Wie kannst du unterscheiden, was vom Verstand kommt, und was nicht, Paul? Das Herz macht keine Unterschiede und ist also nicht geeignet, um sowas auseinanderzuhalten.Paul schrieb:Und nein, ich meine nicht etwas vom Verstand kommendes...
Wie also sonst unterscheidest du hier?
@Lotusz:
R. - du meinst Reschke? Na, Freunde sind wir wohl nicht. Ich schätze seine Texte und benutze sie, um bei mir selbst Dinge zu klären, das ist auch grad mal alles. Aber weisst du, ich glaube, ihm ist das komplett egal, ob er einmal zu den Glücklichen zählt oder nicht.Lotusz schrieb:Und genau das ist auch der grosse Denkfehler deines Freundes R. Auch er wird nie zu den Glücklichen zählen, obwohl er doch alles so genau weiss.
Da geb ich dir völlig recht, ich bin vermutlich keineswegs der glücklichste Mensch der Welt.Eins scheint an deiner Theorie nicht zu stimmen. Eigentlich müsstest Du der glücklichste Mensch der Welt sein. Davon merke ich allerdings meistens nicht sehr viel.
Aber nicht ich war derjenige, der das Kriterium des Glücklichseins in die Welt gestellt hat, sondern du warst das. Ans Glücklichsein habe ich nie geglaubt.
Das ist es auch genau, was ich an jenen Yogis zu kritisieren habe, und wo ich die Zen-Leute eindeutig jenen vorziehen würde. Ich glaube, die Yogis haben bei den Leuten einen ziemlich falschen Eindruck erweckt und danach nichts mehr getan, um diesen Eindruck zu korrigieren. In meinen Augen ist das, was sie als Glückseligkeit beschreiben, auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Es ist immer ein vorübergehender Zustand, und ausnahmslos jeder Zustand des Gemüts ist vorübergehend. Glücklichsein ohne Ende, ich kann mir nicht vorstellen, wie sowas funktionieren könnte.
Im Zen versprechen sie dir nichts dergleichen. Das einzige, was sie dir geben ist: "Wenn ich schlafe, dann schlafe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich trinke, dann trinke ich." Kein Wort von Glückseligkeit. Einfach nur völlig alltägliche Tätigkeiten.
Du kannst mir glauben, dass ich auch schon ausgelöst durch Meditation in Zuständen unglaublichen inneren Glücks gelangte, aber dies waren immer nur Zustände, und sie hielten immer nur ein paar Tage, bestenfalls einmal 2 Wochen an.
Ich vermute, was die Yogis meinen, ist eigentlich etwas ganz anderes, aber sie haben es ziemlich schlecht ausgedrückt. Denn etwas hat sich bei mir durchaus geändert, aber das ist nichts, was du oder jemand anderer mir ansehen könnte. Es lässt sich weder aus meinem Verhalten rauslesen, noch sonstwie erahnen, denn es ist ganz tief innen.
Was ich bekommen habe ist eine Art endgültiges Wissen, wo vorher nur Vermutung waren. Das berühmte Beispiel mit dem Ozean und den Wellen ist gar nicht mal so schlecht, es ist genau das: Ich habe zum erstenmal den Ozean gesehen. Und diesen Anblick, wenn du ihn einmal hast, kannst du nicht mehr vergessen. Da kann es noch so stürmisch zu und hergehen auf der See, und die Wellen können 30m hoch sein, in dir bleibt immer das stille Wissen darum, dass es alles nur der Ozean ist. Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit Glückseligkeit oder sowas, denn es schenkt dir allenfalls ein Gefühl der Ruhe oder Gelassenheit - aber auch das nur im besten Fall! Es ist eine Art Paradoxon: Einerseits setzt diese Erkenntnis einen Prozess in Gang, von dem du erkennst, dass er niemals mehr enden wird (bis zu deinem Tod andauern wird). Du beginnst dich jetzt Stück um Stück zu lösen von falschen Identifizierungen. Dadurch gewinnst du nach und nach Abstand zu dir selbst und damit auch Ruhe und Gelassenheit.
Gleichzeitig fallen auch nach und nach alle Schutzpanzer um dich herum ab, und du wirst dem Leben, den Emotionen, den Aggressionen anderer immer ungeschützter und hilfloser ausgesetzt. Es kommt immer mehr auf dich zu, und du wirst heftig hin- und hergeschüttelt, viel heftiger und stärker als jemals zuvor, aber da ist auch unzerstörbar jenes Wissen, das ich beschrieben habe. Alle Emotionen tragen gewissermassen denselben Geschmack, und auch wenn du das immer wieder vergisst, du erinnerst dich früher oder später immer wieder daran, und leise und mit einem Lächeln auf den Lippen stiehlst du dich wieder davon.
Womöglich, das kann ich nun nicht ausschliessen, wenn du so weit gekommen bist wie jene Yogis, dann womöglich wird aus dieser inneren Gelassenheit mit der Zeit eine tiefe Freude über die Erscheinungen des Lebens, die einigermassen von dauerhafter Natur ist. Das möchte ich nicht mal ausschliessen, bloss ist das so weit von meinem Zustand und von mir entfernt, dass es für mich keinen Sinn macht, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Wenn's kommt, dann ok, wenn nicht, dann auch ok.