Fabel von großen und kleinen Hunden

Jan1176

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Ein Rehpinscher fragte einmal einen Dobermann: "Wie kommt es eigentlich, dass wir uns ähnlich sehen, aber du so viel größer bist?"

Der Dobermann, der sich für einen sehr gebildeten Hund hielt, antwortete in einem belehrenden und leicht überheblichen Tonfall: "Nun mein Kleiner, dazu erzähle ich dir am besten eine Geschichte. Pass gut auf, denn wenn ich fertig bin, werde ich dir ein paar Fragen stellen, um zu sehen, ob auch alles in deinem kleinen Kopf angekommen ist!"

Er holte kurz Luft und begann zu erzählen: "Als der große Himmelswolf die Hunde erschaffen hatte, die kleinen Chihuahuas und die großen Doggen, die schnellen schlanken Windhunde und die massigen Berner Sennenhunde, die Huskys mit ihrem dichten Fell und die nackten, äh, Nackthunde, die netten Golden Retriever und die kräftigen Rottweiler und noch viele viele mehr, blickte er auf seine Schöpfung und stellte fest, dass noch irgendetwas fehlte.

Er überlegte lange, dann wurde ihm klar, was da fehlte: Ein hoch intelligenter Hund mit edlem Charakter, der stark, kräftig und mutig aber gleichzeitig schnell und zu dem noch schön war, der seinen Menschen gegenüber loyal und freundlich war, sie aber auch tapfer vor ihren Feinden beschützen konnte. Kurz und gut: Ein Hund, der zu seinen Menschen ein guter Freund war aber dennoch deren Feinden den Kopf abbeißen konnte, und bei all dem noch eine gute Figur machte!

Der Himmelswolf begann, in mühevoller Arbeit einige Prototypen zu entwerfen. Das war jedoch eine anstrengende Arbeit, und er war noch nicht einmal halb fertig, als er beschloss, eine Pause einzulegen, und sich zum schlafen zusammenrollte. Die Prototypen hatten zu diesem Zeitpunkt zwar bereits ihre ungefähre Form und Farbe, doch sie waren noch viel zu klein, sie konnten niemanden beschützen und statt eines Kopfes nicht einmal einen Finger abbeißen, und mit Charakter und Intelligenz war es auch noch nicht weit her. Doch einige von ihnen waren ungehorsam, sie erwachten und verbreiteten sich.

Als der Himmelswolf aufwachte und sah, was passiert war, während er schlief, überlegte er zunächst, die ungehorsamen Prototypen zu vernichten. doch weil er ein großzügiges Wesen ist, ließ er sie am leben und nannte sie "Rehpinscher". Warum weiß ich nicht, aber vermutlich, weil sie ihn in ihrer Wertlosigkeit an irgendwelche im Wald lebenden Grünzeugfresser erinnerten.

Er arbeitete sie mit den verbliebenen Prototypen weiter, formte sie und blies sie vor allem mit seinem göttlichen Atem auf, damit sie größer und stärker wurden und auch das Gehirn mehr Platz erhielt, um sich auszudehnen und intelligenter zu werden. Doch auch dieses mal wurde er noch nicht ganz fertig, als er sich wieder müde fühlte und schlafen ging.

In der Nacht erwachten wiederum einige Prototypen. Auch diese wurden vom Himmelswolf trotz ihres Ungehorsams nicht zerstört, sondern "Deutsche Pinscher" genannt, bevor er mit den übrig gebliebenen Prototypen sein Werk volländete. Erneut blies er sie mit seinem göttlichen Atem auf und formte sie, bis er schließlich mit seinem Werk voll und ganz zufrieden war. Die bis zum Schluss gehorsamen Prototypen erweckte er nun selbst zum Leben und nannte sie "Dobermänner".

Und so entstand die vermutlich beste Hunderasse überhaupt, jene bewundernswerten Hunde, von denen du jetzt einen vor dir siehst."

Der Doberman beendete die Geschichte mit einem überheblichen Lächeln, dann fragte er den Rehpinscher mit einem leicht fiesen Tonfall: "Na, Winzling, hast du verstanden, warum wir uns so ähnlich sind?"

Der Rehpinscher antwortete: "Ja, weil wir beide Pinscher sind."

Böse grinsend meinte der Dobermann: "Hm, du bist anscheinend doch gar nicht ganz so blöd, wie du klein bist. Aber hast du auch begriffen, was der Unterschied zwischen uns beiden ist?"

Der Rehpinscher überlegte einen kurzen Augenblick, dann erwiderte er: "Ja, du bist aufgeblasen, sogar doppelt!"

Mit diesen Worten sprang er dem Dobermann zwischen den Beinen hindurch und lief weg. Dieser wiederum war so verdutzt, dass er sich fast zwischen den eigenen Beinen verhedderte, bevor er die Verfolgung aufnehmen konnte.

Doch der Rehpinscher hatte sich aber bereits durch einen nahegelegenen Zaun gezwängt, zwischen deren Latten der Dobermann stecken blieb. Zum Überspringen war der Zaun zu hoch, und so blieb ihm nur, dem kleinen rehpinscher Verwünschungen hinterherzubellen, bis dieser außer Sichtweite kam.

Und die Moral von der Geschicht? Manchmal ist der Unterschied zwischen den Großen und den Kleinen gar nicht so groß, auch wenn die Großen oft zu aufgeblasen sind, um das zu bemerken.
 
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