Eine Stadt namens Mittwoch

Suchend ging ich nun über den Marktplatz. Fast hätte ich das Lokal zunächst übersehen, aber die freundlichen Passanten von vorhin wiesen mich auf ein kleines Schild hin, auf dem "Tulipan" stand - und das Bild einer Tulpe.

Von außen unauffällig und leicht zu übersehen, so gefiel mir das Lokal schon im ersten Augenblick, in dem ich es betrat.

"Just what the doctor ordered!" würden die Engländer sagen.

Es war genau der Stil, den ich mag: Nicht zu primitiv, aber auch nicht so falsch-vornehm.

Es war gleichzeitig gemütlich und elegant.

Nicht zu voll und nicht zu leer.

Die Wände waren in einem ungewöhnlichen aber harmonischen Lichtgrün, mit schön dazu passenden Aquarellen einer regionalen Künstlerin. Als Motiv tauchte da manchmal die Tulpe oder andere Blumen auf.

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Nun zum Essen selbst - denn die schönsten Wände helfen ja nicht, wenn das Essen schlecht ist!

Die Speisekarte war auch ganz nach meinem Geschmack:

Sehr abwechslungsreich, und viele neue Dinge zum Entdecken und Ausprobieren.

Denn wenn ich in Polen oder sonstwo im Ausland bin, möchte ich nicht ausgerechnet Wiener Schnitzel mit Pommes Frites essen.

Mein Hotel in Breslau hatte mehr die gesichtslose "Internationale Küche", hier aber konnte ich echt polnisch essen.

Und das Beste:
Die junge Kellnerin war sehr nett und sprach zu meiner Überraschung fließend Deutsch!

Freundlich erklärte sie mir, wenn ich etwas auf der Speisekarte trotz meines deutsch-polnischen Wörterbuchs nicht verstand.

Ich weiß nicht mehr genau, was ich bestellt habe. Jedenfalls war es etwas, das mir neu war und mir gut geschmeckt hat. Und das polnische Bier dazu schmeckte auch gut, ebenso wie das Dessert.
 
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Und nun komme ich zur Erklärung des Titels meiner Geschichte.

Ich kannte bisher nur den polnischen Namen des schönen Städtchens. Weil ich hier auf der Tastatur die polnischen Zeichen nicht korrekt wiedergeben kann, versuche ich mal die Aussprache zu imitieren:

"Sroda Slaska" wird etwa so ausgesprochen: *Schroda Schlonska*, wenn ich mich recht erinnere.


Nun fragte ich die Kellnerin vorsichtig, wie die Stadt denn vorher geheißen habe, zur deutschen Zeit. Es war mir klar, daß dies ein heikles Thema sein könnte, aber ich wollte es halt wissen und fragte so höflich wie möglich.

Die Kellnerin nahm mir die Frage auch nicht übel, aber sie wußte die Antwort nicht.

Hilfreich aber übersetzte sie mir den Namen "Sroda Slaska" ins Deutsche.

Und das ist es, was er in etwa bedeutet: Mittwoch in Schlesien :)
 
Langsam war es an der Zeit, an den Rückweg zu denken ....

Ich hatte mir einen Zug ausgesucht, mit dem ich so gegen 16 Uhr wieder in Breslau sein würde, wo ich mit meinen Bekannten verabredet war.

Nun war mir die Zeit im "Tulipan" echt wie im Fluge vergangen. Ich konnte mich auch kaum losreißen von diesem so angenehmen Plätzchen. Und von der noch angenehmeren Kellnerin. :)

Aber einmal mußte es sein.

Ich brach zu einer Zeit Richtung Bahnhof auf, von der ich annahm, daß sie früh genug für den Abfahrtstermin des Zuges war.

Doch auf der Landstraße mußte ich leider bitter bemerken, daß ich mich da wohl etwas verschätzt hatte.

Auch beim schnellsten Gehen würde ich die Zeit nicht einhalten können.

Busse gab es praktisch nicht, und wenn, dann zu einer Zeit, die mir nichts mehr genützt hätte.

Das war nun etwas dumm, denn ich war ja verabredet. Was würden meine Bekannten in Breslau denken, wenn ich nicht mit dem angegebenen Zug am Bahnhof ankommen würde?

In Mittwoch verschollen ...

Handy hatte ich natürlich auch mal wieder keines ... meine Bekannten aber sowieso auch nicht ...

Stress ....
 
Irgendwie aber muste der Bahnhof von Mittwoch doch zu erreichen sein.

Da gab es nur eins: Per Anhalter fahren.

Früher hatte ich das ja oft genug gemacht, in einigen Ländern Europas.

Nun also mal in Polen!

Doch gab es da eine kleine Schwierigkeit: Meine Landstraße war nicht nur menschen-leer, sondern auch auto-leer.

Nach einiger Zeit aber hörte ich doch aus der ferne Motorengeräusch.

Ein Auto, ein Auto!

Doch wußte ich aus langer Erfahrung, das noch lange nicht jedes Auto auch einen "Lift" bedeutet.

Manchmal darf der arme Anhalter ja stundenlang umsonst am Straßenrand warten.

Doch dieses Auto hielt so selbstverständlich, als hätte ich es bestellt!

Und so endete die Reise nach Mittwoch pünktlich und glücklich am Bahnhof von Mittwoch!


Sl
 
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