Lese ich es richtig, dass du meinst, Stundenastrologen hätten nicht verstanden worum es in der Astrologie geht? Sie hätten im allgemeinen eine zu niedrige Ethikschwelle?
Nein, das liest Du nicht so, wie ich es verstanden wissen wollte. Ich stelle keine verbindliche Ethik auf für Astrologen oder andere Berufsgruppen. Ich finde auch nichts Unethisches daran, eine Nachfrage zu befriedigen und Wünsche zu erfüllen. Zudem erheben meines Wissens Stundenastrologen eh keine therapeutisch-begleitenden Ansprüche, und die meisten distanzieren sich auch von einer "Psychologischen Astrologie" wie der Teufel vom Weihwasser. Wobei ich selber auch die psychologische Astrologie als Begriff nicht sehr schätze - mir ist eine astrologische Astrologie lieber, die sich in Beratungs-Kontexten mit psychologischem Sachverstand und vor allem einem guten Maß an Empathie verbindet. Und da lande ich dann genau dort, wo Lady Eira ansetzte: bei den Fragen hinter den Fragen, bei den "eigentlichen Anliegen". Und damit verbunden die Frage, was denn der ethische Respekt vor dem Klienten nun wäre: Ihm seinen Wunsch zu erfüllen und ein astrologisch fundiertes JA oder NEIN zu verkünden oder ihn in seiner Bewegung zu sehen und ihn einzuladen, unter die Oberfläche einer Frage zu schauen - und ihm vielleicht auch die Wunscherfüllung zu versagen, ein JA oder NEIN zu hören. Solchen klaren Antworten sind ja schon die klassischen Orakel der Antike ausgewichen... etwa durch die Antwort "Du wirst eine große Flotte zerstören!" War dann leider die eigene...
Mir sind viel mehr diejenigen aufgefallen, die mit Transiten u.a. arbeiten und dann mehr so wischi-waschi-Aussagen treffen (Folgende Wortwahl ist dann häuftig: könnte, evtl., vielleicht usw.). Ein Stundenastrologe trifft klare Aussagen, weil es auch klare Regeln gibt.
Naja, es gibt Regeln ... um mittels dieser Regeln zu klaren Aussagen zu kommen (was etwas Anderes ist...), braucht es wiederum die Deutung auf der Basis der Regeln, und da kommen so ungeregelte Dinge wie Erfahrung, Charisma, visionäres Potenzial etc. dazu. Ich wage die Aussage: Auf der Grundlage der Regeln allein wird Dir kein Stundenastrologe etwas Brauchbares sagen können. Bloße Regelanwendung hat noch nie inspirierte Ergebnisse zur Folge gehabt.
Mit dem Wischiwaschi geb ich Dir gern recht - das ist immer dann peinlich, wenn ein Astrologe zwar einerseits behauptet, konkrete Prognosen geben zu können, und die dann andererseits in solche Wortwolken hüllt, dass nichts Konkretes übrigbleibt. Da würde ich sagen: Viel ver- bzw. gesprochen - nix gehalten. Wobei es auch dafür eine dankbare Klientel gibt, die so ca. dem entspricht, was der Psychoanalytiker Sheldon B. Kopp mal als "unausgesprochenen Behandlungsvertrag" bezeichnet hat: "Erklär mir alles, mach mit mir, was du willst, lass es lange dauern und teuer werden, vermittle mir den Eindruck, intensiv mit mir zu arbeiten, nur verlange eines nicht von mir: mich zu ändern!"
Früher haben Astrologen immer in die Zukunft geschaut. Warum ist das heute nur so verpönt? (Obwohl es im Prinzip genau deswegen jeder lernt, weil er sein Leben vorberechnen will, um sich vor etwaigen Geschehnissen oder Menschen besser wappnen zu können.)
Verpönt? Nein, es gibt einfach eine Menge an Fragen dazu. Und ganz bestimmt habe ich Astrologie nicht deshalb gelernt, um mein Leben vorauszuberechnen (was ich für einen anmaßenden Anspruch und schlicht für unmöglich halte) oder gar, um mich gegen Menschen zu wappnen. So ängstlich bin ich nicht, ich lass mich gern berühren. Im Gegenteil hat mich die Astrologie eine gehörige Portion Toleranz gelehrt - angesichts der faszinierend vielfältigen Möglichkeiten, Konstellationen in farbiges Leben zu übersetzen und damit ein Weltbild zu entwickeln, das mit "Schicksalszwang" nichts zu tun hat, lass ich die affirmative Deutung von Ereignissen gern denen, die sich per Astrologie für Schicksalskundige halten. Es gibt (für mich) so viele positive Motivationen, Astrologie zu erlernen und zu betreiben - auch Stundenastrologie -, dass der Aspekt, damit die Zukunft "in den Griff zu kriegen", einfach überflüssig wird. Ich kenne auch niemand, bei dem das geklappt hätte...
Alles Liebe,
Jake