Entschuldigung am Sterbebett?

Katzenfloh

Neues Mitglied
Registriert
29. August 2014
Beiträge
13
Ort
Niederösterreich
Guten Morgen :)

Ich habe zwei Fragen meinen Opa betreffend. Er ist im Februar gestorben. Ich gehe ganz gut damit um, aber es sind Fragen, die offen bleiben. Muss aber auch sagen, dass es der erste Todesfall in der "näheren" Familie war... somit meine erste, richtige Auseinandersetzung mit dem Thema ist.

Einerseits würde mich interessieren, warum manche Menschen so langsam sterben?
Mein Opa hatte seit 10 Jahren Krebs. Da er damals schon älter war, war eine Operation nicht mehr möglich und er bekam wohl eine Spritzen-Therapie. Letztes Jahr (eher Anfang des Jahres) sagten sie meiner Oma dann, dass er nur mehr wenige Monate (vielleicht 3, 4) hat, denn die Metastasen breiteten sich wohl auch. Nun war es aber so, dass er wohl nicht gehen wollte. Vor Weihnachten war er nur noch Haut und Knochen. Dann ging es recht schnell bis er komplett bettlägrig wurde. Im neuen Jahr war es dann wirklich schon sehr schlimm. Er ist nur noch in seinem Stuhl gesessen und hat vor sich hin geschaut.. von der Umgebung bekam er kaum was mit. Er hat damals Morphium in Spritzen-, Tabletten- und Pflasterform bekommen, damit er wenigstens keine Schmerzen mehr hat.

Und da war dann der eine Moment... wie soll ich sagen... wir hatten nie ein enges Verhältnis. Ich war immer das Enkelkind, dass er nicht wirklich beachtete. Ich habe zwei ältere Cousinen im Ausland und die waren immer die Lieblinge. Wenn ich auf Besuch war und erzählte, dass ich die Schule fertig hatte, wurde das beantwortet mit: "Stell dir vor, die Steffi macht jetzt eine Ausbildung zur Krankenschwester. Und Judit hat einen neuen Freund." Also im Prinzip hat ihn und meine Oma mein Leben nie interessiert. Und darum war unser Kontakt recht wenig... sie lernten meinen Freund kennen und natürlich war er nicht "so toll" wie der Freund meiner Cousinen und es war immer irgendwas. Jedenfalls war ich während seiner Sterbephase öfter auf Besuch als meine Cousinen, da sie aus dem Ausland nicht einfach mal "vorbei fahren" konnten. Und als ich ihn besuchte, meinte er zu mir "Liab schaust aus" - ja, das klingt jetzt irgendwie idiotisch... aber in dem Moment war es so... mir kam es vor wie eine Art Entschuldigung. Wer ihn kannte, kann sich das ungefähr vorstellen, wie ich das meine. Ich hätte nie von ihm gehört, dass ich was gut gemacht hatte oder ihm was gefällt. Nie! Das gab es von ihm nicht. Es waren immer die Cousinen das Thema und in dem Moment hat er zum ersten Mal MICH angesprochen und MIR ein "Kompliment" gemacht. Ich habe es als eine Art Entschuldigung aufgefasst, denn warum sonst sagt er sowas nach all den Jahren?
Jedenfalls war das für mich irgendwie ein besonderer Moment.

Von da an ging es noch schneller bis er in einen ganz schlimmen Zustand verfiel. Er war sehr sehr lange komplett bettlägrig. Und da frage ich mich, warum das so lange dauerte? Es war knapp nach Jahresbeginn, dass er nicht mehr aufstehen konnte, gar nicht mehr. Er lag von morgens bis abends in der gleichen Position. Ich will nicht sagen, dass er abwesend war. Aber wirklich anwesend war er auch nicht. Er hat nur noch geschaut, sah aus wie ein Skelett mit Haut drüber. Die Beine waren teilweise schon voll mit schwarzen Flecken.. er hat nichts mehr gegessen und getrunken. Der Arzt war dann da und meinte, dass es bestimmt schnell ginge, denn die Organe würden bald versagen. Es zog sich dann aber noch über einen Monat fort. In den letzten zwei Wochen hat er so oft auf die Wand nach oben geschaut und "Vater" gerufen. Es war echt so unschön! :( Aber wer ist der "Vater"? Meinte er seinen Vater? Oder eine Art "Himmelvater"? Wie kann ich das verstehen? Und warum dauerte es so lange, wenn er doch körperlich in einem so schlechten Zustand war? Er war wirklich schon, wie man in der Redewendung sagt, der "lebendige Tod"...

Ich habe nach seinem Tod noch oft von ihm geträumt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es jetzt anders ist - als wäre er weg.. :confused:

Vielleicht fallen irgendjemandem Gedanken dazu ein...
Liebe Grüße an euch,
der Katzenfloh
 
Werbung:
> warum das so lange dauerte?
was soll man antworten. der körper wird im alter immer dysfunktionaler, aber er funktioniert dennoch oft länger, als man von außen meinen könnte. als man meinen opa aufgegeben hat und alle medikamente, ohne die er "nicht leben kann", absetzte, hat er noch mehr als ein jahr gelebt, sich sogar soweit erholt, daß er einige schritte gehen konnte. und dann starb er ...

es ist gut, als mensch mit verstand sein negatives karma zu erleben. am ende von alter kommt krankheit und tod. es ist leidvoll, aber auch ein moment der wahrheit: jetzt hilft keine lebenslüge mehr, man steht vor dem nackten sein.

> Ich habe nach seinem Tod noch oft von ihm geträumt,
> aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es jetzt anders
> ist - als wäre er weg..
das kenne ich :) welcher zeitraum? es ist gut, wenn sie weg sind. traurig ist, wenn man sie kurz darauf wiedertrifft -- als tier oder so. ich habe eine frau in den tod begleitet, und sie hatte großes vertrauen in mich. sie wollte immer ein vogel sein. wenige wochen danach geht mir ein spatzenbaby zu und bleibt bei mir statt bei seinesgleichen. ich weiß es nicht, aber ich hatte sehr stark das gefühl, das ist "sie".

aber es ist egal. wenn du dich vernachlässigt fühltest, war es dein gefühl, und wie er dachte, wissen wir nicht. die leute zeigen oft ihre gefühle nicht. am ende sind sie schon dankbar, wenn sie nicht das gefühl haben, man habe sie vergessen. das sterben ist ein schmerzlicher prozeß, weil man alles verliert, woran man hängt. das sterbensehen ist ein kleiner schmerz, weil man auch etwas verliert -- aber nicht "alles".

objektiv verliert man beim sterben nichts, was man "hat", und man muß umgekehrt die gestorbenen gehen lassen, sie sind nicht mehr hier, sie sind irgendwo anders auf ihrer wanderung. letztendlich sind wir völlig allein und purzeln einfach nur dauernd in verschiedene zustände. kurze zeit halten wir die einen für verwandte und die anderen für feinde, dann wieder umgekehrt ... wir sind selbstvergessene wanderer in den welten :)
 
Es ist von aussen unmöglich zu beurteilen, warum manche Menschen langsam und manche rasch sterben. Man muss hier sehr, sehr vorsichtig sein mit übereilten Wertungen, denn es ist fast unmöglich zu wissen, was in der Person selbst alles vor sich geht. Ein Problem ist, dass wir uns gewohnt sind, schmerzhaftes Leben als unwürdig oder als sinnlos zu beurteilen. Aber die Person selbst das auch so erfährt, das wissen wir nicht.

Dass du "liab ausschaust" ist vermutlich als echte Liebeserklärung zu deuten. Warum hätte er es sonst sagen sollen, wenn er es nicht gemeint hätte? Alte Menschen haben wenig zu verlieren, manche entwickeln eine radikale Offenheit ihrer Gedanken und Gefühle, die besonders dann schwer zu verdauen ist, wenn Aussenstehende ihr Leben auf Lügen aufgebaut haben. Zumindest scheint seine Liebeserklärung aus den Worten, die du hier benutzt hast, so hervorzugehen. Es ist schon so, dass Menschen ihre Lieblinge haben, und andere manchmal unverdientermassen zu kurz kommen. Das ist insbesondere schwerig, wenn es die eigenen Eltern sind. Aber als Mensch macht man Fehler, und besonders als alter Mensch wiegen - so denke ich - die eigenen Fehler umso schwerer. Es mag durchaus sein, dass dein Opa es bereut hat, in der Vergangenheit nicht mehr Zeit mit dir verbracht zu haben. Das Faszinierende ist, dass alten Menschen oft Beziehungen zu den Verwandten viel, viel wichtiger sind als alle anderen Themen, die sonst in unserer Welt so sehr im Vordergrund stehen: Geld verdienen, Job finden, Ausbildung machen, Kinder kriegen.

Wer "der Vater" ist, auch das kann nur er selbst endgültig wissen. Weisst du, wie die Beziehung deines Urgrossvaters zu deinem Grossvater war? Dein Urgrossvater, sofern er Europäer war, durchlebte zwei Weltkriege. In gewissen Regionen Europas wurden ganze Generationen von Männern ausgelöscht. Ich glaube, das Trauma, das die Abwesenheit dieser Männer bei den Kindern hinterliess, kann durchaus für den Rest des Lebens anwirken.
Es mag auch sein, dass dein Grossvater gerne mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung vom eigenen Vater erhalten hätte, dass er ihn zeitlebens vermisst hat. Der Ausruf Vater wäre demnach ein Rufen, ein Suchen nach dem Vater. Vielleicht hatten die beiden auch offene Rechnungen, ein ungelöster Konflikt, Streit, was auch immer. Oft kommen diese Dinge auf dem Sterbebett erneut hoch.
Nicht selten fällt die Person in eine frühere Zeit zurück. In der Jetztzeit gibt es nicht mehr viel, was interessant ist (mit Ausnahme der Verwandten, Enkelkinder usw.). Und in der Vergangenheit gibt es noch ungelöste Spannungen. Es setzt ein sehr wichtiger und absorbierender Prozess mit der eigenen Vergangenheit ein, mit den eigenen Entscheidungen und Taten, und es stellen sich durchaus Fragen, ob man den eigenen Vater sechzig Jahre zuvor nicht unrecht behandelt hat. Somit ist auch die Suche nach den Personen aus der Vergangenheit verständlich: Man möchte zurückgehen und die Dinge recht machen, sich entschuldigen, oder Forderungen stellen, die man einst hätte stellen sollen.

Wenn man in eine neue Wohnung zieht, bleibt oft noch ein eigenartiges Gefühl für einige Zeit, bis man den Eindruck hat: Jetzt wohne ich ganz hier. Als wären die Vormieter noch ein wenig da, auch wenn all ihre Gegenstände entfernt wurden. So ist es auch mit Toten. Wenn ein Mensch gestorben ist, dann bleibt oft noch ein Gefühl, bis irgendwann dieses Gefühl nur noch Erinnerung ist, und der Verstorbene auch in dir selbst gegangen ist. Man kann hier von einer energetischen Verbindung sprechen, wenn man möchte, wir Menschen sind ja bei weitem "offener" gegen alle Seiten hin, ein lebendiger Dialog mit der Welt, unseren Mitmenschen, unseren Verwandten, unseren Ahnen.
 
Ich kann dir nur etwas zu dieser entschuldigung erzählen,die du so empfandest,kurz vor dem sterben deines Opa's;ich hatte nämlich eine Tante(mütterlicherseits),für die ich immer eher unliebsam war.Sie konnte so recht nichts mit mir anfangen,lies mich das auch spüren.Ich habe lange um ihre aufmerksamkeit gebuhlt,bis ich ihr dann eher auch abweisend begegnete.
meine mutter und sie wohnten in der selben stadt,und als meine ma starb,half meine tante mir bei den dingen,die man dann so zu erledigen hat( begräbnis etc).immernoch recht distanziert.

einige monate später lud mich die tante zu sich ein.
ich war verwundert,fuhr aber über's wochende zu ihr und erlebte eine völlig andere person.
Sie war freundlich,zuvorkommend,liebevoll...las mir jeden wunsch von den augen ab,kochte ,was ich wollte,ließ mir ein bad ein...wir saßen bis in die nacht hinein bei einem glas wein in der küche und redeten.

Ich war völlig euphorisch!
Ich freute mich sehr über diese wandlung und machte pläne...14 tage später erhielt ich einen anruf von meiner cousine,die mich darüber informierte,dass die tante sehr schwer an krebs erkrank sei und im schlimmsten fall noch 6 wochen zu leben hätte.

Die tante wußte/ahnte das schon vorher,sprach aber nicht darüber.

leider hielt sie nicht mal diese 6 wochen durch.
ich konnte sie nicht mehr sehen,aber ich werde diesen letzten abend immer in wundervoller erinnerung behalten.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich freu mich sehr über eure drei Antworten.

Natürlich mag ich nicht werten, warum jemand langsam oder schnell stirbt. Ich habe mich nur gefragt, ob es dafür eine Ursache geben "könnte"? Eventuell, dass diejenigen, die kein guten Karma angesammelt hatten, länger "leiden" müssen? Ich kann mir nur vorstellen, dass er gelitten hat, als er da lag. Immerhin hat er oft von Schmerzen gesprochen, weshalb er mehr und mehr Morphium bekam. Somit war es für mich eine Art Leid... und wenn ich dann höre, das manche friedlich einschlafen, dann war das was mein Opa erlebt hat, eher die "unschönere" Variante - für uns nach außen selbstverständlich. Was in der sterbenden Person vorgeht, kann man wahrscheinlich sowieso nicht genau sagen. Vielleicht sieht es nur nach außen schmerzhaft oder leiderfüllt aus und fühlt sich nach innen nicht so an?!

@dongya: Also die Träume kamen zirka 2,3 Wochen nach seinem Tod und hatten dann Ende Juli aufgehört.. Da kam es mir so vor, als wäre er "komplett weg".. früher hatte ich das Gefühl als wäre er ab und zu irgendwie anwesend. Es war aber kein ungutes Gefühl.

@fckw: So kam es mir auch vor. Eine Art Liebeserklärung. Als wäre ich ihm doch nicht egal. Und das komische war... ich bin nicht der Mensch, der weint.. also ich bin eigentlich hochsensibel und weine auch, wenn mich was traurig macht. Aber im Moment, wo er im Sterben lag, hatte ich das Gefühl, dass ich in dem Moment nicht weinen muss, sondern für meinen Papa da sein muss. Auch hatte ich nicht dieses Bedürfnis weinen zu müssen. Und an dem Abend hab ich dann das erste Mal richtig geweint. Weil ich einerseits so gerührt und andererseits natürlich traurig war. Er hat in dem Moment, als er das sagt auch richtig versucht zu lachen, was natürlich in seiner Situation kaum möglich war.. aber an seinen Mundwinkeln hat man's gesehen. Somit glaube ich, dass er es wirklich ernst meinte.

Bezüglich seinem Vater... soweit ich weiß, gab es nur einen "Erzeuger". Ich weiß nicht genau bei wem er aufwuchs, aber ich glaube es waren Tante und Onkel. Aber seinen Vater kannte er, soweit ich weiß, gar nicht. Somit könnte das schon Sinn machen. Vielleicht hat er seinen "leiblichen" Vater gesucht bzw. nach ihm gerufen? So als eine Art Wiedergutmachung "Hol mich JETZT zu dir, wenn du als Kind schon kein Vater warst"? ... Ist jetzt natürlich eine Mutmaßung, aber könnte eine Erklärung sein? Er wäre auch die einzige Person, mit der er eine "Rechnung offen hat".. zumindest viele mir sonst keiner ein. Er war ein sehr geselliger Mensch, hatte keine "Feinde" sondern war überall bekannt für seine Hilfsbereitschaft.

Ich fühlte mich seit seinem "Liab schaust aus" ganz anders verbunden mit ihm als zuvor. Es war ein angenehmes und zeitgleich beruhigendes Gefühl obwohl die Situation natürlich nicht schön war.

@ Villimey: Schöne und zugleich traurige Geschichte! Danke fürs Teilen hier! Irgendwie trifft es das auf den Punkt: Immer wenn ich an meinem Opa denke, ist es genau diese eine Situation. Obwohl ich ihn auch danach am Sterbebett besuchte und es somit "aktuellere" Begegnungen gebe, ist es diese eine Szene, die ich immer und immer wieder sehe. Es ist die letzte Erinnerung, obwohl es wahrscheinlich auch 100 andere gäbe!
 
Bezüglich seinem Vater... soweit ich weiß, gab es nur einen "Erzeuger". Ich weiß nicht genau bei wem er aufwuchs, aber ich glaube es waren Tante und Onkel. Aber seinen Vater kannte er, soweit ich weiß, gar nicht. Somit könnte das schon Sinn machen. Vielleicht hat er seinen "leiblichen" Vater gesucht bzw. nach ihm gerufen? So als eine Art Wiedergutmachung "Hol mich JETZT zu dir, wenn du als Kind schon kein Vater warst"? ... Ist jetzt natürlich eine Mutmaßung, aber könnte eine Erklärung sein? Er wäre auch die einzige Person, mit der er eine "Rechnung offen hat".. zumindest viele mir sonst keiner ein. Er war ein sehr geselliger Mensch, hatte keine "Feinde" sondern war überall bekannt für seine Hilfsbereitschaft.
Auch wenn ich das natürlich nicht wissen kann - ja, das wäre durchaus denkbar. Stell dir vor, du kennst deinen leiblichen Vater ein Leben lang nicht. Wäre da nicht der nagende Wunsch in dir, vielleicht auch tief versteckt, ihn nicht doch irgendwann noch kennenzulernen, herauszufinden, wer man ist, woher man kommt, wie ein Leben mit diesem Vater gewesen wäre? Aber wie gesagt, das sind natürlich nur Mutmassungen. Es gibt wohl auch Anteile eines Menschen, die für andere immer verschlossen bleiben.
 
In der Tat! Es klingt zumindest irgendwie logisch und macht die Vorstellung einfacher. Wir dachten eigentlich, dass es schnell gehen würde, aber es war wirklich unschön ihn so zu sehen. Ich kann es nicht ganz beschreiben, aber wenn ein Mensch mehr oder weniger die Kontrolle über den Körper verliert. Und die Vorstellung, dass er vielleicht seinem Vater gerufen hat, würde zeigen, dass er geistig sehr wohl noch da war. Also auf eine andere Art zumindest.

Danke für deine Meinung dazu!
 
> @dongya: Also die Träume kamen zirka 2,3 Wochen nach seinem
> Tod und hatten dann Ende Juli aufgehört.. Da kam es mir so vor,
> als wäre er "komplett weg".. früher hatte ich das Gefühl als wäre
> er ab und zu irgendwie anwesend. Es war aber kein ungutes Gefühl.

hi, das macht sinn. so lange war er ca. im bardo und ist ab und zu noch dahin zurück, wo er früher war -- gewohnheit. ich kenne das :)
 
hm, es kommt mal vor allem auf die Erkrankung an, wie lange das Sterben dauert. Du schreibst von Krebs: hier gibt es ja schnell wachsende und langsam wachsende Tumore. Und Tumore, die eifrig streuen sowie Tumore, die zurückhaltender sind mit der Metastasierung.

Ansonsten bestimmt wohl vor allem die Gesundheit die Art des Sterbens. Ist der Mensch gesund, so verstirbt er irgendwann an Organversagen. Man wacht dann morgens nicht mehr auf, weil das Herz leider nachts das Schlagen einstellte. zum Beispiel. War man im Alter auch psychisch gesund, dann hat man sich vermutlich erfolgreich mit dem Altwerden und dem Sterben auseinander gesetzt und wird daher das Leben ganz einfach verlassen. Viele merken es ja auch, daß das Leben zu Ende geht, formulieren das, bereiten sich vor, legen sich hin, und sterben. Der Tod kommt nur selten plötzlich.

Wenn das Leiden dagegen lange dauert und man dem Menschen eigentlich ein Sterbenkönnen wünscht, ist das ganz anders. Nach einem gesunden Leben ist es nicht so schwer, das Ende des Lebens zu erfahren. Es muß ja nunmal so kommen, man kann eh nichts dran ändern. Aber wenn man krank war: warum war man es? Was hätte man für ein Leben gehabt, ohne diese Erkrankung? Hätte man die Erkrankung nicht, man müsste jetzt nicht sterben. Der Tod ist eigentlich noch gar nicht dran.

Und doch ist das eben in einem Leben mit einem durch Krankheit verursachten Tod nunmal so wie im Leben des Gesunden: man kann den Tod nicht betrügen, er kommt wann er will. Soweit ich weiß hat man aber erforscht, daß ein Lebensende nach einem als gelungen empfundenen Leben leichter ist als nach einem schweren Leben, das durch Schicksalsschläge und Krankheit durchpflügt war. Man vermißt etwas im Leben und daher wohl auch im Tod.


Eine Idee noch zu dem "Vater", den Dein Großvater angerufen hat: es ist im Grunde schon alles dazu gesagt worden. Aber ein Zusammenhang ist vielleicht interessant für Dich, ich drücke ihn auf zweierlei Arten aus, medizinisch und spirituell:

a) medizinisch: die Nebenwirkungen der Medikamente, die Dein Großvater bekommen hat, verursachen Veränderungen der Bewusstseinsqualität. Man halluziniert. Da das Sprechen eines Menschen auch im Sterben zu seiner Wahrnehmung paßt, dürfte Dein Großvater tatsächlich seinen eigenen Vater gerufen haben, weil er ihn sah. Die Sterbeforscher wissen auch aus Beobachtung heraus, daß diese Personen, mit denen sedierte Sterbende meist in den letzten Tagen und Stunden vor dem Tod reden, stets an der gleichen Stelle im Raum erscheinen. Mal ist es eine dunkle Ecke, über die das Bewusstsein das Bild eines Elternteils o.ä. legt, mal ist ein Fenster, in dem die Verstorbenen umrahmt vom Licht erkannt werden, mal ist es schlicht die Decke - es hängt von der Lage des Körpers und vom Raum ab, worin das halluzinierende Gehirn was erkennt.

b) spirituell: wenn sich die Seele während des Sterbeprozesses aus dem Körper zu lösen beginnt, dann geschehen im Sterbenden diejenigen Erlebnisse, die Sterbeforscher als "Nahtod"-Erlebnisse erforschen. Man erblickt ein Licht, das sich als das Ende eines Tunnels entpuppt. Am Ende des Tunnels stehen in dem Licht Personen, die man aus dem Leben kennt. Wenn ein Nahtoderlebnis nur kurz dauert, z.B. bei einem Unfall oder während einer Operation, dann bleibt meist wenig Zeit für ein Gespräch mit diesen Personen, meist erfolgt nur eine einzige gefühlte Mitteilung, die so in etwa "ich bin für Dich da" beinhaltet. Und dann kehrt man, z.B. durch eine Reanimation in das Leben zurück.
Jeder Sterbende erhält kurz vor diesem Übertritt - es können Tage sein, Wochen, sogar Monate, aber meist sind's dann doch Stunden - den Zugang zu dieser Erfahrungswelt, die sich vor dem Tod im Menschen auftut. Die Tatsache, daß Dein Großvater offensichtlich keinen Kontakt zu seinem Vater empfand, den er an der Decke sah, im Licht, gemeinsam mit anderen Verstorbenen, zeigt nur, daß er als Lebender keinen Kontakt zum Totenreich hatte.
Und das wird - nebenbei bemerkt - auch biographisch abgebildet durch den Verlust des "Vaters". Wie alt war er denn, als der Vater das Weite gesucht hat/verstorben ist/sich die Eltern getrennt haben/etc.?


Noch ein letzter Gedanke: Du schriebst, daß Dein Großvater Dich nie so recht akzeptiert hat. Bis zu einem lichten Moment, auf dem Sterbebett eben, als sich sein Herz für Dich öffnete und er damit Dein Herz für ihn auch geöffnet hat. Das ist ein sehr wichtiger Moment im Leben, denke ich. Von Euch beiden. Gehe davon aus, daß Du nicht die Ursache für seine Distanz warst, sondern daß es eine familiengeschichtliche Angelegenheit war, die bisher nicht aufgearbeitet wurde. Du hast es nur "austragen" müssen bzw. tust Du es weiterhin, wenn Du da nicht mal forschst, was früher so gewesen ist zwischen den Generationen.


lg

P.s.: Katzenfloh - wie gut, daß ich eine Maus bin. Aber mein Kater hat Dir diese Namenswahl noch immer nicht verziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Werbung:
:winken5:
Oh, das Mausi schon wieder! Was dein Kater bloß gegen Katzenflöhe hat?! :confused:

Generell weiß ich so ungefähr was früher passiert ist. Also es ist wirklich eher familiengeschichtlich.. Die Sache war die, dass meine Großeltern recht simple Leute waren, die nicht viel Geld hatten. Ihre erste Tochter (die Mutter der beiden Cousinen) ist 10 Jahre älter als mein Vater und sein Bruder. Damals war das Geld knapp und eigentlich war nur noch ein Kind geplant. Tja und wie hätte es anders kommen sollen. Es wurden Zwillinge und mein Onkel war wohl als erstes auf der Welt und deshalb "willkommen"...
Mein Vater selbst erzählte früher viel aus seiner Kindheit und ich weiß nicht, ob und in wie weit er es zu spüren bekam. Er sagt eigentlich, dass er eine schöne, sehr lustige Kindheit hatte. Natürlich lebten sie eher sparsam und so, aber er erwähnte nie, dass er nicht genug Liebe bekam. (Ist aber auch fraglich, in wie weit man sich das selbst eingesteht?!) Meine Mama meinte aber, dass er immer benachteiligt wurde. In wie fern das stimmt, weiß ich nicht. Es machen beide Theorien Sinn für mich. Ich kann mir gut vorstellen, dass er es einerseits einfach, aber lustig hatte und andererseits nicht DAS Lieblingskind war. Ich weiß auf jeden Fall, dass mein Onkel der Nr. 1 Sohn war.. Somit würde es schon irgendwie alles passen. Also der Konflikt liegt wohl eher da begraben.

(Wobei mir natürlich vom Studium her nicht unbekannt ist, dass ich wohl da auch entsprechend von meiner Mama geprägt wurde. Im Sinne von "Kleinkinder lernen ja aufgrund von Mimik und Gestik der Mutter über andere Menschen"...)

Somit weiß ich nicht so recht, wie ICH die Situation verarbeite bzw. wie ich damit umgehe. Immerhin bin ich doch irgendwie mitten drinnen...

Den Rest finde ich super interessant. Bringt mich auf jeden Fall zum Nachdenken und eines bleibt mir fraglich... Ich zitiere mal, damit du siehst worauf ich mich beziehe..

Jeder Sterbende erhält kurz vor diesem Übertritt - es können Tage sein, Wochen, sogar Monate, aber meist sind's dann doch Stunden - den Zugang zu dieser Erfahrungswelt, die sich vor dem Tod im Menschen auftut. Die Tatsache, daß Dein Großvater offensichtlich keinen Kontakt zu seinem Vater empfand, den er an der Decke sah, im Licht, gemeinsam mit anderen Verstorbenen, zeigt nur, daß er als Lebender keinen Kontakt zum Totenreich hatte.
Und das wird - nebenbei bemerkt - auch biographisch abgebildet durch den Verlust des "Vaters". Wie alt war er denn, als der Vater das Weite gesucht hat/verstorben ist/sich die Eltern getrennt haben/etc.?

Wie bzw. woran erkennt man, dass er als Lebender keinen Kontakt zum Totenreich hatte? Das ist mir nicht ganz klar bzw. verstehe ich nicht ganz wie das gemeint ist..

Soweit ich weiß, kannte er seinen Vater gar nicht. Müsste also ganz ganz früh gewesen sein.
 
Zurück
Oben