Zunächst will ich mein Versprechen einlösen, die Heiligenlegenden zu bringen. Um sie zu verstehen zu erst den Fruchtbarkeitsmythos.
Der vorderasiatische Fruchtbarkeitsmythos
Beginnen wir damit, uns die erste Person der vorderasiatischen Göttertrias, den Alten, anzuschauen. Der Alte ist ein Wasserdämon, er hat keine Söhne und keine Töchter. Er wurde nicht gezeugt. Er war schon immer da. Alles gehört ihm, auch das Land. Sein Wohnsitz liegt außerhalb der menschlichen Siedlung, in der Wildnis. Seine unbegrenzte Macht setzt er ganz nach Gutdünken für Gutes oder Böses ein. Er hat gütige, hilfreiche Aspekte, jedoch überwiegt sein wilder, zerstörerischer Charakter. Er wird in menschlicher Gestalt vorgestellt, wie ein Riese, der mit seinem Kopf über die Wolken ragt. Du kannst hier durchaus eine Parallele zum Gott des Alten Testaments sehen. Bei den Sabäern mit ihrer einst berühmten Königin von Saba hat er die Beinamen Wüter, Verderber. Er ist ein Blitze schleudernder Himmelsgott. Sein Name ist Il. Im Jemen wird er Afrit genannt. Bei den alten Griechen hieß er Zeus, bei den Römern Jupiter, bei den Kelten Tanaros oder bei den Germanen Donar. Der Afrit ist ein Sturm- und Regengott. Er lässt es unmäßig regnen. Geschildert wird die schwarze Wolke, Verkörperung des Regensturmes. Einmal wird er als über die Wolken ragender Riese vorgestellt, ein anderes Mal tobt er als Drache. Wie kann man jetzt den alten Drachen herbeilocken, damit er die wasserspendenden Gewitterwolken mitbringt? Wie kann man den kinder- und weiberlosen Drachen anlocken? Mit etwas Fruchtbarem, Reinen, einer Jungfrau. Diese Jungfrau ist die zweite Person der Göttertrias des vorderasiatischen Fruchtbarkeitsmythos.
Die Jungfrau, mit welcher der Alte angelockt werden soll, steht im Heiratsalter. Sie ist die Tochter des obersten Herrschers der Gemeinschaft, oft eine Prinzessin. Sie wird in die Wildnis hinausgebracht. Niemand will, dass sie dem alten Drachen geopfert wird. Jedoch lässt es sich einfach nicht umgehen, entweder müssen alle verdursten, oder sie wird dem Drachen geopfert. Ort des Opfers ist die Wildnis, ein Wadi. Die Opferung vollzieht sich bei Sonnenuntergang, wobei das Mädchen dem Wasserdämon Afrit als Braut zugeführt wird. Er wird als der Herr des Wadi und seines Wassers verehrt und gefürchtet als der Dämon des dunklen Regensturms. Als Gegenleistung für die zugeführte Braut gewährt er der menschlichen Siedlung Wasser. In einigen Abwandlungen des Mythos bringt das Wasser Vegetation, und das Mädchen wird zum Fruchtbaum. Die Jungfrau steht symbolisch für die Sonne. Wenn die dunklen Gewitterwolken kommen, fressen sie die Sonne auf. Der Kampf zwischen dem zerstörerischen dunkelwölkigen Alten und der reinen Jungfrau symbolisieret auch der Kampf zwischen Dunkel und Hell. - Lange, sehr lange, nachdem der Mythos entstanden war, womöglich bei der Umgestaltung des kosmischen Systems unter dem semitischen Kaiser Sargon, wurde die Jungfrau zum Symbol der Venus, die bis dahin ein Symbol der Sonne gewesen war.
Wenn der Alte das Opfer annimmt, lässt er ein Tropengewitter niedergehen. Die Sehnsucht des Märchens und damit auch des Mythos geht darauf hinaus, dass die Menschen von seinem gewaltiges Pissen, das im Wadi alles fortschwemmt, erlöst werden mögen. Und hier tritt der dritte und letzte der Götterdreiheit auf, der junge Held, der Gott aus der Fremde.
Der junge Held tötet den Alten und erlöst dadurch die Jungfrau. Er tötet den Alten nicht während des Orkans, sondern unmittelbar danach. Damit sorgt er für ein abruptes Ende des Tropengewitters und für mildes, gebändigtes Wasser. Sowohl der Alte wie auch der junge Held sind Wassergötter, letzterer jedoch ein Gott des zivilisierten Wassers. Er stürmt nicht, er überschwemmt nicht, er zerstört nicht. Er füllt den ausgetrockneten Wasserlauf, die Brunnen und Zisternen, und er lässt die Quellen fließen. Dieser junge Held ist ein Fruchtbarkeitsgott, denn in einem semitischen Märchen trägt er ein Eselsfell, Symbol für männliche Potenz. Der junge Gott des vorderasiatischen Fruchtbarkeitsmythos ist ein Kämpfer. Er vollbringt die Tötung des Alten, und manchmal besiegt er ganz allein ein Heer, das der dunkle Alte mit sich führt. Die Altentötung vollzieht er in der Wildnis, wo allerlei wilde Tiere hausen. Der junge Held kommt von weit her; er verlässt sein Heimatland, zieht in einem Sechsmonatsrhythmus zur Altentötung und Mädchenbefreiung in die Fremde. So heiratet er also auch in eine fremde Sippe ein und führt die Dynastie seines Schwiegervaters fort. Der junge Held gilt auch als ein Lichtgott, in der Regel der Mondgott. Da das Mädchenopfer meist in der Vollmondnacht vollzogen wird, tötet der Junge den Alten in der Vollmondnacht; nach dem Vollmond regnet es meistens. Dies ist ein wirkkräftiges Bild für die Überwindung der dunklen Macht des bösen Regensturms durch den strahlenden Glanz des Lichtheldes.
Dieser ursprünglich vorderasiatische Fruchtbarkeitsmythos hat nicht nur bei den heidnischen, europäischen, Blitze schleudernden Göttern, sondern auch im Christentum Spuren hinterlassen, nämlich bei der Heiligen Afra, der Heiligen Margarete, dem Heiligen Georg und dem Erzengel Michael.
Die Legende der heiligen Afra
Afra ist ein typisch bayrischer Frauenname; über seine Herkunft besteht keine Einigkeit. Es gibt einen Zeitgenossen der Heiligen Afra, der älteste syrische Kirchenvater, namens Afrahat. Dies klingt sehr nach Afrit, und Afra könnte die Braut sein, die dem Afrit zugeführt wird, das Mädchen, das dem Drachen geopfert wird.
Um ihre Legende entstand viel bitterer Streit der Gelehrten. Und wenn fast nichts mehr übrigblieb als die unleugbare Tatsache, dass die Heilige Afra in Augsburg lebte, als Kaiser Diokletian an der Macht war. Afra musste dort um ihres christlichen Bekenntnisses willen im Jahre 304 in den Tod gehen.
Wie kam es zu ihrer Legende? Ein iro-schottischer Kelte hat unter dem Deckmantel eines Mönchs seine alten Religionsinhalte verborgen und für seine Nachwelt aufbewahrt. Er verwob Gehörtes und Gelesenes mit seinem alten Gedankengut, das mit der Landwirtschaftlichen Revolution aus dem Orient kam und brachte es in die Legende der Heiligen Afra ein.
Was meint die Legende?
Afra war Straßendirne, die durch den Bischof Narzissus bekehrt wurde. Nach ihrer Bekehrung legte sie ebenso öffentlich, wie sie früher ihr Gewerbe betrieb, vor dem römischen Richter Zeugnis für das Christentum ab. Da sie standhaft ablehnte, den Göttern der Römer Weihrauch zu streuen, verurteilte der Richter sie zum Feuertod. Auf einer Insel im Lech wurde sie an einen Baumstumpf gefesselt und lebendig verbrannt. Soweit die Legende der Heiligen Afra.
Was bleibt? Es handelt sich um eine weibliche Person, wenn auch um keine Jungfrau, sondern gegenteilig, um eine Dirne. Der Mönch suchte zu verbergen, dass Afra eigentlich eine Göttin ist und hat sie zu einer christlichen Märtyrerin gemacht. Der Name Afra deutet auf die Braut des Afrit, des Wasserdämons, die ihm auf einer Insel des Flusses Lech zugeführt wird. Sie steht für die Sonne, darauf weist ihre Todesart, denn sie fand den Tod nicht durch Ertränken, Enthaupten oder Pfählen, was früher mit den meisten Märtyrern geschah, sondern durch das Feuer, welches die Sonne symbolisiert.
Die Deutung der Legende von der Heiligen Afra scheint ein bisschen weit hergeholt.
Schauen wir doch einmal, wie der alte Fruchtbarkeitsmythos bei der Heiligen Margarete beschrieben wird.
Die Legende von der heiligen Margarete
Vor Jahren machten wir Urlaub am Neusiedler See. Da stieß ich am Beinhaus von Sankt Margarethen auf eine Abbildung eines Drachens. Warum? Der Namenszusatz Sankt deutet darauf hin, dass dieser Ort auf einem erdenergetisch bedeutsamen Punkt liegt. Dies wird bestätigt durch die Tatsache, dass es in Sankt Margarethen einen Heilungsbrunnen gibt. Wenn irgendwo eine Heilquelle aus dem Boden drang, war dies früher Grund genug, an dieser Stelle ein Wasserheiligtum zu errichten und zu pflegen.
Handelt es sich bei der Heiligen Margarete um eine verchristlichte Prinzessin des vorderasiatischen Fruchtbarkeitsmythos, der ja immer mit Wasser zusammenhängt? Was berichtet die Legende über die Heilige Margarete? Wenn ein Unwetter heraufzieht und die Mühe und Frucht eines langen Sommers zu vernichten droht, wird Margarete zur großen Nothelferin aller Bauern.
Die Legende erzählt von der Tochter eines Götzenpriesters, der in Antiochia, Pisidien, am Taurusgebirge lebte.
Margaretes Schönheit und der Liebreiz ihrer fünfzehn Jahre lockten manchen Liebhaber in das Haus ihres Vaters. Doch dieser geizte mit ihrem Anblick, denn er liebte sie abgöttisch und hütete sie wie seinen Augapfel. Sein Zorn flammte vehement auf, als sie ihm bekannte, sie habe von ihrer Amme den Glauben der Christen angenommen. Die Vaterliebe kehrte sich in Hass um, und es fehlte nicht viel, dass er sie mit eigener Hand erschlagen hätte. Margarete hätte sich zwar vor seinen Drohungen in die Arme des Präfekten Olibrius retten können, des reichsten und mächtigsten ihrer Bewerber, aber sie wollte keinem Heiden angehören und erwartete das Schicksal aller verfolgten Christen. Der Legende nach zerfleischte man ihr mit Ruten und eisernen Kämmen auf der Folterbank Brust und Arme, und im Kerker erschreckte sie der Teufel zuerst in Gestalt eines Drachen, dann in Menschengestalt. Doch sie schlug den Teufel mit Gottes Kraft in die Flucht. Wenige Tage später wurde sie entkleidet und mit Feuer und Flamme angesenkt. Als jedoch die schweren Brandwunden sofort wieder heilten und viele Menschen durch dieses Wunder gläubig wurden, führte man sie zum Richtbock. Sie war so stark im Glauben, dass sie dem Scharfrichter empfahl: Nun hebe dein Schwert, Bruder, und schlage zu! Mit diesen Worten nahm sie Abschied vom Leben.
In manchen katholischen Orten wird das Bild dieser Jungfrau an Giebeln gezeigt. Dabei lächelt ihr Antlitz in der Freude des Sieges über den Drachen, dem sie den Fuß in den Nacken setzt. Ursprünglich war sie nichts anderes als die Tochter des Gemeindeobersten, die als jungfräuliche Braut dem Drachen geopfert wurde. Das kannst du daran erkennen, dass sie bei Gewittern angerufen wird, mit dem Drachen kämpfte, vor dem Tod mit Feuer versengt wurde, und zusätzlich, dass sie im Heiratsalter stand.
Die Legende des heiligen Georg
Nun zum Heiligen Georg, eines verbrämten männlichen Gottes des alten Fruchtbarkeitsmythos.
Der Heilige Georg ist einer der angesehensten und berühmtesten Heiligen der katholischen und orthodoxen christlichen Kirche. Der Name Georg ist griechisch und bedeutet Landmann oder Bauer. Da der heidnische heilige Held außerordentliche Bedeutung hatte, wurde er verchristlicht.
Der Legende nach, kommt er ebenso wie Margarete aus Kleinasien, jedoch nicht aus Antiochia, sondern aus dem nördlicheren Kappadokien. Er soll ein Prinz gewesen sein, welcher unter Kaiser Diokletian den Märtyrertod starb. Einst wurde das Land von einem Lindwurm oder Drachen tyrannisiert, dem deshalb täglich zwei Schafe zur Besänftigung geopfert werden. Als alle Schafe geopfert waren, forderte der Drache Menschenopfer. Das Los fiel auf die Tochter des Königs Selbios. Die Prinzessin namens Aja, so heißt es in dem mittelalterlichen Buch Die goldene Legende, trat ihren Opfergang im Brautkleid an. Da griff Georg den Drachen mit einer Lanze an und vereitelte damit, dass die Prinzessin geopfert wurde; Georg tötete das Ungeheuer.
Die frühere Legende sagt, dass Georg eine Prinzessin Namens Aja von einem Drachen erlöst. Auffällig verwandt mit Aja klingt Mayad, welches der ursprüngliche Name des Ortes Sankt Margarethen war. Wurde aus Aja Maya und aus Maya St. Margaretha? Ist die mythologische Jungfrau Aja mit Afra gleichzusetzen? Denn bei Theodor von Euchaita lautet der Name der Jungfrau, die der Heilige Georg errettet, nicht Aja sondern tatsächlich Margarete.
Nach dem Heiligen Georg und seiner Beziehung zur Heiligen Margarete will ich nun vom Erzengel Michael zu erzählen.
Das Überleben des Wassergottes Michael
Die Legenden von Afra, Margarete und Georg sind außerbiblische Berichte. Dies jedoch trifft nicht beim Erzengel Michael zu, denn von ihm steht in der Johannesoffenbarung geschrieben, was ja auch der Ausgangspunkt war, um den orientalischen Fruchtbarkeitsmythos zu betrachten.
Als wir damals in Österreich Urlaub machten, nicht am Neusiedler See, sondern in der Wachau, als wir die Ausgrabungsstätte der Venus von Willendorf besuchten entdeckte ich das Nachfolgende? Durch Willendorf eilte über spitze Steine ein glitzernder Bach den steilen Berg hinab in die Donau. Wir stiegen dem Bach entgegen, den steilen Berg hinauf. Kurz bevor der Weg zur Gedächtnisstätte der berühmten steinzeitlichen Venus nach rechts vom Bach abbog, lag, energetisch gesehen, ein ungewöhnlicher Ort. Die Querstraße weitete sich zum Platz. An einem Wohnhaus dieser Querstraße war Schwalbennest an Schwalbennest gebaut. Allein das hätte gereicht, um die vorhandene, gute Energie anzuzeigen. Es heißt ja nicht umsonst: Wo Schwalben nisten ist Harmonie im Haus. Die ungewöhnliche Energieausstrahlung wurde zusätzlich durch eine Figur in einer Nische an der äußeren Wand einer Innenhofmauer signalisiert. Jedoch das bedeutenste Merkmal war die kleine Kapelle, unmittelbar am Bach gelegen, gegenüber der Verehrungsnische. Wir schauten in die Kapelle hinein und sahen einen unauffälligen Raum mit einem Feldblumenstrauß auf dem Altar. Doch eines war ungewöhnlich, auf der Seite zum Bach hin stand eine Michaelsfigur. Auf diese Weise hat das heidnische Wasserheiligtum christlich verbrämt hier überlebt. Solche Verchristlichungen geschahen nicht nur in Willendorf. Viele der ersten christlichen Kirchen sind dem Erzengel Michael geweiht. Warum wohl? Zuvor wurde in diesen Heiligtümern der germanische Gott Donar verehrt. Mit dieser Umwandlung siegte der christliche Drachentöter über den heidnischen Blitzeschleuderer.