Der Geist des Menschen existiert nirgendwo ("
Keine Seele im Inneren).
Tatsächlich gibt es da etwas, was ich aber (wie gesagt) nicht beschreiben kann. Es ist das "eigentliche" Bewusstsein, welches das Leben hervorbringt, aber es ist weder im menschlichen Geist noch im Körper - vielmehr ist der Körper im Bewusstsein.
Es kann erkannt werden, wenn die Illusion fällt und das Bewußstsein sich selbst erkennt (Satori). Jede Trennung ist dann aufgehoben.
Darum sind alle Verdienste zwar überdauernd, aber für die individuelle Person spielen sie keine Rolle. Sie stirbt einfach und hinterlässt ihren "Nachlass" (gute Eindrücke hinterlassen & positives Wirken oder negative Eindrücke hinterlassen durch negatives Wirken), aber die Person wird nicht wiedergeboren. Eine grosse Rolle spielen sie aber für die Menschheit schlechthin, und damit wieder indirekt für die verstorbene Person.
Es ist einfach einzusehen: wenn Dich mit allen Menschen ein tiefempfundenes Mitgefühl verbindet, wie kannst Du Deinem Nächsten etwas Schlechtes antun? Durch Dein Mitgefühl wirst Du ebenfalls daran leiden, wenn Du Schlechtes getan hast, aber Dich über das Gute freuen können, dass Du anderen getan hast.
So sind die Verdienste für Dich dahin, weil
DU dahingegangen bist. Du kehrst auch nicht wieder, denn Du bist einmalig und als Folge vieler Faktoren und Umstände entstanden, die sich nicht wiederholen.
Im Buddhismus gab es im Laufe der Zeit viele Verflechtungen mit verschiedenen Kulturen, wobei die vorhandene Ansichten mit der neuen Lehre des Buddhismus verschmolzen. So gibt es diverse Linien im Buddhismus, die Atta und Verdienste sammeln predigen. So wie heute die Bibel von vielen Linien (Juden, kath. Christen, Evangelen, Zeugen Jehovas etc...) stark unterschiedlich ausgelegt wird, so wurde auch die Essenz des Buddhismus dem eigenen Verständnis und Glauben entsprechend interpretiert. So gibt es auch innerhalb des Buddhismus viele Variationen, die man "glauben" kann; nicht wenige beinhalten den Gedankengang der Wiedergeburt, die direkten Linien (Zen oder Chan) befassen sich aber mit der Frage der Wiedergeburt nicht, weil sie ihnen schlicht zu albern ist. ;-) Ohne "ICH" - was soll da wiedergeboren werden?
Parallel zum Buddhismus existierte damals der Nihilismus, die Lehre, das Nichts wirklich sei und alle Dinge Illusion wären.
Die Lehre des Buddha von Anatta ("Nicht-ICH") sagt aus, dass alle Dinge frei von ICH seien. Aber es wäre falsch zu sagen, ohne "ICH" sei alles Nichts. Wenn Du aus einem Raum etwas Bestimmtes herausbringst, so ist der Raum zwar leer, aber dennoch existiert der Raum weiter ! Wenn man Satori weitergeben könnte wie eine Tafel Schokolade, an der jeder probieren kann, dann gäbe es keine Nihilisten mehr. Sie würden sofort erkennen, dass nach Abzug des "ICH" dennoch viel im Raum zurückbleibt. Im Gegenteil: in der entstandenen Ordung werden plötzlich viele Dinge klar, die und stets umgeben haben, wir aber durch unser Chaos in unserem Geist nicht erkannt haben. Durch die Ordnung im Raum, so wie sie der natürliche Zustand ist, können wir diese Dinge wieder klar erfahren.
Ich möchte nochmal zusammenfassen, dass Nihilismus und Freiheit von "ICH" und "MEIN" grundsätzlich verschiedene Aussagen treffen. Das Aufräumen und Hinaustragen des "ICH" aus dem Geist ermöglicht es uns, den Raum und die anderen Dinge zu erkennen, die uns zuvor verborgen waren. Die Übung des Aufräumens ist die Meditation. Ich hoffe, ich habe Deine ersten beiden Fragen damit anschaulich beantwortet.
Für Deine nächste Frage
ICH entsteht neu mit der Geburt, aus den Bedingungen der vorherigen möchte ich ein Beispiel geben: Du haust mit einem Hamer einen Nagel in die Wand, doch Du verfehlst den Nagelkopf und triffst den Daumen. Sofort schreist Du auf : "Aua! MEIN Finger !!" Schon hast Du ge-ICHt ;-) .
Das Ich entsteht, wenn der Geist (also die geistige Aktivität des Gehirnes) einen Sinneseindruck aufnimmt und aus einer isolierten Position betrachtet. Das Ergebnis kannst Du an dem Ausruf "MEIN Finger!!" sehen. Hier wurde das ICH geboren, bald wird es an einer anderen Sinneswahrnehmung wiedergeboren. Du wirst feststellen, dass es fast ununterbrochen wiedergeboren wird, denn immer, wenn Du die Worte "ICH" oder "MEIN" verwendet hast, hast du ge-ICHt oder geMEINt, während Dir die Pausen zwischen den einzelnen Geburten, jene Zeiten der Versunkenheit und Konzentration auf eine bestimmte Sache, gar nicht mehr auffällt.
Aufmerksamkeit und Langeweile existieren niemals zugleich. Das ICH ist gelangweilt, wenn der Geist wie im Suchtverhalten nach Sinneseindrücken verlangt, die nicht kommen. Aufmerksamkeit (Achtsamkeit, Vipassana) ist gegeben, wenn der Geist frei zwischen den eintreffenden Sinneseindrücken schwebt, ohne sich für einen Eindruck zu entscheiden oder ihn aufzugreifen. Konzentration ist gegeben, wenn der Geist disziplinert agiert, ohne sich von Sinneseindrücken ablenken zu lassen. So liegen Achtsamkeit und Konzentration dicht beieinander. Du kannst es selbst an Dir feststellen, indem Du dich genau beobachtest.
So: ich hoffe, ich hab nicht zuviel geschwafelt. Aber nach diesem Tippmarathon will ich - last not least - noch eine Sache dranhängen, die mir aufgefallen ist, und der ich durchaus zustimme. "
Nur bei uns im Westen ist Zen zum Thema endloser Diskussionen verkommen. " , sagst Du, und da hast Du dem Fass die Krone ins Gesicht geschlagen!
Ich vermute, dass liegt bei uns vor allem daran, dass wir Westler auf "Kopf"-Wissen getrimmt sind, und zudem hohen Wert auf Individualität und Realitätsflucht legen. Unsere Unterhaltungsindustrie ist ein Milliardenschweres System, mit dem einzigen Zweck, uns die Hirne zu vernebeln. Unsere akribische Rechtsprechung und Institutionalisierung nimmt uns unsere Eigenverantwortlichkeit ab und erzieht uns zu rückgratlosen Lemmingen und Ja-Sagern. So bleibt die Wahrheit, die uns befreien könnte unter Fernbedienungen, Biergelagen, Vorschriften (auch den zwanghaften Schamgefühlen unserer Gesellschaft!) verborgen. Traurig, fürwahr !
So, und jetzt noch schnell die letzten 3 Fragen:
Was ist mit einem buddhistischen Mönch, der sein Leben dem Buddhismus geweiht hat, aber das Ziel des bewußten eingehens in Nirvana in diesem Leben nicht verwirklicht hat?
Er hats versaut - Pech gehabt. Sowas kommt vor.
Wir der nun wiedergeboren mit den Verdiensten seiner Vorgeburt, also mit der Kraft der Konzentration und Selbstlosigkeit, die er sich im laufe vieler Jahre erworben hat?
Da ist kein ER, der später wiedergeboren wird. Er hat (hoffentlich) was für die Welt getan, und wird sich darüber freuen, wenn er stirbt und die grösseren Zusammenhänge begreift. Das reicht - glaub mir! ;-) Der Tod ist nicht
das Ende, sondern DEIN Ende.
Oder löst er sich mit dem Tod in Nichts auf und ist somit gleich mit allen anderen, die irgendwie gelebt haben? Sind seine Verdienste dahin?(Das wäre Nihilismus)
Sein Verdienst ist, die Welt etwas verbessert zu haben, und
das bleibt. So ist die Menschheit das immerwährende Gedächtnis des Einzelnen. Ist doch toll, wenn man dazu beitragen durfte, oder nicht ?
Natürlich löst er/sie sich nicht in Nichts auf. Er ist Phosphor, Sauerstoff, Kohlenstoff etc., er bleibt dem Lebenskreislauf somit erhalten. Die Frage wäre also, ob Du einem Stück Kohle, einer Blume, einem Tier etc. auch ein gewisses "Bewusstsein" zugestehen kannst. Wenn Du diese Frage bejahen kannst, dann ist Nichts wirklich sterblich, sondern verändert lediglich die Form.
ICH, jener Dan Millman war gestorben, aber dieses Bewusstsein, das sich selbst erkannt hatte blieb unverändert über alle Zeiten. Jahrelang hatte dieser Dan krampfhaft versucht, "jemand" zu werden, aber sich nie selbst erkannt in diesem kleinen Fünkchen Zeit, in dem das Bewusstsein sich selbst vergessen hatte. Wenn er doch nur gewusst hätte ! (
aus: Dan Millmann, Der Pfad des friedvollen Krigers)
Schönen Abend noch !