Esoeriks tragischer tod in einer stichwortartigen Schilderung mit versöhnlichem Ende

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Daniela

Guest
Erfolgreich studierter Erik. Strebend seinem Ziel entgegen. „Manager“, sagt sein Wille. Überraschend plötzlich dringend in sein Leben dringend: die zu Hauf auftretenden esoterischen Mittel zur Findung der Wahrheit, beziehungsweise die zu Hauf auftretenden esoterischen Mittel zur Findung der Wahrheit, daß es keine Wahrheit gibt, beziehungsweise die zu Hauf auftretenden esoterischen Mittel zur Findung der Wahrheit, daß es keine Wahrheiten gibt, aber an irgendetwas muß man ja glauben.
Aber nicht an Geld! Immer nur Umsatz, Angebot und Nachfrage, Marktanalysen und Verhandlungsgeschick. Sehr zum Elternschreck ist es Erik leid. Jetzt will er mehr Licht, seine Mitte, ein geschultes „alles hängt zusammen“ Weltbild, kosmische Einheit, Begegnungen mit höheren Wesen, reine Energien anzapfen, mit einem Wort: Dauerglück!
Schwieriges Vorhaben. Ohne Hilfe nicht zu erreichen. Weil Welt furchtbar materialistisch, auch wenig kostengünstig: Bücher, Compakte Disketten, Computerprogramme, unterstützende Duftöle, Edelsteine und Therapiestunden.
Proportionale Steigerung von Eriks Materialablehnung mit dem „Soll“ auf seinen Kontoauszügen. Trotzdem ungebrochener Erleuchtungswille. Rein äußerlich erkennbar in Schüttel-Lach-Schrei-Stillsitz-Rassel-Meditationen, regelmäßigen bioenergetischen Körperhaltungen, hechelnden Atemübungen.
Resultat: ein globaler Erik! Nicht nur eigenes Heil. Auch nicht alle heilen, weil: geht nicht! Aber: viele, viele heilen!
Ohne Ausbildung wäre es Scharlatanerie. Schon Eriks Mutter hat gewußt: „Wenn er was macht, dann ordentlich.“: drei Wochenende „Aura- Soma“, zwei Wochenende indische Heilverfahren, drei Wochenende Chi Gong, leider Überschneidung eines der Wochenende mit einem der sechs Hakomi Wochenende, vier Wochenende Yoga Meditationen, zwei Wochenende Feng Shui.
Restliche Ausbildung ist Erfahrung. Also: EsoErik heilt Unglückliche!
Bachblütengedämpfte Nervosität vor Besuch seines ersten Patienten. Notwendiger Friedensschluß mit seinem über-flüssigem Stuhlgang: „Meine Verdauung darf verstärkt arbeiten. Darmkontraktionen sind auch in erhöhter Anzahl gut. Ich gehe gern alle 5 Minuten aufs Klo.“
Unglücklicherweise eine sich diesem Optimismus nicht anschließende Klospülung. Abortverstopfung mit gleichzeitig verklemmtem Wasserzufuhrmechanismus. Alles fließt. In unangenehmen Mischungsverhältnis befindliches Wasser verläßt rauschend Klomuschel.
Ein leicht verstörter EsoErik arbeitet eilends mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln: die Aura der Klospülung mit rotem Pomander einreiben. Ein Fläschchen Notfalltropfen in die Spülung. Tief durchatmen. Die Angst nicht verdrängen, in sie hineingehen. Alles fließt. „Ich schwimme gern in meiner eigenen . . . nein . . . was ist denn mit dieser Scheiß Spülung los?“ Kontrollverlust. Hemmungsloser Tritt gegen den Spülungskasten. Spülstop.
EsoEriks Rückkehr in seine Mitte. Keine Aggression. Ganz im Jetzt des Bodenwaschens leben. Immer Friedenschließen mit dem, was war. Es ist nie zu spät für eine glückliche Vergangenheit: „Ich wollte schon lange den Boden wischen. Das Schmierige kommt aus meinem Innersten, ist Teil von mir.“ Harmonische Einheit EsoErik - Spülwasser.
Mitten in diese, der erste Heilsuchende. Tragisch. Kein Duftlampengeruch, anstattdessen ein schwitzender, wischender Therapeut. Für den Patienten zuviel Braunstich. „Na ja, es werden weitere folgen.“ EsoErik hat gelernt, mit seiner Enttäuschung umzugehen. Nur nicht ablenken lassen. Sofort in Zukunft schauen. Nein, zuerst Boden waschen. Immer ganz im Jetzt! Fast vergessen.
Putzen macht EsoErik Rückenweh. Verspannung ist Energieblockade. Schlecht für nächsten Patienten. Schnell Edelstein auflegen. Schwierig. Wie am Rücken liegen und gleichzeitig einen Stein zwischen Schulterblätter legen? Verrenken klemmt Nerv ein. Rechter Arm läßt sich nicht mehr harmonisch bewegen.
Mitten in diesen Schmerz, der zweite Heilsuchende. Tragisch. Kein freundliches Händeschütteln, anstattdessen ein von Schmerz gepeinigter, bewegungsunfähiger Therapeut. Für den Patienten zuviel Leid. „Na ja, es werden weitere folgen.“
EsoErik ist etwas enttäuscht. Ziemlich verhunzter erster Heilertag.
Jetzt kann nur noch Trance Reise helfen. Rasselkassette eingelegt, bioenergetisch ausgetestete Haltung eingenommen. Reiseantritt.
EsoErik begegnet „seinem“ unbewußtem Tier. Bär redet nicht, reißt EsoErik den Arm aus. Wie angenehm. Eingeklemmter Nerv gleich mitgerissen. Bär reißt Bein aus. Wie herrlich. Bär zerfleischt Oberkörper. Unbeschreibliches Freiheitsgefühl. Bär reißt Kopf aus. Ultra geil. Bär verschwindet.
Kassette beendet Rasselung. EsoErik wieder in seiner Heilerwohnung. „Immer wieder ein Erlebnis, so eine Reise ins Unbewußte.“ Nerv immer noch eingeklemmt. Egal. Heute kein Patient mehr. Endlich Zeit, Wohnung feng-shui- mäßig auszutesten. Wohnung ist nicht rund. Sehr schlecht, aber kann man nichts machen. Klo ist in Wohnung. Sehr schlecht, aber kann man nichts machen. In rechter hinterer Ecke im Wohnzimmer steht Schreibtisch. Sehr schlecht. Ist eigentlich Ecke für Partnerschaft. Zwar kein Partner vorhanden, aber Schreibtisch soll nicht herhalten. Umstellen. Große Schmerzen. Eingeklemmter Nerv. Einhändiges Abräumen des Tisches. Duftlampe mit brennender Kerze auf Boden. Tischschieben. Teppichverwurschtelung. Tischziehen. Stolperung. Kopf gegen Sesselkante. Sessel gegen Duftlampe. Kerze auf verwurschtelten Teppich. Feuer. EsoErik ohnmächtig. Hose brennt. Unglaubliche Energiezufuhr. Ganzes Wohnzimmer erstrahlt in feurigem Licht. Einmal noch öffnet EsoErik Heileraugen: „Oh, dieses Licht. Warme Energie durchflutet mich. Erleuchtung!“
Ganze Wohnung brennt ab. Verkohlter EsoErik. Macht nichts. Wiedergeburt.

© Florian Wegenstein
 
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