lieber fckw!
ohne dein herangehen an die astrologie stören zu wollen, einfach ein paar ideen, die mir zu deinem statement gekommen sind...
fckw schrieb:
Astrologie bedarf offenbar einer grossen Geübtheit zur Deutung von Kombinationen. Das ist auch gleichzeitig ein Problem: Die ganze Sache wird sehr schwammig und dehnbar - zumindest für den Laien.
Die Deutung halte ich tatsächlich für das größte Problem bei der Nutzung von Astrologie. Sie als Abbild einer Ordnung herzuleiten, ist vermutlich viel leichter zu begründen als die Plausibilität einer Deutung. Wobei die Medaille für mich zwei Seiten hat, eine philosophisch/erkenntnistheoretische und eine pragmatische. Philosophisch stellt für mich das Horoskop - bzw. ein Horoskop, denn in der Deutung kann ja weit mehr als nur das Geburtshoroskop herangezogen werden - ein in einem abstrakten Code formuliertes Abbild eines Holons innerhalb einer Holarchie dar. Wenn ich nun zu deuten beginne, greife ich Einzelaspekte aus dem Gesamtzusammenhang heraus und isoliere sie, um überhaupt darüber sprechen zu können ... jeder Begriff ist eine solche Vereinzelung, der somit dem Begriffenen gleichzeitig auch den Charakter des von seinem Kontext abgelösten verleiht - LaoTse: "Könnte ich nennen den Namen, es wäre nicht der ewige Name..." - und wir brauchen das, was Wilber als die drei Stränge Injunktion, Erkennen und Bestätigung beschreibt, um über ein "Wissen jenseits der Vereinzelung" kommunizieren zu können.
Einigermaßen eindeutig sind solche Deutungen nur dort, wo sie sich auf eine Erfahrungsbasis beziehen, die kommun ist, also auch kommunizierbar. Und selbst dort ist es immer nur der Blick auf die Spitze des Eisbergs, das Ganze drumherum und unten drunter entzieht sich dem unmittelbaren Betrachten, ist aber keineswegs wirkungslos, wie wir seit der Titanic wissen. Und dergl. mentale Akrobatik mehr...
Pragmatisch kommt die empirische Basis der Astrologie in der Deutungsarbeit zum Tragen. Ich nehme hier mal den Verzicht auf die kausalen Zusammenhänge vorweg - eine Konstellation deuten heißt (für mich): Immer wenn eine bestimmte Konstellation von astrologischen Elementen gegeben ist, entspricht sie mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit einem bestimmten Verhalten ... das ist einfach Beobachtung von sehr Vielen an sehr Vielen, nicht zuletzt auch ein Ausfluss der Meinung, der Mensch sei ein Gewohnheitstier. Wenn wir das, was eine ast. Konstellation bezeichnet, einmal als Beschreibung eines Verwirklichungspotenzials anschauen, dann ergibt sich neben dem Mainstream des Verhaltens aber auch an den Rändern der Verteilungskurve ganz Anderes ... nur eben nichts, was nicht der inneren Ordnung dieses Verwirklichungspotenzials entspräche.
Thorwald Detlefsen, den ich nicht mehr so wirklich gern zitiere, seit er zum Kirchenvater mutiert ist, hat mal das Beispiel des gespannten Mars-Saturn-Aspekts gebracht ... grob vereinfacht Energie gegen Widerstand. Diese Konstellation kann bedeuten, dass du Karate-Weltmeister wirst oder aber mit dem Auto gegen einen Baum knallst. Wenn ich deine Biographie kenne, werde ich das weniger schwammig deuten können ... aber auch wenn du mit den besten Gewinnaussichten als austrainierter Sportler auf dem Weg zur Karate-WM bist, könntest du gegen den Baum knallen...
Soviel zur Eindeutigkeit und erst recht zur Prognose... aber ich meine auch, dass "Schwammigkeit" nicht der Gegensatz von Eindeutigkeit ist. Nicht nur in der Astrologie ist Vieldeutigkeit eine Begleiterscheinung unseres Lebens ... erst durch unser Hinschauen werden die Dinge (für uns und für den Augenblick) eindeutig bzw. bedeutsam. Was sie aus der Sicht einer anderen Wahrnehmungsebene "wirklich" sind oder was sie "tatsächlich" bedeuten oder ob sie überhaupt etwas bedeuten, was über den Horizont des Deuters hinausgeht (und wer deutet dann verbindlich?) ... Fragen ohne Ende. Da ist die pragmatische Unschärfe ein Segen
Gleichzeitig bietet Astrologie eine gute Hilfe zur Selbsterkenntnis. Indem die eigenen Konstellationen einem Deutungsversuch unterzogen werden, setzt man sich unweigerlich mit den eigenen Charakterzügen und Verhaltensmustern auseinander und gewinnt so vertiefte Kenntnisse über sich selbst - einmal mehr unabhängig davon, inwiefern nun Astrologie als solches tatsächlich eine weitergehende Aussagekraft besitzt oder nicht. Das scheint mir ein sehr wertvoller Beitrag der Astrologie zu sein.
Das seh ich so ähnlich etwa auch beim Tarot, der ja "rational" noch viel weniger begründbar erscheint als die Astrologie. Tatsächlich kannst du hergehen und die Planeten und Häuser und Aspekte weglassen und nur mal die innere Ordnung des Tierkreises betrachten, der ja nicht willkürlich genau diese Kreisformation und keine andere einnimmt - zum Beispiel die Abfolge seiner Attraktoren als Entwicklungszyklus betrachten. Und dann dich dazu in Beziehung setzen. Schon das kann viel bringen und schult vor allem auch das "Kennenlernen" der Grundcharaktere der Astro-Archetypen.
Bisher erschliesst sich für mich nach wie vor kein logisch nachvollziehbarer Kausalzusammenhang, der mehr ist als reine Spekulation. [...] Aus der Tatsache, dass kein solcher Zusammenhang ersichtlich ist, kann aber wie erwähnt nicht geschlossen werden, dass kein solcher existiert.
Da schließ ich mich gern Namo an. Ich meine auch, dass Kausalität weder für die Begründung von Astrologie notwenig ist noch dass sie in vielen anderen Bereichen tatsächlich jene Rolle spielt, die wir ihr gern geben. Vielleicht ist auch Kausalität nur ein Deutungs-System von Wirklichkeit.
Ich kenn mich da auch nicht wirklich aus, aber ich hab über sehr spannende Experimente in der Quantenphysik gelesen, die unsere Vorstellungen von Kausalität ziemlich auf den Kopf stellen. Und bei den allermeisten komplexen Phänomenen kannst du im Nachhinein Zusammenhänge ausmachen, die kausal erscheinen - aber auch nie die Kausalketten so in die Zukunft weiterknüpfen, dass daraus verlässliche Prognosen entstehen. Wie wird das Wetter morgen? Da gibt es auch jene Meteorologen, die durch immer feinere Erfassungsnetze der Messdaten, immer größere Datenmengen und immer schnellere Computer versuchen, das Wettergeschehen berechnen zu können ... und da gibt es jene Meteorologen, die die Attraktoren der Chaos-Wetterküche betrachten und ... welchen kausalen Zusammenhang hat es, dass der Wirbel eines Tornados aus der Satellitenperspektive wie die Spirale einer Galaxis aussieht? Könnte es sein, dass hier ein "strange attractor" von kosmischer "Gültigkeit" formbildend ist? Und falls ja, was bedeutet das?
Okay, ich hör auf mit dem Verwirrspiel. Ich hab vor vielen, vielen Jahren schon meine Lehrerkarriere an den Nagel gehängt, weil ich fühlte, dass ich viel lieber Fragen stelle als aus der Illusion des Wissenden heraus Antworten zu geben... wobei ich mich schon sehr oft und eigentlich meistens sehr wohl damit fühle, mit 5 und -7 pragmatisch zu operieren und um Pi einen Bogen zu machen
Alles Liebe, Jake