deine polemik soll wahrscheinlich provozieren, ist hier in diesem falle aber gänzlich unangebracht.
hier willst du etwas vergleichen, was nicht geht - den völkermord begangen von menschenfeindlichen diktaturen mit einer überprüfung der behandlung bzw. des strafrechts in bezug auf die handhabung von triebtätern.
ich denke, das leuchtet ein.
Die scheinbare Vernünftigkeit dieses Argument täuscht nicht über die darunterliegende Irrationalität hinweg, welche dein Vorschlag beinhaltet. "Im Zweifel gegen den Angeklagten" widerspricht unserer über Jahrhunderte gewachsenen, bewährten Rechtsauffassung diametral und öffnet Tor und Tür für jene Art Hexenjagd, wie sie im Mittelalter tatsächlich stattfanden. (Anmerkung: Dort waren die Inquisitoren übrigens von der Ansicht überzeugt, Folter sei keinesfalls eine Strafmassnahme, sondern ein angebrachtes Mittel um für die Echtheit des Geständnisses zu garantieren. So wurde also Folter nicht als Strafe gesehen, sondern sie wurde a priori (!) angewandt, um ein die Wahrheit herauszufinden. Man erkennt hier, wie sehr sich über die Zeit doch die Ansichten geändert haben.)
In Wahrheit kleidest du, wie alle anderen hier auch, die ähnliche Positionen vertreten, deine Rachegelüste, deine Angst, deine unkontrollierbaren Emotionen lediglich in irgendeine Art von Argument, und gibst ihm so den Anschein von Vernünftigkeit. Was du hier so sachlich darstellst, ist nichts als ein Überbau über eine ganze Schicht von kaum kontrollierten, als höchst bedrohlich empfundenen Gefühlen.
Das ist die Basis, auf welcher derartige "Diskussionen" geführt werden.
Und es ist die Basis, nach welcher - den Forderungen gemäss - jene "Triebtäter" verwahrt werden sollen.
Trieb - ja, das macht Angst. Es heisst "ausser Kontrolle", "nicht einschätzbar", "nicht berechenbar". Die Urangst des vernunftbegabten Menschen vor dem Chaos des Seins, vor dem Überwältigtwerden und der daraus entstehenden Hilflosigkeit. Ein Triebtäter muss darum weggesperrt werden, weil er die scheinbare Kontrolle über das Leben gefährdet. Weil er den Glauben bedroht, alles im Griff zu haben. Einen Triebtäter hat eine Gesellschaft nicht im Griff, also sperren wir ihn weg. Um die Opfer geht es hier nicht, das Opfer bin immer ZUERST ich, und dann allenfalls noch irgendwelche anonymen anderen. (By the way: Wer von euch hat Mitja persönlich gekannt und eine persönliche Beziehung zu dem Kind aufbauen können? Na? Wieso kümmert eine Person plötzlich, wo sie in den Medien auftaucht, während sie vorher komplett unbekannt, ja sogar in keinster Weise ein Teil des eigenen Lebens, war?)
Es wäre rührend mitanzusehen, wie ängstlich die Leute dem Leben gegenüberstehen, und wie vernünftig sie dann tun (plötzlich darf man nicht mehr polemisch oder sarkastisch sein, oioioi, was für eine pöse Weltsicht, der moralische Zeigefinger, mit dem man auf die Sarkasten und Polemiker zeigt, ist allzeit bereit!) - wäre die Sache auf der anderen Seite nicht so ernst. Eine Gesellschaft, die es sich erlaubt, "im Zweifel gegen den Angeklagten" zu sprechen, tut den ersten Schritt in Richtung Hexenjagd. Sie lässt es zu, dass die Irrationalität der Angst vieler Einzelner über die Rationalität des Versuches, in einer Gemeinschaft ein Zusammenleben sinnvoll anzustreben, gestellt wird. "Im Zweifel gegen den Angeklagten" macht exakt das, was verzweifelt verhindert werden soll: Es stellt die eigenen Triebe an erste Stelle, notfalls auch über das Lebensrecht eines Angeklagten, selbst wenn dieser ein Mörder, Vergewaltiger und überhaupt ein böser Mensch ist.
Nicht therapierbare Triebtäter sind kein Gegenstand der Rechtsverwahrung, sondern gehören in die Pschyiatrie. Das ist aber ein fundamentaler Unterschied: Entweder sind diese Menschen zurechnungsfähig, dann können sie keine Triebtäter sein, da sie nicht aus einem Trieb heraus handeln, sondern aus freier Entscheidung. Dann sind sie nämlich normale Straftäter und können als solche behandelt werden.
Oder sie sind nicht zurechnungsfähig, also Triebtäter, dann sind sie nicht wirklich Straftäter, sondern unterliegen selbst ihrem Trieb, der über sie die Kontrolle hat. In diesem Falle ist es geradezu unlogisch, sie zu bestrafen, da sie ja gar keine Schuld haben, sondern sie müssten behandelt werden wie Unmündige und allenfalls in einer geschlossenen Psychiatrie landen.
Die mangelnde Unterscheidungsfähigkeit jener, die nach drakonischen Strafen rufen, die sie jedoch gar nicht begründen können, spricht für sich. Es wäre gefährlich auf Menschen zu hören, die einfach aus dem Bauch heraus eine Lynchjustiz fordern, ohne nachzudenken (und wenn sie nachdenken, dann kommen sie offensichtlich auf komplett widersinnige Schlussfolgerungen), ganz einfach, weil sie selbst sich bedroht fühlen.