Die Nacht in der Wüste

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AphroditeTerra

Guest
ich poste es nochmals
es ist Frau Luna gewidmet...:liebe1:




Diese Geschichte könnte sich in etwa so zugetragen haben
Denn ich hielt mich im Februar 2007 im Oman auf
in der Ramlat Al-Wahiba, südlich von Muscat


Es war weit nach Mitternacht, als sie die Tür leise hinter sich zuzog um sich schnellen Schrittes aus dem Wüstencamp zu entfernen. Es gab nur eine einfache Einzäunung aus Maschendraht und Palmenblättern, welche dazu diente den Wind abzuhalten, aber der Eingang zum Camp, den sie gerade hinter sich lieβ, blieb immer offen.
Wozu auch Sicherheitsmaβnahmen?, dachte sie und atmete die Luft der Wüste tief in sich ein.
Der Oman ist ein sicheres Land, keine Kriminalität, die Grenzen zum Yemen und Saudi Arabien sind geschlossen und Terrorismus gibt es hier nicht.
Der Mond tauchte die riesigen Dünen der Al-Wahiba Sands in silbriges, kaltes Licht, zauberte endlos lange Schatten auf den Sand. Ja, das liebte sie, die Wüste, diesen irrealen Zustand
ein Gefühl des sich Verlierens im Nirgendwo, im Nichts.
Die Düne vor ihr war mindestens zweihundert Meter hoch und sehr steil, sie musste sich anstrengen, der Sand so fein, dass man immer wieder darin versank.
Aber es war dieses Gefühl von Freiheit welches sie in sich und um sich fühlte, welches sie glücklich machte und sie auflachen lieβ, als sie endlich erschöpft oben anlangte und sich hinsetzte um sich dem Anblick der Millionen Sterne über ihr am Himmel hinzugeben. Sie lachte immer noch und streckte die Hand nach oben zum Himmel empor, wie um nach einem Stern zu schnappen.

Tausende von Kilometern flog ich um jetzt hier zu sitzen, was für ein Gefühl. Eigentlich aufregend, aber seltsam ein groβer Friede nimmt von mir Besitz. Bin ich endlich bei mir selbst angelangt?
Da hörte sie ein leises Geräusch hinter sich und zuckte zusammen. Und tatsächlich, ein junger Mann stand plötzlich vor ihr. Sein weiβer Dishdasha kontrastierte stark zu den dunklen Schatten der Dünen, er trug wie alle Omanis eine Kinah auf dem Kopf, es musste sich somit um einen Einheimischen handeln.
„Salam aleikum“, grüsste er leise und setzte sich mit einem gebührenden Abstand neben sie.
Er war, wie alle Omanis von dunkler Hautfarbe und hatte eine ausgeprägte Hakennase. Seine Lippen waren schmal und ein kleiner Schnurrbart verlieh ihm jene ehrenhafte Bedeutsamkeit, auf welche Omanis so groβen Wert legen. Aber es waren seine Augen, dunkle sanfte Augen, die ihr jegliche Angst nahmen.
„Aleikum salam,“ antwortete sie höflich. „Woher des Weges mitten in der Nacht?“
„Ich komme oft und blicke hinauf zu den Sternen.“
„Aha“, meinte sie und wartete ab, was der Fremde ihr noch alles so für Überraschungen bieten würde.
„Ich heiβe Omar und komme aus Muscat. In den Ferien verdiene ich mir ein paar Ryials als Führer durch die Wüste. – Aber es ist mehr wegen der Wüste, dass ich komme.“
„Bisher erlebte ich die Omanis sehr zurückhaltend gegenüber Frauen, wie kommt es dass du eine so offene Einstellung hast?“
„Meine Familie lebt in Muscat, aber ich studiere seit drei Jahren in Boston, du verstehst?“
Oh, er hat ein verschmitztes Lächeln, welches mich alles mehr oder weniger verstehen lässt. Mitten in der Wüste neben einem fremden Omani zu sitzen, und es obendrein auch noch zu verstehen… Sie schwieg eine Weile.
„Ich heiβe Marisa“, sprach sie endlich in eine Stille, die nicht mehr von dieser Welt schien, denn die Nähe des Omani hatte irgendwas verändert. Diese Wüste war geheimnisvoll in ihrer Leere, aber jetzt kam noch Magie hinzu, die alles um sie her verzauberte. Die Sterne begannen auf einmal zu tanzen und der Wind sang ein leises melancholisches Lied.
„Ich weiβ“, sagte er. „Auch warum du kamst, Marisa.“
Sie blickte ihn an, blickte in diese Augen voller Sanftmut und sie verstand.
„Ich habe eine Frage an dich, Marisa.“ Er schwieg.
„Ja, Omar?“
„Glaubst du nun frei zu sein? Und was bedeutet frei zu sein?“
„Ich weiβ es nicht, Omar.“ Ich bin immer noch verwirrt, so wie nach einer mühsamen Reise durch schillernde Fata Morganas, ich sah sie nicht in der Ferne, Omar. Ich war mitten drin, in den Fata Morgans und versuchte mich da raus zu holen. Ich befand mich inmitten meiner Sehnsucht und kaum war ich drauβen, war ich schon wieder in der nächsten… lauter spiegelnde, sich ständig verschiebende Flächen wie aus Glas. Ich konnte nicht Fuβ fassen, wollte dem entkommen und schaffte es nicht. Es war ein Aufschrei nach Freiheit, die Freiheit jedoch entfernte sich nur mehr und mehr und rückte in unnahbare Ferne…“ Sie schwieg. „Die Freiheit wurde schlieβlich zu einer Fata Morgana.“

Die Sterne kamen in ihrem Tanz immer näher, unsagbar schöne Farben explodierten und von den Sternen tönten Melodien. Jeder Stern besaβ eine andere Melodie, welche sich in kosmischer Harmonie mit allen vereinigte und eine Symphonie erschuf, die unvorstellbar ergreifend war. Marisa begann zu weinen.
„Was macht dich so traurig?“ Er nahm sie in den Arm und wiegte sie sanft. „Du selbst hast dir diese ganzen Schmerzen zugeführt, weil du die Bindung nicht annehmen wolltest.“ Er strich ihr beruhigend übers Haar und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Freiheit kann nur durch Bindung entstehen. Und diejenigen, die sich frei wähnen, sehen ihre eigenen Ketten nicht.“ Er seufzte und sah sie ernst an. „Erst in deiner Wehrlosigkeit findest du deine Sicherheit!“
„Erst in meiner Wehrlosigkeit finde ich meine Sicherheit“, wiederholte sie nachdenklich seine Worte, lauschte dabei der groβen Symphonie des Universums zu. „Danke, Omar“, rief sie freudig aus. „Endlich habe ich verstanden!“ Er nahm ihre Hand und schenkte ihr zum Abschied ein Lächeln. „ Salam, Marisa. Ich werde jetzt gehen. Irgendwann, irgendwo sehen wir uns vielleicht mal wieder.“ Dann war er verschwunden.
Während Marisa langsam die Düne hinunter glitt, machte sich eine Freude in ihr breit. Die Sterne waren längst verstummt und an ihren gewohnten Platz zurückgekehrt. Aber in ihrem Herzen, da erklang die Sternensymphonie und erfüllte ihr ganzes Sein. Sie warf sich in den Sand und rutschte und warf den Sand um sich. Ausgelassen schlug sie Purzelbäume und wirbelte den Sand herum, bis sie rutschend und völlig auβer Atem unten ankam. Jetzt hab ich es, rief sie hinaus in die Nacht.

A. 2007




Ali:liebe1:
 
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