... Ein Zeuge der damaligen Zeit, Faustus, aus der christlichen Gruppierung der Manichäer, schrieb,
Alle wissen, dass die Evangelien weder von Jesus Christus, noch von seinen Apostel geschrieben wurden, sondern lange Zeit danach, von unbekannten Personen, welche, wohl wissend sie würden nicht geglaubt, wenn sie Dinge erzählten, welche sie selbst nicht gesehen haben, betitelten ihre Geschichten mit Namen der Apostel, oder dessen Schüler."
Hallo Anadi,
das wird doch heute selbst vom ernsthaften Klerus nicht bestritten, aber damit werden die Inhalte der Evangelien nicht schlechter. Wenn es dir schon an der Wahrheit liegt, dann hättest Du auch schreiben sollen, warum dies ein Manichäer geschrieben hatte. Es wäre so, als würde ein überzeugter Christ etwas zum Koran sagen. Dem besagten Manichäer ging es doch genau darum, diese Lehre zu Gunsten seiner eigenen in Frage zu stellen. Zudem verbreitete sich die Lehre der Manichäer erst im 4. Jahrhundert im Römischen Imperium.
Wie also wollte ein Glaubensfremder etwas aus dieser zeitlichen Distanz beurteilen können, was ein Apostel oder ein anderer Zeitzeuge gesagt haben könnte oder nicht. Um etwas über Ereignisse aus der Vergangenheit schreiben zu können, muss ich auch nicht unbedingt ein mittelbarer Zeuge des Geschehens gewesen sein. Du klammerst dich bei der Verfassung der Evangelien an die Kanonisierung der Bibel, aber da waren die Evangelien schon längst im Umlauf. Den Beweis dazu liefert das Papyrus 52, aber solche Dinge übersiehst Du gerne aus Beliebigkeit.
Es ist doch absolut unrealistisch, dass Kaiser Constantin in einer Nacht- und Nebelaktion das Neue Testament hatte schreiben lassen, um damit seines Imperiums wegen eine neue Religion aus der Taufe zu heben. Ich erinnere auch daran, dass es selbst heute keine zentrale Institution der Christenheit gibt und damals noch viel weniger. Die Institution der römisch-katholischen Kirche war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geboren.
Eine Religion wird auch nicht der Historie wegen authentisch, sondern der Lehre wegen. Es gibt eine Reihe guter Religionen, die sich auf einer reinen Mythologie aufbauen und dennoch in ihrer Lehre ehrlich und aufrichtig sind. So ist das auch bei Jesus, da ist es auch nicht so wichtig, ob er tatsächliche gelebt hatte oder nicht, entscheiden ist die Botschaft der Nächstenliebe und der Hoffnung, die mit ihm auf besondere Weise verbunden ist.
Die Lügen zu dieser Lehre sind nicht in den Evangelien entstanden, sondern erst sehr viel später durch jene, denen mehr die eigenen Privilegien wichtig waren und weniger die Botschaft selbst (z. B. Kaiser Constantin). In den Evangelien steht nichts über einen Klerus oder einem Papst und auch nichts von einer Institution der Kirche. Jesus reichte es dort schon, wenn jemand ihm folgen wollte.
Zur Lüge wird das erst, wenn ich erst, wenn ich von seinen Botschaften nur rede und dann mit meinem Tun etwas ganz anderes lebe. Ich kann nicht von der Nächsten- oder gar Feindesliebe reden und gleichzeitig zu einem Kreuzzug zu diesen aufbrechen. In den Evangelien steht auch etwas vom Teilen mit den Armen und Schwachen, was kann daran so schlecht sein dass man ihm nicht folgen könnte? Nein, man könnte aus dem Leben dieses Jesus schon etwas lernen, selbst wenn es ihn nie gegeben haben sollte.
Für seine Existenz sprechen jedoch die Widersprüche in den Evangelien, denn wenn er eine rein literarische Person gewesen wäre, hätte ein Autor diese Passagen einfach weggelassen oder ganz anders gestaltet. Beispiele dafür sind die Taufe Jesus und der Beginn seines Wirkens oder auch die Rolle der Jünger und Maria Magdalena in seinen letzten Stunden. Wenn man die zeitliche Reihenfolge der Evangelien in diese Betrachtung mit einbezieht, werden diese Widersprüche noch deutlicher erkennbar. Solche Korrekturen schaden also den Evangelien nicht, sondern machen sie im Gegenteil verständlicher.
Merlin