas verkraften was ihnen in der eigenen nicht gelingt.

Du-Botschaften sprechen mein Ich an, meine Person und warum? - weil ich mit dieser Person identisch bin - nicht diese Person IN der ich agiere wird mit der Du-Botschaft verletzt, sondern Ich. Ich könnte wie Joey es vorschlägt mich von der Person die mein Gegenüber anspricht distanzieren, indem ich sage, das bin nicht ich, der kennt mich gar nicht. Aber der Kern ist die Identifikation, man merkt das bei freunden, wenn die einem mal eine herbe Kritik liefern, da kann man nicht mehr zu der Ausrede greifen "der kennt mich nicht", deshalb treffen kritiken von Freunden am stärksten, aber sie werden auch am ehesten angenommen.

Nun ist die Frage mit was ich mich alles identifiziere, wenn ich mich nun als Christ sehe und irgendjemand zieht über die bösen Christen her, fühle ich mich natürlich persönlich angesprochen und diese identifikation trifft auf ganz viele Bereiche zu sei es wenn ich Mallorka toll finde und andere sehen da nur Mist etc. ganz oft ist auch so eine Identifikation nicht bewusst, ich reagier einfach nur.

LGInti

Ja, es sind die sehr starken Identifikationen. Wenn wir ein wenig liebevoll und offen für uns selbst werden, dann können wir uns auch von den Urteilen und der Kritik der Menschen, die uns nahe stehen und uns kennen, lösen. Denn nur weil ein Mensch, der mir nahe steht und mich kennt, z.B. kritisiert, dass ich etwas nicht gut ist, das ich mache, heißt das ja noch nicht, dass ich das genauso sehen muss. Vielleicht sage ich dann auch zu diesem Freund: "du, ich kann dich verstehen, aber schau, ich mag mich einfach so wie ich bin. Wenn dich das aber irgendwie stört, dann können wir ja gemeinsam darüber reden und vielleicht finden wir einen Weg." :)

Liebe Grüße,
Energeia
 
Hallo Paula Marx,

Schlage eine andere Richtung der Erziehung vor. In den letzten 40 Jahren hat man schlagwortartige Antiautoritäre Erziehung, Egozentrismus und schlampertes Chaosprinzip (im Gegensatz zu kreativem Chaosprinzip) gepredigt, drüber eine infantile PositivDenkenDecke gezogen und gschaut, wie das Pflänzchen Mensch draus emotionelle und mentale Stabilität gewinnt.
Begriffe Vernunft und Konstruktiv sind verpönt gewesen.

Als Lektüre empfehle: Janusz Korczak, Wie man ein Kind lieben soll

ja, aus meiner Sicht war die Phase, die du ansprichst, vielleicht auch notwendig, um die vorherige Phase abzulegen, aber ich stimme dir darin zu, dass so etwas wie "Vernunft" sehr vernachlässigt wurde. Aus meiner Sicht, philosophisch betrachtet, ist "Vernunft" etwas, das das Bindeglied zwischen dem Kindsein und dem spirituellen, liebevollen Sein darstellen kann.
Wenn wir noch spüren, dass wir verletztlich und abhängig sind, wir noch nichtlieben und offen sein können, dann können wir mit der Vernunft einen Weg einschlagen, der uns zur Liebe und Spiritualität führt.

Liebe Grüße,
Energeia
 
LIeber Opti,

vielen Dank für deine Worte, von denen ich mich sehr gut verstanden fühle.

Ich glaube, die große Schwierigkeit besteht darin, dem Anderen seine eigenen Empfindungen mitzuteilen, ohne dass der Andere sich dadurch verletzt fühlt. Das ist so gut, wie unmöglich. Es ist auch die Frage, ob der Andere in der Lage ist, diese Äusserungen anzunehmen. Dies ist meist ebenfalls nicht möglich, da er sich von dieser Äusserung verletzt fühlt und spontan reagiert, ohne darüber nachzudenken, warum der Andere dies sagte. Somit zeigt die Bereitschaft, sich mit kritischen Inhalten auseinander zu setzen, einen gewissen Reifegrad an.
 
Ich glaube, die große Schwierigkeit besteht darin, dem Anderen seine eigenen Empfindungen mitzuteilen, ohne dass der Andere sich dadurch verletzt fühlt. Das ist so gut, wie unmöglich. Es ist auch die Frage, ob der Andere in der Lage ist, diese Äusserungen anzunehmen. Dies ist meist ebenfalls nicht möglich, da er sich von dieser Äusserung verletzt fühlt und spontan reagiert, ohne darüber nachzudenken, warum der Andere dies sagte. Somit zeigt die Bereitschaft, sich mit kritischen Inhalten auseinander zu setzen, einen gewissen Reifegrad an.

ja, umso kritischer eine Sachintention wird, desto mehr besteht immer die Gefahr, dass der andere nicht auf der Sachebene begegnet, sondern sich angegriffen fühlt.
Das macht es unglaublich schwer, derartige Themen zu diskutieren.

Wenn du die Früchte der Enthaltsamkeit aufzeigen möchtest, dann fühlen sich viele Menschen angegriffen, die nicht enthaltsam leben.
Wenn ich darauf aufmerksam machen möchte, dass wir generell die Fähigkeit entwickeln können, uns von Texten zu distanzieren, uns selbst emotional zu regulieren und gerade deshalb dann auch Nähe eingehen können, dann fühlen sich anscheinend ebenfalls Menschen angegriffen.

Die Frage - die Joey hier auch aufgeworfen hat - ist natürlich immer: wenn wir wissen, dass andere sich aufgrund unserer Sachmeinung persönlich angegriffen fühlen, wie können wir dann verantwortlich mit ihnen umgehen?

Früher war ich der Meinung, dass man die anderen mit Samthandschuhen anfassen muss - damit war ich und waren auch die anderen auf der konfliktfreien Seite. Heute bin ich der Meinung, dass man durchaus die anderen auch konfrontieren kann, aber nicht überfordern sollte. Und die Gradwanderung zwischen Konfrontation und Überforderung ist sehr schwierig - und sie gelingt mir anscheinend nicht immer. Gerade diejenigen, die das schon erkannt haben, was ich sagen möchte, verstehen mich, und diejenigen, die damit noch ein Problem haben, fühlen sich ab und an überfordert - so mein Eindruck.

Liebe Grüße,
Energeia
 
Hallo Energia,

Ich wäre dir dankbar, wenn du mir ein Beispiel schreiben könntest, welches mir das "der Realität entsprechen" kann darstellt - im Moment habe ich damit etwas Verständnisschwierigkeiten. Merci.

Wenn ich Beiträge lese, ergibt sich in meinem Kopf ein Bild des Schreibers... die Mimik, Gestik, Tonfall etc. die ich nicht sehe und höre, wird so aufgefüllt. Da sehe ich dann eine wütend schimpfenden Menschen, oder den geduldig argumentierenden Lehrer. Den Guru, der der lauschenden Gemeinde erhaben etwas mitteilen will... Jeder dieser Bilder hat beim Schreiben verschiedene Emotionen. Und es kann sein, dass die Erfahrung und die Projektion in meinem Kopf das richtige Bild liefert.

D.h. wenn ich beispielsweise den Eindruck habe, dass das gegenüber Gift und Galle spuckt und rumtobt, dann liegt es zwar daran, dass ich das aufgrund meiner Erfahrungen und Projektionen in dem Beitrag sehe... aber das Gegenüber kann wirklich Gift und Galle spcuken und rumtoben.

Wie gesagt: es ist aus meiner Sicht wichtig, Verantwortung und Kausalität zu trennen. Aus meiner Sicht neigst du dazu, 1. von Kausalität auf Verantwortung zu schließen und 2. hier nun aus dem Anlass auf externe Kausalität zu schließen, obwohl du anfangs sagtest, dass die Hauptursache beim LEser liegt. Wenn ich es richtig sehe, dann "kippt" hier deine Argumentation.

In meinem Ursprungsposting habe ich das "haupt-" fett gedruckt, um deutlich zu machen, dass nicht die alleinige Ursache beim Leser liegt. Und im weiteren Verlauf habe ich meistens den Teil der Ursache/Anlass angesprochen, der nicht beim Leser liegt. So kann der Eindruck entstanden sein, ich würde mir selbst widersprechen. Du hast allerdings Recht, dass ich Ursache, Anlass und Verantwortung unsauber verwurstelt habe.

Nein, du beschreibst ja hier das, was ich unter Punkt 4.1 ebenfalls beschreibe. Natürlich sind Kinder und Babys vollkommen emotional von ihrem Umfeld abhängig. Darum geht es ja meiner Ansicht nach. Es geht eher darum, sich in der spirituellen Entwicklung von dieser Abhängigkeit zulösen und eine (emotionale) Selbständigkeit zu entwickeln.

Das ist nicht nur spirituelle Entwicklung. Das ist schlicht erwachsen werden.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, 3 Ebenen zu unterscheiden:
1. Mensch als Einheit
2. Interaktion
3. Gesellschaft

Gefühle entstehen, wie ich im letzten Punkt 4 deutlich machen wollte, zunächst in der Interaktion mit den Bezugspersonen. Aber wir können uns dann davon unabhängig machen, befreien. Es findet zwar noch eine Wechselwirkung (Interaktion) statt, aber prinzipiell kann sich ein Mensch dann auch irgendwann von der Interaktion emotional distanzieren und aus der Distanz dann auch wieder selbständig in die Nähe hineingehen. Und dies unterscheidet sich fundamental von einer emotionalen Abhängigkeit, wie sie beim Kind gegeben ist.

Ok, diesen Punkt habe ich in Deiner Argumentation wirklich übersehen.

Das hängt ganz vom Selbstwertgefühl des Lesers ab - das hattest du oben auch eingeräumt (Hauptgrund).

Nicht nur auf das Selbstwertgefühl (auch, wenn der ein bestimmender Faktor ist). Es kann auch die (u.U. irrationale) Angst vor den oben angesprochenen tatsächlich verherenden Folgen sein.

Ich habe insgesamt den Eindruck, dass die Konzeption, die ich hier vorgestellt habe, doch etwas von der Konzeption abweicht, die du hier kritisierst.

Ja, das habe ich dank Deiner Erläuterungen auch gesehen.

Du beschreibst den Menschen, der selbständig und unabhängig ist als einen gefühlsarmen Menschen, aber ich beschreibe ja genau das Gegenteil (siehe 4.3) Wirkliche Nähe wird hier ja erst möglich.

Ich hatte nicht einen gefühlskalten Menschen im Kopf... eher einen ewig distanzierten. Einen, dem die Meinung der anderen Menschen über ihn wirklich egal ist. Einen, der sagt: "Rutscht mir doch alle den Buckel runter; ich bin alleine glücklich" Aber ich weiß ja jetzt, welchen Punkt ich bei der Beschreibung übersehen habe

Ich glaube nicht, dass wirkliche Nähe erst dann möglich ist... sie ist aber vielleicht einfacher... sowohl einfacher einzugehen, als auch einfacher zu ertragen.

Ich stimme dir aber darin zu, dass ich die Frage vernachlässige, wie ein Mensch, der verantwortungsvoll handeln kann, mit den Menschen umgeht, die emotional kausal beeinflussbar sind. Insofern könnten wir gerne diese Frage der "Verantwortung des Schreibers" weiterdiskutieren.

Was ich auf jedenfall verantwortungslos finde ist sinngemäß zu schreiben: "Dies ist meine Meinung, Das ist die Wahrheit. Wenn Ihr Euch dadurch verletzt fühlt, ist das alleine Eure Verantwortung. Nun geht mal gefälligst selbstkritisch damit um, und lasst jegliche Gedanken über mich dabei weg." Wer sowas schreibt, erhöht sich selbst vor anderen und missachtet eklatant die Tatsache, dass Komunikation bidirektional verläuft, und Kritik auch bidirektional laufen kann. Jemand der nur austeilen kann (mit welcher Intention auch immer... auch, wenn er es "lieb meint"), muss auch einstecken können.

Und zumindest Dein Eingangsposting erschien mir als Freibrief für solch ein Verhalten gedeutet werden zu können.

Viele Grüße
Joey


PS: Der Stil von Deinem Beitrag hat mir gut gefallen. Sachliche Kritik stilvoll und verständlich vorgetragen.
 
Ich glaube, die große Schwierigkeit besteht darin, dem Anderen seine eigenen Empfindungen mitzuteilen, ohne dass der Andere sich dadurch verletzt fühlt. Das ist so gut, wie unmöglich. Es ist auch die Frage, ob der Andere in der Lage ist, diese Äusserungen anzunehmen. Dies ist meist ebenfalls nicht möglich, da er sich von dieser Äusserung verletzt fühlt und spontan reagiert, ohne darüber nachzudenken, warum der Andere dies sagte. Somit zeigt die Bereitschaft, sich mit kritischen Inhalten auseinander zu setzen, einen gewissen Reifegrad an.


Da hast du sehr recht, Opti! Frage mich nur, warum du dich nicht ein einziges Mal mit Inhalten auseinander gesetzt hast, die GEGEN die These vom Nutzen der Enthaltsamkeit sprechen! Denn es haben wirklich schon viele sachlich darüber geschrieben, ohne dich anzugreifen! :)
 
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Da hast du sehr recht, Opti! Frage mich nur, warum du dich nicht ein einziges Mal mit Inhalten auseinander gesetzt hast, die GEGEN die These vom Nutzen der Enthaltsamkeit sprechen! Denn es haben wirklich schon viele sachlich darüber geschrieben, ohne dich anzugreifen! :)

1. Wie können sie über die Enthaltsamkeit urteilen, wenn sie nie enthaltsam gelebt haben?
 
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