Hallo Ihr Lieben,
Hat etwas länger gedauert, tut mir Leid. Ich habe versucht, den Text einzuscannen, das wird aber so winzig, dass das sicher niemand lesen kann.
An sich ist das eine CD mit einer geführten Meditation von Jon Kabat-Zinn & Ulrike Kesper-Grossmann. "Die heilende Kraft der Achtsamkeit" heißt sie. Sehr schön gesprochen, mit Musik unterlegt. Ein Büchlein mit dem Text ist dabei. Diesen schreibe ich jetzt für Euch ab:
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Wann immer Sie bereit sind, stellen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge den schönsten Berg vor, den Sie kennen, von dem Sie gehört haben oder den Sie sich vorstellen können. Verweilen Sie bei diesem Bild und in dem Gefühl, das es in Ihnen hervorruft. Werden Sie sich seiner massiven Form bewusst, des aufragenden Gipfels, des tief in der Erdkruste verwachsenen Fußes, seiner Steilhänge oder sanft abfallenden Bergflanken. Fest, unbeweglich, majestätisch, ob aus der Nähe oder aus der Ferne betrachtet, verkörpert er gleichzeitig eine erhabene, von seiner einzigartigen Form herrührende Schönheit wie auch universelle Eigenschaften, die seine individuelle Form transzendieren.
Ihr Berg hat vielleicht einen schneebedeckten Gipfel und in den tiefer gelegenen Regionen baumbestandene Hänge. Vielleicht hat er einen einzigen, beeindruckenden Gipfel, eine Gipfelgruppe oder ein Hochplateau. Was immer sein Erscheinungsbild auch sein mag - verweilen Sie, sitzen und atmen Sie mit diesem Bild vor Ihrem geistigen Auge, jetzt, in diesem Augenblick. Betrachten Sie ihn, nehmen Sie seine Eigenschaften in sich auf - nicht so sehr, indem Sie darüber nachdenken, sondern indem Sie sie in Ihrem Innern direkt wahrnehmen.
Während Sie hier sitzen und mit dem Berg atmen, erlauben Sie Ihrem Körper so ausladend zu werden wie der vorgestellte Körper Ihres Berges, bis Sie mit ihm verschmelzen und eins werden. Ihr Kopf wird zum hoch aufragenden Gipfel, Schultern und Arme zu den Flanken, Gesäß und Beine zur soliden Basis, die - falls Sie auf dem Boden sitzen - auf Ihrem Sitzkissen ruht, oder auf einem Stuhl. Spüren Sie in der Wirbelsäule, die als Achse aus ihrem Becken emporstrebt, das Gefühl, emporgehoben zu werden bis hinauf zum Gipfelpunkt Ihres Scheitels. In diesem Augenblick sind Sie nichts anderes als ein atmender Berg, der unbeweglich, unerschütterlich in der Stille von Körper und Geist verweilt. Sie sind vollkommen Sie selbst - jenseits aller Worte, Gedanken und Vorstelungen, eine gebündelte, massive, geerdete, unerschütterliche Präsenz. Verweilen Sie in dieser neuen Form, solange Sie möchten; Sie befinden sich ohnehin bereits jenseits aller Zeit, in der zeitlosen Gegenwart, die "Jetzt" genannt wird.
Tagein, tagaus verharrt der Berg in unerschütterlicher Ruhe, während die Sonne über den Himme wandert, Licht, Schatten, Farben und Wetter sich ständig verändern. Selbst ein ungeübtes Auge kann von Stunde zu Stunde dramatische Veränderungen wahrnehmen. Das Licht verändert sich, Tag und Nacht folgen aufeinander - der Berg verweilt einfach nur, ist einfach nur er selbst. Während die Jahreszeiten ineinander übergehen und das Wetter von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick wechselt, bleibt der Berg immer der Gleiche. Das Wesen des Berges hält allen Veränderungen stand.
Im Sommer ist der Berg schneefrei - mit Ausnahme des Gipfels vielleicht oder der vor direkter Sonneneinstrahlung geschützten Spalten. Im Herbst steht er in einem Flammenmeer brillanter Farben; im Winter liegt er unter einer Decke aus Schnee und Eis. Manchmal hüllt er sich in Wolken oder Nebel oder verschwindet hinter einer Wand aus Eisregen. Enttäuschte Touristen, die sich an seinem Anblick erfreuen wollten, berühren ihn nicht. Ob jemand ihn sieht oder nicht, ob in Sonne oder Wolken, Hitze oder Kälte - reglos, unberührt verweilt er, immer der Gleiche, immer er selbst.
Manchmal umtoben ihn gewaltige Stürme, Schnee, Regen, Winde von unvorstellbarer Stärke - der Berg übersteht sie alle, in unerschütterlicher Ruhe verweilend. Wieder wird es Frühling, zwitschern die Vögel in den Bäumen, sprießt frisches zartes Grün, blühen die Blumen auf den Bergwiesen, lässt das Schmelzwasser die Bergbäche anschwellen. Von alledem unberührt verharrt der Berg, unberührt von oberflächlichen Geschehnissen, unberührt von der Welt der Erscheinungen.
Mit einem solchen Gefühl und dem Bild des Berges vor unserem geistigen Auge können wir in allen Dingen, die sich in unserem Leben ständig verändern, die gleiche unbeirrbare Ruhe verkörpern, in gleicher Weise verwurzelt sein. Sowohl in unserem Leben wie auch in der Meditation erfahren wir ununterbrochen die veränderliche Natur unseres Geistes, unseres Körpers, der äußeren Welt. Wir erfahren Helligkeit, Dunkelheit, Zeiten voll intensiver Farben und Zeiten ausgesprochener Dumpfheit. In der äußeren wie auch in der inneren Welt, in unserem Geist, erleben wir Stürme unterschiedlicher Intensität und Gewalt. Starke Winde beuteln uns, Kälte und Regen suchen uns heim. Wir haben dunkle und schmerzvolle Zeiten auszuhalten, erfahren aber auch Augenblicke intensiver Freude, erhabene Augenblicke. Sogar unsere eigene äußere Erscheinung wechselt ständig, genau wie die des Berges, die den ständigen Wetterveränderungen unterliegt und ihre ureigene Verwitterung erfährt.
Wir können uns mit der Kraft und Festigkeit des Berges verbinden und sie uns aneignen, indem wir in der Meditation zum Berg werden. Wir können seine Energie dazu benützen, um unserem Bemühen, jedem Augenblick achtsam, ausgeglichen und klar zu begegnen, kraft zu verleihen. Dabei mag die Überlegung nützlich sein, dass es sich mit unseren Sorgen, Gefühlen, Gefühlsstürmen und Krisen, mit allem, was uns zustößt, nicht anders verhält als mit dem ständig sich verändernden Wetter am Berg. Wir nigen dazu, alles immer persönlich zu nehmen, dabei ist das kennzeichnende Merkmal all dieser Ereignisse ihre Unpersönlichkeit!
Das Wetter in unserem Leben darf weder ignoriert noch verleugnet werden. Wenn wir nicht in ihm umkommen wollen, müssen wir uns ihm stellen, es respektieren, spüren, müssen es bewusst als das erkennen, was es ist. Dann ermöglichen wir uns inmitten aller Stürme die Erfahrung einer inneren Ruhe, Stille und Weisheit, die tiefer sind, als wir je für möglich gehalten hätten. Das - und noch viel mehr - sind Berg in der Lage, uns zu vermitteln, wenn wir zuhören können.
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Puuuh, das ist ja urlang! Trotzdem hoffe ich, dass es Euch irgendwie interessiert und vielleicht ein bisschen hilft!
Alles Liebe,
uriella2