Tommy
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Ich verstehe die Aufgeregtheit nicht, die immer dann um sich greift, wenn jemand auf die Verirrungen des Zeitgeistes hinweist.
Mit Wohlgefallen würde des Kardinals Blick auf deinen Sätzen ruhen. Vermutlich würde er aber etwas prägnanter formulieren:
Ich verstehe die Aufgeregtheit nicht, die immer dann um sich greift, wenn jemand auf die Entartungen des Zeitgeistes hinweist.
Klar, sind keine bunten Figuren auf der Scheibe, keine Märtyrer und Heiligen, da hat sich der Zeitgeist ganz schön verirrt.
Die Tatsache, daß ein Wort, nur weil es vor 70 Jahren von den politischen Machthabern verwendet wurde, einen gleich in die "braune Ecke" stellt, ist eine dieser Absurditäten der heutigen Zeit. Wenn man ein Wort nicht mehr in den Mund nehmen darf (überhaupt, wer schreibt das vor ob man das darf?), weil es im Vokabular der Nationalsozialisten vorkam, dann müßte folgerichtig die komplette deutsche Sprache abgeschafft werden, denn die NS sprachen deutsch... aber auf dem Wege der Abschaffung der deutschen Sprache sind wir ja in der Tat bereits.
Der Begriff "entartet", "entartete Kultur", "entartete Kunst" ist nicht so harmlos, wie es in deiner Lesart scheinen mag. Er ist mit einem spezifischen Rassismus verknüpft. Denke einfach mal darüber nach, was "entartet", =aus der Art schlagend" bedeutet. Die NS-Propaganda stigmatisierte alles, was aus der angeblich deutschen Art schlug, als krankhaft, minderwertig und beseitigungsbedürftig.
Als Entartete Kunst galten im NS-Regime alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die mit dem Kunstverständnis und dem Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht in Einklang zu bringen waren:
Expressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus. Als entartet galten unter anderem die Werke von George Grosz, Elfriede Lohse-Wächtler, Karl Hofer, Ernst Ludwig Kirchner, Max Ernst, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Pankok, Max Pechstein, Paul Klee, Willi Baumeister, Otto Griebel, Otto Dix oder Ernst Barlach. In der Ausstellung Entartete Kunst wurden ihre Exponate mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleichgesetzt und mit Fotos verkrüppelter Menschen kombiniert, die bei den Besuchern Abscheu und Beklemmungen erregen sollten. So sollte der Kunstbegriff der avantgardistischen Moderne ad absurdum geführt und moderne Kunst als entartet und als Verfallserscheinung verstanden werden. Diese Präsentation kranker, jüdisch-bolschewistischer Kunst diente auch zur Legitimierung der Verfolgung rassisch Minderwertiger und politischer Gegner."[2]
Zur Ausstellung Entartete Kunst in München verteilten die Nationalsozialisten Flugblätter (Buchdruck auf dünnem rotem Papier, 134 x 200 mm):
Gequälte Leinwand
Seelische Verwesung
Krankhafte Phantasten
Geisteskranke Nichtskönner
von Judencliquen preisgekrönt, von Literaten gepriesen, waren
Produkte und Produzenten einer Kunst, für die Staatliche
und Städtische Institute gewissenlos Millionenbeträge deutschen
Volksvermögens verschleuderten, während deutsche Künstler zur
gleichen Zeit verhungerten. So, wie jener Staat war seine
Kunst.
Seht Euch das an! Urteilt selbst!
Besuchet die Ausstellung
Entartete Kunst
Hofgarten-Arkaden, Galeriestraße 4
Eintritt frei Für Jugendliche verboten
Wenn jetzt jemand, der in der Öffentlichkeit steht und auch noch "Würdenträger" ist an nationalsozialistisches Vokabular nahtlos anknüpft, dann ist das schon ein Grund, das öffentlich zu diskutieren, finde ich.