Familienaufstellung

liebe chrisi!
Wer einen Kontext und Regeln braucht um sich sicher zu fühlen, der wird sich diesen Regeln dann eben auch beugen müssen
unsere welt ist durchzogen von ordnung, auch dort, wo wir meinen, ein chaos zu erblicken. ein wenig von dieser ordnung können wir erkennen und sichtbar machen. du hast natürlich recht: wo immer eine solche ordnung im gleichgewicht zu sein scheint, handelt es sich um ein fließgleichgewicht und nicht um versteinerung - auch versteinerung wäre ein aufbegehren gegen die ordnung. und wo der fortschritt im durchbrechen von regeln und im um-ordnen einer aus den fugen geratenen ordnung liegt, möchte ich wissen, wo und in welcher weise ich aus dem kontext heraustrete. hätte ich diese orientierung an der ordnung dann, wenn ich sie verlasse, nicht, wäre das in meinen augen therapeutisches roulette. das deckt sich nicht mit dem, was ich für verantworteten umgang mit menschen halte.

ich hab schon auch selber bemerkt, dass hellinger entwicklungen durchmacht. zum beispiel die faszinierende arbeit mit den "bewegungen der seele", die weitestgehend auf verbale be-deutungen verzichtet. was ich bei ihm nicht bemerkt habe ist, dass er auf das wissende feld verzichtete. auch jene, die seine arbeit beträchtlich weiterentwickelt haben (z.b. matthias varga von kibed und insa sparrer) betonen die wichtige rolle des feldes - und alle drei sprechen sich deutlichst gegen ein vorgehen aus, in dem die aufstellung nur die inszenierung einer schon vorher in der vision des aufstellers vorhandenen szenerie ist. DAFÜR brauch ich wirklich kein feld, das kann ich mit mensch-ärgere-dich-nicht-figuren machen. matthias varga bringt es auf den punkt: "wenn dir in einer aufstellung eine hypothese kommt, dann nimm ein aspirin und lass jemand anderen weitermachen". hellinger spricht von der "leeren mitte", in die er sich hineinbegibt, um jeder aufstellung die chance zu geben, das sichtbar werden zu lassen, was aus dem system ins licht drängt und nicht aus der summe meiner vorurteile.

ich bin weit davon entfernt, aufstellungsarbeit als das allein selig machende mittel zu preisen. ich arbeite selbst auch mit etlichen anderen verfahren, und fast alle haben mit einzelarbeit zu tun. es bestimmt sich vom anliegen meines gegenüber, wie ich vorgehe. und ich bemühe mich sehr, mich an den grundsatz zu halten, wonach die alleinige lösungskompetenz beim klienten liegt. der begleiter hat ausschließlich die fragekompetenz. meine inneren bilder, worum es da gehen könnte, sind völlig uninteressant. ich habe dem klienten den zugang zu seinem inneren heiler freizuschaufeln, das ist alles.

ich bemühe mich auch deshalb sehr um die würde und die eigene kraft des klienten, seine lösungsschritte zu finden, weil ich die versuchung kenne, dem helfersyndrom zu erliegen. die arroganz des selbsternannten heilers, der vorgibt, den weg zu kennen und das richtige zu wissen, der seine eigene vision zum maßstab für den klienten macht, schreckt mich. ich sehe mich als begleiter, nicht als leiter. auch darum gehe ich mit kontext und regeln bewährter verfahren respektvoll um - und bin immer bereit, dazuzulernen, keine frage. gelernt habe ich jedenfalls immer dort, wo sich menschen die mühe gegeben haben, etwas von ihnen erkanntes in eine vermittelbare, systematische, methodische form zu bringen. ich weiß sehr genau, dass diese methodische form gleichzeitig ein korsett darstellt, das immer wieder gesprengt werden muss. das eine - die methode - ist die landkarte. das andere - das leben - ist die landschaft. es geht nur darum, die landkarte nicht mit der landschaft zu verwechseln.

alles liebe, jake
 
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Hallo jake,
hallo ihr anderen,

"wenn dir in einer aufstellung eine hypothese kommt, dann nimm ein aspirin und lass jemand anderen weitermachen".

seehr köstlich! *schlapplach* Das trifft den Nagel auf den Kopf!

Wiewohl - ich finde es ist schon o.k. bei der Begleitung von Auifstellungen beides zu nutzen: die (hoffentlich gut geschulte und exakte) Aussenwahrnehmung für die manchmal subtilen Aktionen und Reaktionen der Stellvertreter UND die Wahrnehmung der Bilder, die aus der Tiefe im Begleiter aufsteigen.

Diese wieder zu unterscheiden von den genannten Hypothesen ist die Hauptherausforderung für den Begleizter, denke ich. Wenn ich aber damit beschäftigt bin, diese beiden unterschiedlichen Innen-Wahrnehmungen ausdzubelnden und zu verdrängen; wo komme ich dann hin als Leiter einer Aufstellung? Wo ist dann meine Wahrnehmung? Ich meine: anerkennen, was ist, gilt auch hier als Königsweg.

Bezüglich deiner Differenzierung von Leiter und Beg-Leiter möchte ich noch sagen: beides ist m.E. wichtig. Ich muss begleiten und mich von dem, was sich zeigt, führen lassen können und ich muss gelegentlich auch klar leiten, damit sich die Teilnehmer sicher fühlen können. Teilnehmer bei einem Begleiter, der Angst hat, nehmen nicht mehr sauber wahr und es zeigt sich nur, was sie meinen, ihm zumuten zu können.

Der Aufstellende kann meistens mehr ab, als der Begleiter, so habe ich bisher gefunden.

Herzliche Grüße
Christoph
 
hi christoph!

na klar... und matthias varga meinte da ja wohl auch hypothese im sinn von vor-urteil oder diagnose. wir könnten ja eh lange darüber filosofieren (schreibt man das jetzt so???), in welcher weise wahrnehmung überhaupt nur in dem kontext möglich ist, den unsere inneren bilder abgeben - bei goethe ist das "wär nicht das auge sonnenhaft, die sonne könnt es nie erblicken", in der astrologie ist es das 7. haus als potenzial der möglichen begegnungen, und die neueren beiträge zu dem thema in konstruktivismus, NLP etc. sind ja überhaupt legion.

ein weites spannungsfeld, in dem sich mir auch das "anerkennen was ist" differenziert zeigt. ich neige derzeit dazu, dieses "was ist" als ein produkt von kommunikation zu betrachten, wobei kommunikation nicht erst des zwischenmenschlichen austausches bedarf, sondern schon mit dem hinschauen beginnt - meine kommunikation mit dem betrachteten phänomen. ich tu mir schwer, mit den extrem-konstruktivisten etwas seiendes überhaupt abzulehnen und alles als ausschließlich meine konstruktion zu sehen. aber was die phänomene für mich sind, ist meins, aus meiner betrachtenden kommunikation mit den phänomenen geboren - nicht unabhängig von den phänomenen und nicht unabhängig von mir.

ausbildung, erfahrung, reflektion verfeinern diese wahrnehmende - oder soll ich sagen: anerkennende - kommunikation, machen vielleicht, wenn ich wach bin, das, "was ist", reichhaltiger, gehaltvoller an information, dynamik, systemischer einbettung. da wandelt sich dann das bild vom nur mit-seienden begleiter zu einem, der das hinschauen anleiten kann, der eine ordnung zu stellen vermag und die angemessenen worte findet. wenn ich nicht gerade schlampig formuliere, schreib ich es eh am liebsten als (beg)leiter, um diese doppelbödigkeit zum ausdruck zu bringen.

als fisch mag ich das chaos, und mit meinem steinbock-aszendenten die ordnung... that's life :)

alles liebe, jake
 
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Hm. Hallo jake,

Das liest sich auf die Schnelle komplex und trifft einige meiner Gedanken und Wahrnehmungen. Aber ich möchte lieber bei passenderer Gelegeheit darauf eingehen. Bin heut noch etwas im Stress, weil ich ein Training konzipieren muss, das morgen rausgeht. Wird ne lange Nacht, fürchte ich.

So, Fisch bist? Na da sind wir im gleichen Club (wenn ich auch AC Zwillinge bin - aber des ist noch a andere Sach').

Viele Grüße
Christoph
 
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