Freundschaft für die Ewigkeit Teil4

Ritter Omlett

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Wien
Nach ca. 2 Wochen kam er wieder zum Training. Sie entnahmen eine Gewebsprobe. Alter Junge, sagte er, soweit alles in Ordnung, sie entnehmen aber eine zweite Gewebsprobe, es war nicht eindeutig. Ich fragte ihm diesmal, willst du dir das antun, für was soll das gut sein. Ja, die werden schon wissen was sie tun, so trafen wir uns wieder regelmäßig zum Training, schmideten Pläne, was uns noch so alles gut tun könnte. Wo wir Ausflüge hinmachen könnten, oder wir uns alle wieder treffen könnten. Vorher die zweite Gewebsprobe, er rief mich an alter Junge, alles in Ordnung. Gut, so dachte ich mir, jetzt ist es okay, bis er mir dann sagte, sie müssen ein drittesmal nachsehen. Warum das schon wieder, ich sage zu ihm energischer und zum ersten mal in unserer Freundschaft, was machst du da für komische Untersuchungen, wo sie dir da herumschneiden und nichts wissen. Ich wurde innerlich recht agressiv, aber vielleicht tat er das Richtige, nur ich verstand diese eigenartigen Untersuchungen nicht. Dann das drittemal. Den nächsten Tag rief er an, Eingriff vorbei, nächste Woche treffen wir uns. So war es auch, er begrüsste mich, servus alter Junge und wir gingen wieder zu den Stangen, legten uns wie immer ein bisschen Gewicht auf. Er trillerte dabei ein Liedchen, na, sage ich so und habens jetzt endlich das Ergebnis, er sagte, ja, es ist Krebs. Lungenkrebs. Aber das machen die schon, ich muss halt operieren gehen, jetzt trainieren wir mal. Er hatte so ein Lachen, ein freundliches Lachen und pfiff weiter. Ich sagte, moment muss mal schnell wohin, ich ging dann aufs Klo und mir kamen voll Tränen raus, dann ging ich wieder um eigentlich ein Training zu machen, wo er kein Wort mehr verlor.
Wir gingen weiter ein bisschen trainieren, er sagte auch, er will da auch fit hingehen, zu seiner Operation und dann wird es schon wieder. Es wird schon wieder. Dieses es wird schon wieder gebrauchte er nun immer wieder die nächste Zeit. Ich beginn plötzlich wieder die Gewichte zu beschimpfen und stemmte 100 Kilo 1x. Junge, du bist noch beinander und ich sagte zu ihm, du auch noch und legte ihm 70 Kilo auf, weisst du was das ist, er sagte ein Gewicht, dass ich vor Jahren schaffte, aber heute nicht mehr. Ich sagte zu ihm, stell dir mal vor dass ist dein Scheisskrebs, kapierst du dass, dass ist dein Scheisskrebs, weisst du was du jetzt machst, du schreist alles raus und erledigst das Gewicht. Er bekam wieder den irren Blick, es war eine unheimliche Energie im Raum, das Gewicht zischte wie eine Rakete aus seinen Armen und er sah mich an, dass habe ich mir nicht erwartet. Er schaute wieder wie diese böse Bulldoge um dann sein Gesicht zu einem listigen Lächeln zu verwandeln. Wir sind unschlagar sagte ich ihm und er sprühte eigentlich von Gesundheit. An dieser Stelle würde ich gerne wissen, wie wäre das ausgegangen wäre er nie zu dieser Gesundenuntersuchung gegangen. Es kam die Operation und Chemotheraphie. Gleichzeit rief mich meine Schwester an und teilte mir ihren Befund mit. Sie weinte, ich habe Blutkrebs im Anfangsstadium. Es begann eine Zeit, mit vielen Gesprächen mit meiner Schwester, zu meinen Eltern konnte sie nicht gehen, sie sind depressiv, krankhaft und mein Vater bekommt das irgendwie nicht mit. Franz hingegen verwandelte sich in eine Oase der Ruhe und Ausgeglichenheit, die mich verblüffte. Er sagte, es beginnt der Genuß des Lebens und ich verstand es als er es plötzlich vorlebte, einen Tag nach dem anderen genießen und zwar nur den heutigen. Neben den Problemen meiner Schwester hatte ich eine Quelle der Kraft bei seinen Begegnungen. Er sagte Junge, heute scheint die Sonne und wir genießen diesen Tag. Ich lernte bewusst im heute zu leben. Ich lernte Danke zu sagen, wenn ich gesund erwache. Ich lernte zu schätzen was es heisst, die Gesundheit eine Runde joggen zu gehen. Er war die Quelle einer besonderen Kraft, die ich meiner Schwester weitergab, die ihre Behandlung daheim beginnen musst im Rahmen einer Studie mit schweren Medikamenten. Die Gespräche mit meiner Schwester gehörten mir alleine, plötzlich wandelte sie genauso wie mein Freund und begann verschiedene Aktivitäten zb einen Spaziergang ganz besondere Beachtung zu schenken. Heute machst du Dinge die für dich selbstverständlich sind. Du schläfst stehst auf, isst und drinkst und sagst niemals danke dafür, im Gegenteil du machst oder suchst dir irgendwelche Probleme. Franz genoß jeden Tag.
So kommen Redewendungen von ihm, die meine Persönlichkeit begann zu formen. Junge, genießen, genießen, genießen und nochmals genießen jeden Tag jede Stunde, ich brauche mir nichts mehr zu beweisen, ich lasse mich nicht mehr hetzen, eines mache ich nach dem anderem. Ich begann teilzuhaben an dieser Lebenseinstellung und genoß gleichfalls vieler solcher Tage ganz bewusst mit dem Aufstehen und der Ehrwürdigung in Besitze von Gesundheit sein. Irgendwie kam dass dann mit meiner Mutter dazu, die hatte einen Rheumaschub und konnte nicht mehr gehen, Vater war nicht imstande zu sorgen und so hatte ich einen Tag die Schwester eingehängt und am nächsten Tag die Mutter und als Ausgleichspool meinen Freund, der sich durch seine Erkrankung zu einer bemerkenswerten Lebensphilosophie entwickelte, wo ich dauernd Kraft schöpfte. Der lebte jeden Tag ein eigenes Leben voller Freude. Ich hatte ebenfalls dieses Gefühl, ich muss mir gar nichts mehr beweisen, sondern einfach leben. Es fiehlen von mir Unmengen von seelischen Balast ab. Ich hatte kein Interesse mehr an irgendwelchen Zeiten, Leistungen oder sonstwas, sondern hatte einfach ein irres Lebensgefühl, heute ist vielleicht der letzte Tag, das war nicht dahingesagt, sondern gelebt mit Leib und Seele aus der Sicht eines Krebskranken, der nicht weiss wo sein Krebs sich am nächsten Tag befindet.
Für mich ist Chemotheraphie etwas wo ich kein Vertrauen habe, okay es ist meine eigene Meinung, sie muss nicht stimmen. Franz zeigte mir seine Arme, sie sind spindeldürr geworden, Chemotheraphie zerfrisst Muskelgewebe, dass habe ich gesehen und da kann mir jeder erzählen was er will. Ja Junge, ich muss mich schon anstrengen eine Kiste Getränke wegzuheben, in meinen Armen ist keine Kraft mehr. Ich hatte am nächsten Tag ein Geschenk für ihm. Er betrachtete es sonderbar, es war ein Kalenderblatt mit einem rotumringelten Datum. Er meinte, was bedeutet es. Es bedeutet, Trainingsbeginn, ich hoffe dass hast du kapiert. Aber ich kann nicht mehr. Ich sagte probiere es. Erstes Training leere Stange nach 3 Wochen eine 40 Kilohantel hatte er 6x gedrückt. nach 2 weiteren Wochen 50 Kilo 3x. Einige Tage danach legte ich 60 Kilo zurecht für eine Übung für mich. Er wartete auf mich, ich fragte ihm was er hinter dem Gewicht macht, er sah mich an, was meinst du. Ich sagte ihm etwas, möchtest du mir einen Gefallen tun, fragte ich ihm, er sagte welchen? Drücke diese Sau jetzt rauf, sagte ich ihm. Er bekam den irren Blick, ich kann es aber nicht, verdammt, du quälst mich. Das Gewicht zog wie Soletti in die Höhe. Er bekam Muskeln. Dieses wiederholte sich nach einigen Chemotheraphien immer wieder, spindeldürre Arme, Training, Training, Muskelaufbau, Rückschlag Muskelaufbau. In der Zwischenzeit verbesserte sich der Zustand meiner Schwester so, dass ihre Blutwerte wieder normal waren und Mutter konnte wieder gehen, nur so zwischendurch hatte ich seltsame Fallträume, jedesmal fiehl ich zu Boden, konnte mich nicht mehr bewegen, ich messte diesen Träumen jedoch keine weitere Bedeutung zu, ich dachte mir, vielleicht zerren diese Geschichten mehr, als dass ich mir eingestehen wollte. Franz und ich genossen, genossen und genossen, nach jedem Training der Cafe im Gasometer. Wir hatten es richtig gemütlich. Er sagte immer, du weisst was ich brauche, wenn ich mir die anderen ansehe, die gar nichts mehr trainieren. Er blickte mich so schelmisch an, fühl mal den Bizeps, 6x Chemo vielleicht auch sieben, aber dein Arm ist stahlhart, so kamen wir schon ins Jahr 2007.............
 
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