****** Das nur als Anmerkung für andere Leser: ich weiß, dass Joey ein Mensch ist, der sehr sachlich argumentieren kann, weshalb ich hier auch einen sehr argumentativen, sachlichen, beinahe "wissenschaftlichen" Stil der Argumentation wähle. ******
Hallo Joey,
merci, dass du dir die Zeit genommen hast, den Eingangsbeitrag zu lesen und auf ihn sachlich einzugehen. Ich gehe hier auf deine Punkte ein; ich hoffe, dass es nicht zuviel für dich ist.
Ja, die Gefühle, die der Leser bekommt, entstetehn durch Interpritation, Projektion, Übertragung etc. (im Folgenden werde ich diese Mechanismen nur noch "Projektion" nennen), und haben die Hauptursache im Leser
Ja, das siehst du anscheinend sehr ähnlich wie ich. Ich möchte aber gleich darauf hinweisen, dass ich ganz sachlich "Verantwortung" und "Kausalität" trennen möchte.
Der Schreiber darf aber seine Verantwortung für die Gefühle des Lesers nicht ausblenden. Du vergisst, dass der Schreiber beim Schreiben des Beitrages auch Gefühle hat. Und auch, wenn die Gefühle beim Leser durch Projektion hervorgerufen werden, so können die Gefühle, die der Leser auf den Schreiber projiziert, der Realität entsprechen.
Ich glaube nicht, dass ich das vergesse. Mir geht es darum, dass ein Mensch erst ab einem bestimmten Zeitpunkt diese Verantwortung für sich und den anderen auch wirklich ausüben kann. (Siehe 4.3)
Ich wäre dir dankbar, wenn du mir ein Beispiel schreiben könntest, welches mir das "der Realität entsprechen" kann darstellt - im Moment habe ich damit etwas Verständnisschwierigkeiten. Merci.
Der Schreiber liefert den Anlass... er ist dadurch Mit-Verursacher. Er darf seine Verantwortung nicht leugnen.
Wie gesagt: es ist aus meiner Sicht wichtig, Verantwortung und Kausalität zu trennen. Aus meiner Sicht neigst du dazu, 1. von Kausalität auf Verantwortung zu schließen und 2. hier nun aus dem Anlass auf externe Kausalität zu schließen, obwohl du anfangs sagtest, dass die Hauptursache beim LEser liegt. Wenn ich es richtig sehe, dann "kippt" hier deine Argumentation.
Verstehe ich Dich richtig: Dadurch dass z.B. Beleidigung geächtet ist und gesellschaftlich als "Verletzung von Außen" betrachtet wird, macht sich Deiner Meinung nach niemand die Mühe, die Ursache der negativen Gefühle in seinem Inneren zu suchen?
Nein, ich beschreibe hier lediglich einen Fall. (siehe Punkt 4.) Ich möchte hier sagen, dass der soziale Mechanismus grundsätzlich davor entlastet, dies zu tun. Ob ein Mensch dies dann doch tut oder nicht, das hängt von seiner individuellen Entwicklung ab. Und diese thematisiere ich hier im Anschluss.
Ja, aber...
Ich will nochmal auf die Verantwortung des Schreibers hinweisen. Worten (auch Buchstaben) haben ebenfalls eine gewisse Macht. Vielleicht nicht unmittelbar auf die Emotionen des Lesers... aber darüber hinaus.
Ein kleines Kind ist davon abhängig von den Eltern und von anderen geliebt zu werden. Es wäre sonst vollkommen hilflos. Kleine Kinder lassen sich deswegen z.B. alleine durch die Worte "Du bist ja blöd" sehr schnell aus der Fassung bringen. Die Hilflosigkeit ist den Kindern natürlich nicht bewusst; dieses Verhalten ist aber ein evolutionärer Vorteil gegenüber hypothetischen Kindern, denen die Liebe der Umwelt egal ist).
Nein, du beschreibst ja hier das, was ich unter Punkt 4.1 ebenfalls beschreibe. Natürlich sind Kinder und Babys vollkommen emotional von ihrem Umfeld abhängig. Darum geht es ja meiner Ansicht nach. Es geht eher darum, sich in der spirituellen Entwicklung von dieser Abhängigkeit zulösen und eine (emotionale) Selbständigkeit zu entwickeln.
Es gehört zum erwachsen-werden dazu, dass einem die Meinung der Umwelt immer egaler wird. Man erträgt es, wenn jemand anderes sagt: "Du bist ja blöd". Sowas kratzt einen u.U. gar nicht, es sei denn, die Person mochte man vorher sehr gerne.
Aber ich halte es für übertrieben zu behaupten, erwachsen sein bedeute, dass einem die Meinungen der Umwelt vollkommen egal ist. Wir Menschen leben nunmal in ständiger Wechselwirkung untereinander. Wir entwickeln Symphatie und Antiphythie. Es gibt Menschen, mit denen wir uns gerne austauschen und welche, die wir meiden. Es gibt Meinungen, die wir teilen und welche, die wir ablehnen.
Ja, du sprichst hier zwei verschiedene PUnkte an. Das eine ist das Gefühl des "Verletztseins" und das andere ist die sachliche Meinung. Dies habe ich ja gestern auch im Thread mit Believe getrennt. Ich kann doch durchaus eine Meinung vertreten, muss mich aber nicht verletzt fühlen, wenn ein anderer eine andere Meinung vertritt. Darum geht es mir mit der "Entwicklung". Das verstehen hier auch andere immer wieder falsch, wenn sie sich wundern, dass ich so viel schreibe
Ich bringe meine Meinung zum Ausdruck - und das ist doch vollkommen in Ordnung.
Wenn die Meinung eines Menschen über mich sich nur in Worten äußern würde, so gebe ich Dir Recht: Das brauch einen nicht viel zu kratzen. Allerdings hat die Meinung eines Menschen durchaus auch andere Einflüsse auf mein Wohlergehen. Die Meinungen anderer Menschen über einen können mit unter über Deinen Lebensweg entscheiden.
Arbeitgeber sind sich dessen bewusst... so schreiben sie dann "Arbeitszeugnisse", die zwar wohlwollend klingen... mit der Zeit hat sich da aber eine Art Code entwickelt, wie man zwischen den Zeilen eines solchen Arbeitszeugnisses zu lesen hat.
Meine Mutter arbeitete in den 1960er Jahren als Lehrerin. Eine Kollegin von ihr in der Referendarzeit bekam bei den Lehrproben grundsätzlich eine schlechte Note. Rate mal warum: Es war die einzige Referendarin, die schon verheiratet war. Die spießigen Direktoren haben die schlechten Noten auch öffentlich damit begründet: "Wenn sie Zeit für eine Liebesbeziehung hat, dann hat sie keine Zeit sich ordentlich vorzubereiten." ... vollkommen unabhängig davon, wie gut sie wirklich war.
Wenn Menschen jetzt aufgrund solcher Dinge be- und verurteilt werden... in solch einer Gesellschaft will ich nicht leben. Und beispielsweise solche Meinungen (auch über mich) sind es, die mich wütend machen. Und ich sehe darin die Ursache nicht nur in mir selbst, sondern auch darin, welche Folgen ich in solchen Meinungen sehe.
Ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber das trifft nicht ganz den Punkt, den ich angesprochen hatte. Natürlich kann die Kommunikation auch "Folgen" in der externen Welt haben, die uns existentiell betreffen. Und das kann dramatisch sein.
Der Schmerz beruht darauf, wie gut man "über den Dingen" steht. Ich weiß von mir selbst, dass ich oftmals nicht sonderlich gut über den Dingen stehe. Das hat etwas mit mir zu tun... stimmt. Jetzt kommt aber wieder mein Verweis darauf, dass der Schreiber seine Verantwortung nicht leugnen oder abschieben darf.
Ok, also vielleicht können wir im nächsten Beitrag einfach mal über die Verantwortung des Schreibers schreiben. Mein Thema war hier ja hauptsächlich die Verantwortung des Lesers und ich habe die Verantwortung des Schreibers eigentlich eher vernachlässigt, wenn ich sie auch im letzten PUnkt 4 dann thematisiere.
Der andere hat einen ja auch verletzt. Ob gewollt oder ungewollt spielt dabei keine Rolle. Der Schreiber hat ja gewisse Gefühle, und der Leser empfängt gewisse Gefühle... und die können durchaus die selben sein. Ob sie nun auf Projektion beruhen oder nicht.
so etwas schließe ich nicht aus:
2.2 Eventuell fühlt sich der andere ebenfalls verletzt und vielleicht sogar gerade deshalb, weil der andere sich durch seine Worte verletzt fühlt: Was, ich soll dich verletzt haben? Niemals, das ist ja unerhört! Auf diese Weise kann sich ein Gespräch entwickeln, in dem sich beide verhaken und die Beteiligten gegenseitige Vorwürfe erheben und indem sie auch wirklich versuchen, sich gegenseitig mit Worten zu verletzen, weil sie sich selbst auch angegriffen fühlen.
Mir geht es nur darum, aufzuzeigen, dass es auch ganz anders möglich ist.
Ja, wie ich schon oben schrieb. Aber man darf nicht verwechseln, dass wir Menschen ständig in Wechselwirkung untereinander leben. Ein Mensch kann nicht nicht kommunizieren. Und der Mensch ist ein Gruppentier. Wir ordnen uns in eine Rangordnung ein und gliedern uns einer Herde ein. (Ich frage mich manchmal, wie die Gesellschaft aussähe, würde der Mensch näher verwandt mit einzelgängerischen Tieren wie z.B. die Haukatze sein... bestimmt anders) By the way: Ich liebe Katzen.
Aus meiner Sicht ist es wichtig, 3 Ebenen zu unterscheiden:
1. Mensch als Einheit
2. Interaktion
3. Gesellschaft
Gefühle entstehen, wie ich im letzten Punkt 4 deutlich machen wollte, zunächst in der Interaktion mit den Bezugspersonen. Aber wir können uns dann davon unabhängig machen, befreien. Es findet zwar noch eine Wechselwirkung (Interaktion) statt, aber prinzipiell kann sich ein Mensch dann auch irgendwann von der Interaktion emotional distanzieren und aus der Distanz dann auch wieder selbständig in die Nähe hineingehen. Und dies unterscheidet sich fundamental von einer emotionalen Abhängigkeit, wie sie beim Kind gegeben ist.
Erwachsen werden bedeutet zwar, sich weitestgehen von der Meinung anderer Menschen frei zu machen... aber die ständige Wechselwirkung darf dabei nicht vernachlässigt werden und verhindert eine vollkommene Loslösung.
Vollkommen richtig. Aber ich will wieder ein ABER dahinter setzen: Ein Mensch, der rein gar keine Freunde hat, der gar keine liebevolle Wechselwirkung mit anderen Menschen hat, geht emotional ein... egal, wie sehr er sich selbst liebt.
Deshalb hatte ich geschrieben:
Aus meiner Sicht ist es wichtig für die Sozialisation eines Menschen, besonders in der Kindheit, dass er solche Interaktionen erlebt. Dies bewirkt in einem Menschen das Lebensgefühl von Vertrauen in die Welt.
Du verstehst mich falsch, wenn du glaubst, dass ich dies ausschließen möchte. Und wenn ich potentiell fähig dazu bin, mich zu distanzieren, dann heißt das doch überhaupt nicht, dass man dann nicht mit anderen Menschen interagieren und Freude empfinden kann. Ganz im Gegenteil. (Siehe 4.3.)
Du nimmst hier etwas an, das auch Believe gestern immer wieder annahm, aber das trifft doch offensichtlich nicht zu.
Beleidigungen verlieren im Allgemeinen zwar den Stellenwert, weil sie ja nicht von der ganzen Umwelt kommen (es gibt meistens Menschen, die es anders sehen als der Beleidiger)... aber sie kratzen schon am Gefühl... vollkommen egal, ob sie berechtigt sind oder nicht. Ein Schreiber darf da seine Verantwortung nicht leugnen. Und, sofern es in einem gewissen Rahmen bleibt, halte ich persönliche Rückangriffe für gerechtfertigt.
Das hängt ganz vom Selbstwertgefühl des Lesers ab - das hattest du oben auch eingeräumt (Hauptgrund).
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Ich habe insgesamt den Eindruck, dass die Konzeption, die ich hier vorgestellt habe, doch etwas von der Konzeption abweicht, die du hier kritisierst. Du beschreibst den Menschen, der selbständig und unabhängig ist als einen gefühlsarmen Menschen, aber ich beschreibe ja genau das Gegenteil (siehe 4.3) Wirkliche Nähe wird hier ja erst möglich.
Du argumentierst auch an manchen Stellen so, dass ich nicht einräumen würde, dass Menschen durchaus von außen kausal emotional erschüttert werden können: aber genau das räume ich ja ein (siehe 3.2.2. 4.1).
Mir geht es in dem Beitrag um die Entwicklung zur VErantwortung und Unabhängigkeit hin. Das bedeutet auch, dass davor natürlich eine Phase existiert, in der diese nicht gegeben ist.
Ich stimme dir aber darin zu, dass ich die Frage vernachlässige, wie ein Mensch, der verantwortungsvoll handeln kann, mit den Menschen umgeht, die emotional kausal beeinflussbar sind. Insofern könnten wir gerne diese Frage der "Verantwortung des Schreibers" weiterdiskutieren.
Liebe Grüße,
Energeia