Christoph schrieb:
Das, was sich zeigt, kann nicht "-lastig" gemacht werden.
ich denke, da sind wir beim knackpunkt. hinter dem, was sich zeigt, steht das, was ist. darüber sagt laotse: könnten wir nennen seinen namen, es wäre nicht sein ewiger name. und wittgenstein: wovon wir nicht reden können, darüber müssen wir schweigen. in diesem sinne sind mir viele - die allermeisten - esoteriker zu schwatzhaft.
was sich zeigt, wird mir durch meine wahrnehmung vermittelt. damit ist es schon einmal "-lastig". gefiltert durch die vielschichtigen modulationen meiner wahrnehmung. was sich zeigt, ist für dich und für mich und für noch irgendwen dreierlei ... ohne dadurch etwas anderes zu sein als das, was es ist. im spannungsfeld zwischen dem, was ist, zwischen dem, was sich zeigt und zwischen dem, was wir - ein jeder auf seine weise - wahrnehmen, da scheiden sich die geister. dieses spannungsfeld kann ich wissenschaftlich untersuchen, ich kann es esoterisch erschließen oder einfach "aus dem bauch" darin leben. keine der drei varianten muss der anderen feindlich im wege stehen, meine ich.
esoterik ist keine "geheimlehre" (dann wäre einn www-forum dazu ja geradezu paradox), sondern das bemühen um die zusammenhänge, die dem innewohnen, was ist und was sich zeigt. exoterik befasst sich mit dem, was an schnittstellen außen anhaftet, was kausale funktionalitäten beschreiben lässt. beide haben mit der wahrheit dessen, was ist, zu tun.
in diesem zusammenhang ist konstruktivismus für mich nichts anderes als die erkenntnis in demut, dass die art und weise, in der sich das, was sich zeigt, mir vermittelt, meine subjektive ist und dass das auch nicht anders möglich ist. das sagt überhaupt nichts aus darüber, dass das, was ist, ein konstrukt wäre oder auch das, was sich zeigt. meine wahrnehmung ist mein konstrukt.
darum kann ich durchaus nachvollziehen, dass manche, die entsprechend indoktriniert vorgefiltert sind, esoterik grundsätzlich als risikofaktor für braune hirnverkleisterung betrachten. das bewegt sich auf dem gleichen niveau wie jene hirnverkleisterung, die nach entsprechender ideologischer indoktrination für alle unbill die juden verantwortlich macht oder die illuminaten oder die außerirdischen. wer das, was sich zeigt, nur durch die linke brille betrachtet, sieht in allen, die das, was sich zeigt, durch eine andere brille betrachten, potenzielle rechte. und wer das, was sich zeigt, durch eine indoktrinierte brille betrachtet, neigt dazu, alle anderen, die anders indoktriniert sind, und auch jene, die daran arbeiten, ihre indoktrinationen abzulegen und ungefilterter hinzuschauen, als feinde seiner eigenen verblendung, die er erhalten möchte.
es wäre schön, wenn wir uns auf das als gesicherte basis zurückziehen könnten, "was sich zeigt" - aber es bleibt halt doch nur das davon übrig, was wir wahrnehmen. und damit die auseinandersetzung, das missverständnis, von dem ich immer wieder mit de shazer hoffe, dass es ein konstruktives sein möge.
Der Kampf um die Vormacht der eigenen Gedanken und Überzeugungen aber ist einer, der immer wieder neuen Widerstand schürt. Er integriert nicht sondern er trennt und verdrängt. Dies gilt auch für die Unterwerfung des Anderen wie auch seine Überwachung und vernichtung. Im Namen von etwas Höherem und Größerem, dem man zu dienen vorgibt (und sei es die vermeintliche "Freiheit")wird dann noch die eigene Verantwortlichkeit für das Tun abgegeben. Was ist das Anderes, als es die Faschisten tun?
eben. solange ich dabei bleibe, mich um die klarheit der vermittlung meiner sichtweisen zu bemühen, solange ich zu beschrieben versuche, wie "es sich mir zeigt", hat das mit kampf um die vormacht nichts zu tun. dann kann ich auch jeden anderen achten, der das, was sich zeigt, anders wahrnimmt und es auf seine weise darlegt. faschismus beginnt dort, wo das, was sich zeigt, verbindlich interpretiert wird. in theologischer sprache: wenn hermeneutische vielfalt durch ein dogma ersetzt wird. oder ganz einfach: wenn ein "das sehe ich so" durch ein "das ist so" ersetzt wird. das ist immer dann der fall, wenn mir die bedenkenlose gefolgschaft mehr brustumfang verleiht als das eigenverantwortliche nachdenken und einfühlen.
alles liebe, jake