Gefühle der Ahnen

Anmaßung das klingt mir immer so hart und schreckt auch die jenigen auf, die mit der Terminologie des Familienstellen kaum vertraut sind !
Lieber Jakis,

Anmaßung klingt nicht nur hart - sie IST hart. Das stimmt schon : Aufstellungen können erschreckend wirken, weil sie mit dem konfrontieren, wie es IST - und die behübschenden Trugbilder und Vernebelungen verscheuchen.

Es IST hart, wenn zB. ein Mädchen auf der seelischen Ebene zur Mutter sagt : ich werde besser mit Deiner Missbrauchserfahrung fertig als Du, also nehme ich sie Dir ab, weil ich Dir nicht zutraue, dass Deine Seele mit ihren Erfahrungen fertig wird.

Es IST hart, wenn ein Enkel anstatt des Großvaters den Kampf gegen den Vater führt (der den Großvater aus dessen Haus vertrieben hat). Der Enkel sagt auf der seelischen Ebene zum Großvater : Du Narr und Schwächling - Du hast Dich vertreiben lassen. Ich zeige Dir, wie es besser geht, wie Du es machen hättest sollen.

Anmaßung heißt immer : ich traue Dir nichts zu und mir alles. Und das IST hart und macht hart.

Paradoxerweise liebevoll hingegen ist es, sich zu verneigen und zu sagen : das war Dein Schicksal, das für Dich sinnvoll und von Dir gewählt ist (auch wenn ich es nicht verstehe). Ich respektiere Dich und mische mich nicht eigenmächtig ein. Wenn Deine Seele Unterstützung braucht und wünscht, gebe ich sie Dir gerne - wenn Du sie nicht wünscht, dränge ich mich nicht auf und mische mich nicht anmaßend ein.

Ein bisserl klarer, jetzt ?

LG, Reinhard
 
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Zählt vielleicht schon folgendes dazu: Es kommt in Familien durchaus des öfteren vor, das irgend ein Vorfahre, was weiß ich, ein erfolgloser Musiker war, woran nicht nur er, sondern eventuell sogar die ganze Familie damals zerbrochen ist und Generationen später, ein Enkel, Urenkel ... dieses Thema noch mal aufgreift und je nach dem, dann entweder ein erfolgreicher Musiker wird oder das ganze Schicksal in dessen Sekundärfamilie sich noch mal wiederholt. Aber wo steckt darin die Anmaßung ?
Lieber Jakis,

zu Deinem Beispiel :

der Urenkel (der das nochmals aufgreift) ignoriert, dass er genau diesem (angeblichen) Scheitern sein Leben verdankt. Wäre der Musiker erfolgreich gewesen, hätte die Familiengeschichte eine andere Wendung genommen - und andere Enkel und Urenkel wären enstanden.

Das "Scheitern" des Musiker-Ahnen begründete das Leben des Urenkels. Die Anmassung liegt zB. darin, den Ahnen als "erfolglos" zu bewerten und abzuwerten. Er ist seinen Lebensweg gegangen. Punkt. Der ist zu respektieren. Sonst säge ich den Baum um, dessen Ast ich bin.

Ein lösender Satz könnte sein : Ich bin der Erfolg Deines "Misserfolges".

Liebe Grüße, Reinhard
 
Lieber Jakis,

zu Deinem Beispiel :

der Urenkel (der das nochmals aufgreift) ignoriert, dass er genau diesem (angeblichen) Scheitern sein Leben verdankt. Wäre der Musiker erfolgreich gewesen, hätte die Familiengeschichte eine andere Wendung genommen - und andere Enkel und Urenkel wären enstanden.

Das "Scheitern" des Musiker-Ahnen begründete das Leben des Urenkels. Die Anmassung liegt zB. darin, den Ahnen als "erfolglos" zu bewerten und abzuwerten. Er ist seinen Lebensweg gegangen. Punkt. Der ist zu respektieren. Sonst säge ich den Baum um, dessen Ast ich bin.

Ein lösender Satz könnte sein : Ich bin der Erfolg Deines "Misserfolges".

Liebe Grüße, Reinhard

Danke!
Habe ich zu spät gelesen, da war schon die andere Antwort raus.
Das leuchtet mir (zur Hälfte) ein.
Nur, was soll denn dann solch ein Urengel z.B. machen, wenn er solch eine Begabung wie der Vorahne hat. Sie fallen lassen!?
Oder sagen: Danke für dein Mißerfolg. Dadurch habe ich jetzt die Chance ein guter Musiker zu werden oder impliziert das der mögliche Lösungsatz." Ich bin der Erfolg Deines Misserfolges" von dir schon.

*kopfkratz*

Jakis
 
1. "übernehmen wollte", das empfinde ich mittlerweile so, als ob ich selbst (oder meine Seele) Einfluss darauf hätte, welche Verstrickungen ich mit in mein eigenes Leben nehme oder nicht.

2. Als ob ich eine Macht hätte zu entscheiden.
Liebe Pluto,

1. Genau - Verstrickungen sind letztlich selbstgewählt und Ergebnis eigener Entscheidungen.

2. Nicht die MACHT zu entscheiden - sondern die FREIHEIT zu entscheiden.

Freiheit ist Verzicht auf Macht - Verstrickung hingegen ist Versuch der Machtausübung. Das ist das Wesen der Eigenverantwortung. Die eigene Verantwortung für sich wahrzunehmen und die Freiheit des anderen und seine Lebensgestaltung zu respektieren.

LG, Reinhard
 
Nur, was soll denn dann solch ein Urengel z.B. machen, wenn er solch eine Begabung wie der Vorahne hat. Sie fallen lassen !?
Lieber Jakis,

Nicht-anmaßend und respektvoll ist es zB. aus dem Leben eines Vorfahren zu LERNEN : weil er in eine Grube gefallen ist, kann man diese Gefahr erkennen und sie vermeiden. Wenn man seine Erfahrungen ernst- und annimmt, kann man zB. seine musikalische Begabung so leben, dass daraus Freude entsteht und nicht Leid.

"Ich lerne von Dir." ist etwas fundamental anderes als "Ich mache es besser als Du."

Der "der es besser macht" stellt sich über den anderen. Der "der vom anderen lernt" respektiert die Reihenfolge. Der Großenkel kommt nach dem Urgroßvater - der Schüler kommt nach seinem Lehrer.

"Von jemanden zu lernen" ist liebevoll - "es besser zu machen" ist verächtlich.

LG, Reinhard

PS.: In einem anderen Sprachbild : Verstrickung ist "blinde Liebe" - Respekt und Achtung ist "sehende Liebe".
 
@alle: Danke für Eure Antworten, schön langsam sehe ich ein wenig klarer....:liebe1:

Das "Scheitern" des Musiker-Ahnen begründete das Leben des Urenkels. Die Anmassung liegt zB. darin, den Ahnen als "erfolglos" zu bewerten und abzuwerten. Er ist seinen Lebensweg gegangen. Punkt. Der ist zu respektieren. Sonst säge ich den Baum um, dessen Ast ich bin.

Ein lösender Satz könnte sein : Ich bin der Erfolg Deines "Misserfolges".

Lieber Reinhard!

Das Beispiel klingt sehr logisch. Doch wie verhält es sich, wenn der selbe Satz (nach meiner persönlichen Meinung) eine Verhöhnung dieses Schicksales wäre?

Ich möchte ein Beispiel bringen, damit klarer wird, was ich meine:

Meine Großmutter starb in jungen Jahren mit dem Wissen, mehrere damals noch kleine Kinder zurücklassen zu müssen. Das dürfte sie heute noch quälen, die Angst und Sorge und Schuldgefühle.

Es ist schon richtig - wäre sie nicht so früh gestorben, wäre meine Mutter nie nach Österreich gekommen, hätte meinen Vater hier nie kennengelernt und es gäbe mich nicht. So gesehen stimmt Dein Satz.

Wenn ich nun sage: "Ich bin der Erfolg Deines frühen Todes", dann würde ich ihren Schmerz verhöhnen, zumindest kommt es mir so vor.

Bin nun ein wenig ratlos....Wie erkenne ich hier an, was ist, wenn ich spüre, dass sie leidet? (Haltet mich jetzt bitte nicht für verrückt, oder zumindest wenn, dann nur ein bissi :clown: )

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Hallo Reinhard,

2. Nicht die MACHT zu entscheiden - sondern die FREIHEIT zu entscheiden.

Was ändert´s? Ob jemand aus eigener Freiheit heraus wählt? Dahinter verbirgt sich immer noch der Machtgedanke: Ich habe die Wahl, dies und jenes zu tun. Das ist ein Irrglaube.

Die Freiheit zu wählen heißt, sich über alles, was jemals dagewesen ist, zu stellen. Ich bin frei und kann selbst entscheiden, was für mich gut ist. Genau darum, weil der Wink des Schicksals nicht aufgenommen wird, entstehen so viele böse Taten und Geschichten. Sind es nicht gerade diejenigen, die so sehr ihre Freiheit der eigenen Willensentscheidung betonen, die so viel Unheil anrichten?

Liebe Grüße pluto
 
Doch wie verhält es sich, wenn der selbe Satz (nach meiner persönlichen Meinung) eine Verhöhnung dieses Schicksales wäre ? ...
Meine Großmutter starb in jungen Jahren mit dem Wissen, mehrere damals noch kleine Kinder zurücklassen zu müssen. Das dürfte sie heute noch quälen, die Angst und Sorge und Schuldgefühle. ... Wenn ich nun sage: "Ich bin der Erfolg Deines frühen Todes", dann würde ich ihren Schmerz verhöhnen, zumindest kommt es mir so vor. ... Wie erkenne ich hier an, was ist, wenn ich spüre, dass sie leidet ?
Liebe Reinfriede,

Die "lösenden Sätze" sind nicht übertragbar - man muss sie für jede einzelne Situation und Person neu finden. Es stimmt : Was in einem Fall passt, wäre im anderen der blanke Hohn.

Bei (unerlösten) Seelen von Verstorbenen ist oft das Problem, dass sie in ihrer Erfahrung und Grundstimmung "hängen bleiben", dass sie Veränderungen nicht mehr bemerken. (Deswegen bleiben zB. ihre Trauer und ihr Schmerz gleich.)

Zu Deiner Oma könnte passen : "Schau, es geht uns gut. Wir haben es geschafft. Du darfst gehen - Du brauchst uns nicht mehr zu begleiten." Evtl. auch : "Liebe Oma, so gut Du es auch meinst : Deine Trauer belastet uns und hilft uns nicht. Wenn Du ins Licht gehst, ist das auch für uns gut und hilfreich. Es ist das Beste, was Du für uns tun kannst. Wenn Du im Licht bist, erst dann kannst Du uns wirklich helfen - wenn Du das möchtest." (Es gibt Ahnen, die ihre Familien im Guten und liebevoll begleiten und wirklich hilfreich sind.)

Das sind natürlich nur alles Anregungen und Möglichkeiten. Was WIRKLICH passt - das spürt man an der Wirkung selbst am besten.

Liebe Grüße,

Reinhard
 
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