Zitiert aus der aktuellen "Die Zeit"
Gute Mädel, böse Jungs
JOSEF JOFFE: So simpel ist es nicht, sagt die Forschung
Minderheiten und Opfergruppen bescheinigen sich selber gern, die besseren Menschen zu sein. Schwarze haben soul, Whitey ist kalt. Juden halten sich für witziger und gefühlvoller als die Mehrheit. Frauen seien sanftmütiger und umsichtiger als die aggressiven, machtgeilen Männer. Schön wär’s.
Vor zwei Wochen titelte das ZEITmagazin: »Frauen – schlechter als ihr Ruf«. Auf vier Seiten breitete die Autorin mit Geschichten und Zitaten aus, was für Biester Frauen sein können – grau- sam und gewaltbereit. Jetzt hat Peggy Drexler im Wall Street Journal die Datensätze dazu geliefert – und zwar just aus der Wirtschaft, wo Frauen sich anschicken, die Weltherrschaft zu ergreifen. Der Titel: »Die Tyrannei der Bienenkönigin«.
Frauen sind teamfähiger? Schon in den Siebzi- gern hatte eine Forschungsgruppe der Universität Michigan herausgefunden, dass Frauen, die es ge- schafft hatten, überhaupt nicht solidarisch mit ihren Schwestern waren, sondern deren Aufstieg torpediert hatten. Warum? Wer oben ist, teilt seine Macht nicht gern. Vierzig Jahre später, Emanzipation hin oder her, zeigt sich das gleiche
Josef Joffe
ist Herausgeber der ZEIT
Bild. Alphaweibchen atta- ckieren das Selbstbewusst- sein der jüngeren Rivalin- nen oder schmähen ihre Kompetenz.
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2007 meldete, dass sich knapp die Hälfte der 1000 Befragten über Karriere-Sabotage von oben beklagt habe. Die Überra- schung: 40 Prozent der Fieslinge waren Frauen.
Eine andere Studie (2010) resümiert, dass Frauen mit überwältigender Mehrheit (80 Prozent) auf andere Frauen losgingen, derweil Männer »fair« seien, also die Geschlechter gleichermaßen quäl- ten. Unglaubliche 95 Prozent weiblicher An- gestellten gaben 2011 zu Protokoll, dass Frauen sie im Laufe ihrer Karriere behindert hätten. Grundsätzlich seien Männer die gerechteren Vor- gesetzten (Universität Toronto, 2008).
Die Autorin erklärt das Bienenkönigin- Syndrom so: Frauen kennen die Verwundbarkei- ten ihrer Kolleginnen besser als die Männer und nutzen Taktiken, die diese gar nicht checken. Ein Mann, der Aussehen oder Kleidung einer Frau herabwürdigt, kriegt ein Sexismus-Verfahren an den Hals; Frauen kommen damit durch. Fazit: Frauen nutzen eine »eigene Art negativer Füh- rung«; sie »sind nicht offen konfrontativ wie Män- ner, aber es bleibt trotzdem Niedermache und Mobbing«.
Daran darf man allerlei kapitalismus- oder patriarchatskritische Spekulationen knüpfen, die Frauen salvieren. Schließlich arbeiten sie in einer Männerdomäne und müssen sich deren Sitten und Gebräuchen unterwerfen. Oder sie sagen sich: »Ich habe es selber geschafft, warum soll ich es den neuen Quotenmädchen einfacher ma- chen?« Aber wieso sollten Frauen »sanfter« und »netter« sein, wenn es um hohe Einsätze geht – Aufstieg, Status und Einkommen?
Man darf unterstellen, dass Chefinnen nicht aufgrund »typisch weiblicher« Tugenden die Spitze erklommen, sondern wie die Männer die Konkurrenz mit spitzen Ellenbogen verdrängt haben. Rang und Ruhm sind grundsätzlich knap- pe Güter; was Claudia kriegt, kann weder Sven noch Laura kriegen. Wettbewerb und Macht- streben hängen nicht vom Geschlecht ab. Oder, wie Elisabeth Raether im ZEITmagazin notiert: Es macht die Sache nicht leichter, »von jeman- dem gefeuert zu werden, der die Kündigung in sanftem Ton ausspricht«.
Foto: Vera Tammen für DIE ZEIT