Eine Geschichte zum Meditieren

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Sat Naam

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aus einem Zeitprogramm : Das offenen Auge

Es war in Kyoto, im Jahre 1941. Ein japanischer Freund hatte mir eine Begegnung mit Meister Haja Shi dem Abt des berühmten Klosters Mio Tshin Ji vermittelt.

Nun besteht in Japan die schöne Sitte des Schenkens. Der Gast bringt dem Hausherrn, wenn er zum erstenmal zu ihm kommt ein Geschenk mit, und ebenso zieht auch der Gast nicht ohne ein Geschenk zu erhalten, von dannen. Das am höchsten gewertete Geschenk ist eines, was man selber gemacht hat.
Und so sagte Meister Haja Shi, als nach einem guten und langen Gespräch die Stunde des Abschieds da war :
„Ich möchte Ihnen etwas schenken, ich male Ihnen etwas."

Zwei junge Mönche brachten die Malsachen herbei. Ein rotes Tuch wurde als Unterlage auf die Matten gebreitet, ein hauchdünnes Reispapier von etwa 60cm Höhe und 20cm Breite wurde darauf gelegt und oben und unten, damit es nicht rutschte, mit einem Bleistab beschwert. Dann wurden Pinsel und Tusche gebracht. Aber nicht etwa die schon fertige Tusche, sondern ein Stück harte Tusche, die man erst durch langes Reiben in einem ausgehöhlten Stein, in dessen Mulde etwas Wasser gegossen wird, in flüssige Tusche verwandelt.
In gelassener Umständlichkeit, so als wenn er unendlich viel Zeit hätte, und ein Meister hat immer unendlich viel innere Zeit, begann nun der Abt sich selbst die Tusche zu reiben. Hin und her und hin und her ging die Hand, bis allmählich das Wasser zum flüssigen Schwarz geworden war.
Ich wunderte mich, das der Meister das selber machte und fragte, warum man ihm diese Arbeit nicht abnehme.
Die Antwort war sehr bezeichnend :
Im stillen Hin- und Hergehen der Hand, die mit Sorgfalt die Tusche bereitet, wird man ganz ruhig. Alles wird still und nur aus einem unbewegt stillen Herzen kann etwas vollkommenes aufblühen.

Dann war es soweit.

Meister Haja Shi kniete auf dem Boden, d.h., er saß auf seinen Fersen, frei aufgerichtet mit heiterer Stirn, losen Schultern und jener für den im Sitzen geübten charakteristischen Gelöstheit des Oberkörpers, die von lebendiger Spannung erfüllt, die tragende Mitte des gefestigten Rumpfes zur Voraussetzung hat.
Mit einer unnachahmlichen ruhigen und zugleich flüssigen Bewegung ergriff der Meister den Pinsel. Einen Augenblick ruhten die Augen wie verloren auf dem Papier und dann war es, als mache sich der Meister nach innen ganz frei, auf daß das im inneren geschaute Bild ungestört hervorkommen könne. Ganz ungehindert von aller Sorge, es könne mißlingen, von allem Ehrgeiz, es müsse gelingen.

Und so kam es dann auch heraus.

Mit sicheren Strichen entstand ein Bild der Quannon, der Göttin der liebenden Zugewand-heit. Mit ganz feinen Zügen erst das Gesicht, mit kräftigeren Strichen dann das fließende Gewand und die Blütenblätter, auf denen sie saß.

Und dann .., ja, dann kam der Augenblick, um dessen Willen ich diese Geschichte erzähle :
„ Das Malen des Heiligenscheines, der den Kopf der Quannon umgab, d.h. das Malen des vollendeten Kreises !"

Wir alle die Zeugen waren, hielten den Atem an, denn die meisterliche Bekundung letzter Gelassenheit, diese Begründung der souveränen Freiheit von aller Angst in einem unstörbar sich vollendendem Tun, ist immer wieder ein tiefgreifendes Erlebnis. Man muß wissen, daß auf diesem hauchdünnen Papier jedes Stocken, jedes Innehalten des Pinsels einen Flecken erzeugt und alles verdirbt.

Aber, ohne auch nur einen Augenblick zu verhalten, tauchte der Meister den Pinsel in die Tusche, streifte ihn etwas ab, setzte ruhig an, und ...... als sei es das einfachste Ding der Welt, schrieb er gleichsam den vollkommenen Kreis aufs Papier, das vollkommene Rund, daß nun wie die Ausstrahlung göttlicher Reinheit den Kopf der Quannon umfing.

Ein ganz unvergeßlicher Augenblick !

Und dann war eine so gute Stille im Raum. Auch der vollendete Kreis vor uns spiegelte nur die Stille, die vom Meister ausging.

Als Meister Haja Shi mir das Blatt überreichte, dankte ich Ihm mit der Frage :
„Wie macht man es nur, ein Meister zu werden ?"

Worauf er mit einem leisen Lächeln antwortete :

„Einfach den Meister, der in uns ist, heraus lassen !"
 
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danke. danke fuer diese herzliche geschichte!!

auch mich wird sie begleiten wenn ich meine kreise durch kopenhagen ziehe.

Liebe Gruesse
 
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