Hallo Fist,
ich denke, du machst den Schopenhauerischen Denkfehler, der ebenso annahm, dass ausserhalb der Vorstellung (also des Geistes) des Menschen nichts realität besitzt (also nicht vom Grunde auf ist)
Ich sagte nicht, daß Zeit überhaupt nicht ist, sondern nur daß Zeit nicht wahrhaft, d.h. objektiv, d.h. nicht aus sich selbst heraus sondern nur relativ als ein vom Wahrnehmer abhängiges Objekt existiert. Etwas, das in Abhängigkeit existiert ist nicht ein separates, wahrhaftes Etwas sonden ein relatives, abhängiges etwas. Ein abhängiges Etwas hat niemals eine eigene Wesenhaftigkeit und ist in diesem Sinne nicht absolut real, d.h. wahr. Das gilt auch für den Wahrnehmer selbst und für die Wahrnehmung der Wahrnehmung usw. ebenfalls.
aber wie können unsere Sinne von etwas reize erhalten, dass nicht vorhanden ist, oder noch mehr, wie wollen inexistenze (bzw nur im Geiste erdachte) Sinne Reaktionen in unseren Geist übermitteln, oder anderst formuliert, wie will etwas ireales von etwas irealem ein Bild erschaffen können, dass dann real ist????? Und noch schlimmer... wie kann ein Bild im Geiste vom Grunde auf (a Priori) sein, wenn es doch zur Gestalltung des Bildes Sowohl Sinne, wie auch einen Reizeinfluss auf die Sinne braucht...
Das geht alles problemlos, wie man im Traum gut beobachten kann: dort werden laufend inexistente Dinge als von aussen kommend wahrgenommen und in Wahrheit kommen sie aus dem eigenen Geist. Im Traum habe wir aber nicht den Eindruck, daß wir selbst die im Traum erzeugten Wirklichkeiten träumen sondern sie erscheinen und als vollkommen real. Ansonsten kennen wir Halluzinationen, die durch Drogen ausgelöst werden auch im Tagbewusstsein und jede Menge anderer, weniger drastisch erscheinende Täuschungen.
Wenn wir in unserem Geiste ein Begriff der Zeit haben, so kann das ja nur deswegen sein, weil wir in unserem leben den Ablauf der Zeit erleben, wir haben Erfahrung, Erinnerung und Erlebnisse mit dem Faktor Zeit...
Klar, die Erfahrungen erzeugen die Zeit, das stimmt. Die Erfahrungen erzeugen auch ein innen und aussen, d.h. ein Leben da draussen und uns als Erfahrende, die dieses Leben erleben, so als wäre es etwas ausserhalb von uns. Die Hirnforschung hat ergeben, daß alles was wir wahrnehmen letztlich eine auf chemisch-elektrischer Basis erzeugte Signalverarbeitung der Nervenzellen ist. Reizauslösungen, Bilder im Kopf, Wahrnehmungen, Gedanken sind nichts anderes als innerhalb des Gehirns generierte Signalmuster, die in einer bestimmten Weise interpretiert werden. Ob da eine Schnittstelle, ein Aussen im Spiel ist, kann nicht gesagt werden, weil selbst die Vorstellung von einem Aussen ein Ergebnis dieser Verarbeitung ist. Eine Entsprechung dieser Signalmuster mit einer Aussenwelt ist also nicht nachweisbar. D.h. das nach dieser Logik auch die Hirnforschung selbst das Ergebnis solcher Signalmuster sein muss. Der Geist schiebt diesen Mustern Bedeutungen und Namen unter und suggeriert so das übergeordnete Muster einer Realität. Doch Realität selbst ist nichts weiter als eine Auswertung, eine Etikettierung dieser Muster. Im Innersten besitzen diese Muster keinerlei Realität, wohl aber eine Funktion, die der Geist sich selbst gegeben hat, nämlich die der Erhaltung der Muster. Auch Erhaltung der Muster ist nichts anderes als so ein Muster... usw. Das übergeordnete Konzept ist wohl das der Identität.
Klar sind wir rein Materiell immer in der Gegenwart, aber Gegenwart ist ein sehr fiktiver begriff, wenn man ihn Fix, engültig und ohne Fluss annimmt... denn schon die Griechen wussten dass alles Fliest...
Richtig, Gegenwart ist ebenso ein fiktiver, d.h. konstruierter Begriff wie alle anderen Begriffe auch, also auch das Fliesen der Griechen... bin ja selbst einer
Vorsicht: das ist alles nicht wirklich wahr, aber es funktioniert
oder?
Das Fließen von allem ist ebenfalls ein auf Erfahrung gründender Eindruck.
Wir mögen zwar immer in der Gegenwart sein, aber die Gegenwart von heute ist nicht die gegenwart von gestern, Gestern waren wir an der Quelle des Flusses, heute sind wir irgendwo im Fluss und morgen sehen wir schon das Meer... kurzum, wir wissen um die Zeit, und zwar nicht als Gedankenkonstrukte, sondern als Realen Ablauf in unserem leben, wir sehen die Auswirkungen der Zeit überall im Leben, im Garten, am Himmel, an unseren Runzeln..
Ja, innerhalb unserer Erfahrungen funktioniert der Begriff der Zeit und der Begriff des Fliesens. Aber eben nicht absolut. Über das Absolute können wir keine Aussagen machen, d.h. wir können schon, aber sie sind nicht absolut, weil wir nicht einmal wissen was wirklich und absolut eigentlich genau ist. Nu ja, macht auch nicht wirklich was, bis auf Kopfschmerzen
kein Wunder, daß die alten Griechen ausgstorben sind...
Und auch die Begriffe Vergangenheit und Zukunft sind uns real bewusst, wobei die Vergangenheit uns stärker klar ist, weil sie Fix ist, vollendet, abgeschlossen, aufgeschrieben, abrufbar, erlebt... aber sie ist da, bzw war da, wir können uns erinnern, waren anderst, wir können einen Fluss in ihr feststellen, wir sehen einen unterschied zwschen jetzt und vor vier Jahren... und im Analogieschluss können wir von der vergangenheit auf die Zukunft schliessen, was primär einfach heisst : weil in der Vergangenheit Chronologische Phänomene feststellbar sind, können wir annehmen, dass auch in der Zukunft Chronologische Abläufe passieren werden...
Unser Bewusstsein ist fixiert auf wenige Erfahrungsmomente. Wir nehmen aus allen verfügbaren Erfahrungen einige besonders plastisch erscheinende heraus und diesen geben wir semantische Merkmale, Bewertungen, Namen und Funktionen anhand derer wir sie zu unterscheiden vermögen. Aber diese Unterscheidungen sind nicht real im Sinne von objektiv, sondern eben das Ergebnis selektiver Wahrnehmungstätigkeit. Wir erklären das für real, was in unseren Erfahrungen funktioniert, ach Gott ich wiederhole mich ja dauernd.... d.h. wir haben ein Konzept von Funktionieren (Ursache-Wirkung, Naturgesetze) entwickelt und in dieses passen wir die erfahrene Wirklichkeit ein oder schliessen das Nicht-Funktionierende aus. Beispielsweise funktioniert die Projektion eines Elefanten zusammen mit der Projektion eines Rüssels, aber die Projektion eines Elefanten zusammen mit einem Flugzeug funktioniert nicht. Logische Schlussfolgerungen basieren auf den geistigen Eindruck der Reproduzierbarkeit und des Funktionierens von Erfahrungen. Treten bestimmte Erfahrungen unter bestimmten Bedingungen häufig genug ein, schließen wir aus dieser Wiederholung der Erfahrung schnell auf deren absolute Realität. Können diese Erfahrungen von anderen bestätigt werden, untermauert dies die Gültigkeit der Schlussfolgerung. Usw. usw. usw. Ein sehr raffinierter Mechanismus das ganze, inklusive dieser ganzen Erklärungsversuche - aber es hält halt einer genaueren Betrachtung nicht wirklich stand, egal von welcher Seite man da ran geht.
Man kann es eigentlich auch viel einfacher sagen: wir wissen rein gar nichts über die Wahrheit oder Wesenheit von irgendwas. Und selbst das ist ungewiss
Darum sagen die Buddhisten: Form ist Leerheit, Leerheit ist Form. Das ist wirklich sehr elegant.
wie auch immer
Genau!
Gibt es eine wie auch immer geartete Methaphysische Ebene, und wenn ja, wie können wir einblick in sie erlangen (und können wir das überhaupt)....
Erschaffst Du eine metaphysische Ebene wirst Du auch irgendwann eine finden. Die Frage wird dann aber sein: gibt es darüber hinaus noch eine andere metametaphysische Ebene usw.
Wie auch immer. Fortsetzung folgt!
Gruss !
Haris