Hallo zusammen,
bei den meisten Beiträgen zum Thema Empathie werde ich den Gedanken nicht los, daß dieser Begriff falsch verstanden und auf die Sensibilität zur eigenen Gefühlswelt reduziert wird. Sicherlich spielt diese Sensibilität auch bei der Empathie eine Rolle, nur steht bei der Empathie weniger die eigene, sondern die Gefühlswelt anderer im Mittelpunkt des Interesses.
Eine stark betonte Gefühlswelt ist noch lange kein Garant für eine ausgeprägte emphatische Fähigkeit, denn dazu bedarf es noch weiterer Faktoren. Körpersprache, Gestik, Mimik und die Stimmmodulation des Gegenübers sind die eigentlichen sensorischen Informationen, die uns befähigen, dessen Gefühle nachempfinden zu können.
Um jedoch über die allgemeinen emphatischen Fähigkeiten jedes Menschen gelangen zu können, ist das Verständnis zu diesen Mechanismen unabdingbar, denn nur wer die Dinge versteht kann sie auch gestalten.
Es ist doch wichtig den Ausgangspunkt der Gefühle zu erkennen, nur so weiß ich dann auch, was zu meiner oder der Gefühlswelt des Gegenübers gehört. Das Verständnis um diese Sprache ermöglicht mir dann auch, mich meinen Mitgeschöpfen bewußte mitteilen und auch klare Botschaften senden zu können. Empathie ist also keine Einbahnstraße oder Nabelschau, sondern ein kommunikativer Austausch von Informationen.
Wer seine spirituelle Welt in den Bereich der Hellfähigkeiten und der Hexenkünste ausdehnen möchte, ist gut beraten, wenn er auch seine emphatischen Fähigkeiten ständig im Auge behält und trainiert.
Merlin
Ja, ich finde es eine schöne Idee, die Empathie als Mechanismus unserer Wahrnehmung zu verstehen.
Wahrnehmung besteht per definitionem aus dem Eingehen von Sinnesinformationen - auch aus der eigenen Gedanken- und Gefühlswelt. Danach geschieht eine uns meist unbewusste Verarbeitung des Wahrgenommenen. Welche Qualität diese Wahrnehmungsverarbeitung hat ist entscheidend dafür, was von den eingehenden Sinnesinformationen genau für Informationen ausgehen und dann aufgenommen/ erkannt werden.
Teil dieser Verarbeitungs der Sinnesinformation ist die Bewertung: kenne ich das, was ich wahrnehme? Ist es vielleicht gefährlich? Und reflexhaft bestimmen wir im Wahrgenommenen gut und böse, besser und schlechter, hell und dunkel.
Das Ich nun, das aus diesem Verarbeitungsprozess die Informationen erhält, ist das, was sich bilden läßt und schulen. Ein Auge an sich kann nicht lernen wie ein Mensch, ein Gehirn, das keinen bewussten Bediener hat, wird weder wachsen noch wandeln.
Sagt dieses Ich nun: Ich bin Empath - dann kann man vermuten, daß das Ich ein höheres Maß an Sinnesinformationen aus dem Internen bekommt und das Externe vielleicht sogar schlechter geordnet wahrnehmen kann, als ein Anderer. Daher hat der Empath wohl auch seine Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung, denn er nimmt überwiegend sich selbst wahr und die in ihm ausgelösten Gefühle und Gedanken. Distanziert er sich nicht von denselben als Wahrnehmungsinhalte, dann leidet er unter der Art und Fülle dieser internen Informationen.
Daher ist es gut, den Mechanismus der empathischen Wahrnehmung genauer zu beschreiben bzw. es zu versuchen. Was ich beobachte ist Folgendes:
1. eine Sinnesinformation erreicht mich. Via meine Augen sehe ich die Mimik und Gestik etc. eines Menschen und diese gehen in mich ein. Ausserdem spricht der Mensch- ich erhalte also auch akkustische Reize, Sprache mit Bedeutung um genauer zu sein.
Im Normalfalle höre ich dann die Sprache und reagiere auf sie. Im Empathen jedoch passiert Schritt zwei:
2. Es geschieht ein Abgleich der aufgenommenen Informationen mit den eigenen Gefühlen. Dort, wo eine Gefühlserfahrung im Empathen bereits so gemacht wurde, daß das Gegenüber "mitgefühlt" werden kann, wird im Empathen dann dieses erkannte Gefühl ausgelöst.
Daher sagt man: Gekonnte Empathie basiert Einfühlungsvermögen. Und weniger auf dem Mitfühlen, das einfach so passiert und in manchen mehr und in manchen weniger. Ansonsten kann es dazu kommen, daß man sich im Mitfühlen selber verliert - eine Erfahrung, die jeder Empath wohl mal machen muss. Natürlich ist aber das Mitfühlen genauso eine wünschenswerte menschliche Qualität wie das Einfühlen - es sind nur 2 verschiedene Dinge. Einfühlen ist wie einmal an einer Tasse Tee zu nippen, Mitfühlen ist schlimmstenfalls, in die Teetasse hinein springen zu wollen. Auf jeden Fall muß man mehr Tee trinken und kann dann darin er-trinken.
3. Es folgt eine kognitive Entscheidung. Wie tief kann das Einfühlen gehen, ohne daß ein blosses Mitfühlen geschieht? Erinnern wir uns, daß sich Kommunikationsfähigkeit u.a. durch die Kontrolle des Gefühls in uns erhöht. Verfallen wir unseren Gefühlen, so leiden wir, sagt der Buddhist sogar. Wer also mitfühlt, der leidet mit und kann nicht helfen, nicht beraten, letztlich natürlich auch nicht verstehen. Sondern er labt sich selbst im Sitzen-in-der-gleichen-Suppe-wie-andere-Menschen. Er fühlt sich verbunden und backt sich ein Emotionalei darauf. Fühlt sich besser, höher, weiter, weil verbunden.
Dem Opfer des Empathen ist aber mit seiner Eindringerei nicht gedient. Es benötigt Distanz, um zu verstehen, um beim Erkennen des eigenen Gefühls zu helfen. Wer mitfühlt, kann diese Distanz nicht haben. Wer sich einfühlt, der hat sie und bleibt in sich selber unversehrt durch das Gefühl anderer Menschen.
Die Fähigkeit ist also, die Grenze zu ziehen zwischen mir und Dir. Nach meinem Geschmack ist die Grenze "ich bin Empath, daher nehme ich Dich anders wahr als Du mich" unappetitlich und falsch. Und vermute daher dahinter eher Störungen der Aufmerksamkeit.
LG !