die letzte stufe

Liebe magdalena,

magdalena: wir sind nun mal alle 'nur' unterwegs dahin nicht mehr zu verletzen - und uns nicht mehr verletzen zu lassen - denke ich.
genau so wie ich denke - wer es erkennen kann - für sich selbst -
ist gut unterwegs. :)


es gibt niemanden, der verletzt werden kann.
das ist eine tiefe Wahrheit.
darauf wies auch mazil mit den Schlägen des Zenmeisters hin.
Es ist das Erkennen des Paradoxons, dass körperliche Schläge zwar den Körper aufrütteln können, aber es keine Verletzung im Innen sein muss.

wer ist verletzt worden?
ich?
hebräisch ist "ich" "äni", und das kann man als "mein nichts" übersetzen.
ein nichts kann nicht verletzt werden.
das ich ist gerade dieser leere Raum, in den sich alles hineinspiegeln kann.
doch das "ich selbst", dieser leere Raum, kann nicht verletzt werden.
nur wenn "ich" mich mit dem, was in diesem Raum ist, identifiziere,
dann könnten die Dinge darin bedroht erscheinen.

magdalena: tja - der meister und der schüler.
verletzen wir einander nicht durch die bewertung?
sind - sollten - wir nicht alle lernende sein?
unterschiedlichkeit der fähigkeiten - ja -
aber nicht zugleich auch gleichwertigkeit?


sind denn die Unterschiede der Fähigkeiten auch gleich Unterschiede der Wertigkeit des Ichs?
wenn das "ich" doch ein "nichts" ist, ist doch kein nichts besser als ein anderes, oder?
wenn das "ich" eine Leinwand ist, und es gibt zwei Leinwände, die beide in sich nur weiß sind, aber es werden verschiedene Filme auf ihnen projiziert... ist dann die eine Leinwand besser als die andere, nur weil ein interessanterer Film darauf projiziert wird?
was hat die Leinwand (das "ich") mit dem Film zu tun??
den Film, klar, den kann und soll ich bewerten, darum geht es doch.
besonders als Regisseur, der Freude an seinen Filmen haben möchte...

meister und schüler - eine schöne Dualität.
ein Unterschied... und besteht nicht das ganze Leben aus Unterschieden?
einer ist Arbeitgeber, einer ist Arbeitnehmer, einer ist arbeitslos, einer ist krank, einer lebt einfach in den Tag hinein... ist doch keiner mehr oder weniger wert, oder?
es sind verschiedene Rollen, die eingenommen werden.

wenn jemand etwas lernen möchte, braucht er doch jemanden, der ihn lehrt, und so ist ein Meister für einen Schüler sehr viel wert.
und wenn jemand etwas lehren möchte, braucht er doch jemanden, den er lehren kann, und so ist ein Schüler für einen Meister sehr viel wert.

Man kann doch die Asymmetrie ruhig zulassen, muss doch nicht alles in Gleichmacherei ersticken.

magdalena: ich fühle mich immer wieder mit dem dilemma konfrontiert.
ich gebe mich als lernende zu erkennen und rufe damit die lehrmeister auf den plan.

Das ist nur die Oberfläche.
Wer ein guter Lehrmeister ist, ist Lernender von jedem, also lernt zu lernen um lehren zu können.
je besser man lernt, umso mehr lehrt man andere zu lehren...
die großen Lehrer treten nicht nur als Lehrende auf... sondern als Lernende, stellen scheinbar "dumme" Fragen... und wo ein offenes Ohr zu finden ist gerne auch mehr...

magdalena: da ich überzeugt davon bin, dass ich genau so viel zu geben habe, wie ich auch gerne von anderen annehmen mag, kann ich das ansinnen von über - bzw. unterordnung nicht akzeptieren.

wenn es um oberflächliche Überordnung/Unterordnung geht, ist es doch sowieso verfehlt.
es geht doch nicht um ein Gerangel, wer der bessere ist.
Es gibt einfach eine Ordnung, und man kann sie erkennen und anerkennen.
manchmal kann ich viel geben, lernen tu ich eh immer, egal in welcher Rolle...
es geht mir auch nicht darum, Überzeugungen von mir zu haben, dass ich viel oder wenig lehre oder lerne... ich spüre es doch für mich und bekomme Rückmeldungen von anderen, sehe es an anderen, dass sie vorankommen.

egal ob man es formal in eine Rolle tut wo einer Meister ist und ein anderer Schüler, es gibt doch Fakten. So wie in der Heilung, wer heilt hat recht, egal ob mit Doktortitel oder nicht.

magdalena: vielleicht schlage ich dann tatsächlich so zurück, wie mich auch jene schlagen, die sich als meister - und nicht ebenfalls lernende zu erkennen vermögen.

wer mich schlägt, ist ein großer Lehrer.
er traut mir zu, dass ich mich nicht mit dem Film identifiziere.
er traut mir auch zu, dass ich ihn nicht mit der Schlägerrolle identifiziere, sondern den Meister in ihm erkenne.
was ewig ist in mir, kann doch nicht durch Schläge zerstört werden.
und was vergänglich in mir ist, wird sowieso zerstört werden müssen, also weshalb nicht die Gelegenheit ergreifen?

magdalena: kennst du die mitte?
geniale Frage :danke:
du bist eine große Lehrerin, wenn du solche Fragen stellen kannst.

gerade kam ein eindruck, wie die mitte sein könnte.
die mitte ist da, wenn sie immer da ist, sozusagen mitt-geht,
mittemang, voll ins Herz,
egal wo ich gehe, mein Herz ist immer mitte-ndrin, kommt mit.

so ist die Mitte zwischen Meister und Schüler doch immer, ob was rüberwächst, ob was pulsiert, ob Schritte gegangen werden,
egal wer nun gerade wer ist,
als Therapeutin bin ich ja scheinbar in der Lehrerrolle,
doch eben auch nur scheinbar, ich lerne immer von meinen Patienten,
und so fließt dann auch etwas zurück,
und das ist doch die Mitte, der Fluss, da fließt es hin und her,
hauptsache lebendig, dann gehts schon weiter.

magdalena: ich versuche sie zu finden.

das ist auch schön, ich glaube es bedarf einer fortgesetzten Übung,
einer steten Kon-zentration (das ist die Sammlung in das Zentrum, also in die Mitte),
so wie wenn ich einem Patienten die Aufgabe gebe, die Mitte einer Linie zu finden,
20cm und dann mit Augenmaß genau die Mitte bei 10cm zu finden,
spannende Aufgabe wenn man sie übersetzt aus dem "unten" ins "oben"...
denn der Stift spielt eine Rolle,
je feiner der Stift ist, desto genauer könnte die Markierung sein,
je weniger "ich" Raum einnehme, umso exakter könnte der Fokus sein...
genau die Mitte,
und der beste Test, ob es die Mitte ist, liegt einfach darin, das Blatt zu drehen um 180 Grad...
wer irgendwie um 1 cm abgewichen ist zu einer Seite, sieht am leichtesten seine Abweichung, wenn er das Blatt umdreht, der eine Zentimeter zur anderen Seite sieht doch glatt wie 2cm Abweichung aus... das merkt dann jeder...
wenn ich also die Mitte finden möchte,
woran könnte ich sie merken?
am besten mal anders herum fragen, ich suche die Nicht-Mitte, den Rand, mal sehn, wo ist der denn?
man muss doch auch zunächst die ganze Länge der Linie betrachten, die Grenzen, dann kann man erst eine vernünftige Schätzung der Mitte geben...
also wo sind meine Grenzen? dann zentriert es sich ganz von alleine...

ich hatte so coole Patienten, die konnten nicht mehr die Mitte der Linie schätzen, so rein visuell, es ging immer ganz schrecklich daneben...
und die kamen auf die geniale Idee, einfach die Linie mit dem Finger abzufahren... so hin und her, immer wieder von einem Ende bis zum anderen und wieder zurück... und dabei benötigen sie ja eine gewisse Zeit, und die Hälfte der Zeit, die sie benötigen, da müsste doch die Mitte sein... und so war es... einfach klasse.

magdalena: eigentlich - denke ich - sollte die mitte in der offenheit liegen.

aber auch hier schon wieder das dilemma.
sage ich offen - das kann kann ich - und das nicht -
rückt schon wieder die truppe der ratschläger - bemitleider - und - ja auch - der neider an.


so mache ich das auch, solange ich die Mitte noch nicht weiss,
ich geh mal in die Schülerrolle und mal in die Lehrerrolle,
so hin und her, mal so, mal so,
und irgendwo dazwischen ist sie, die Mitte,
oder doch nicht dazwischen, sondern eher wenn beides plötzlich eines ist,
wenn ich im Schülersein das Lehren entdecke und im Lehren das Schülersein...
im Meister den wahren Schüler, im Schüler den wahren Meister, ist doch eigentlich eins... und doch wieder so ganz konkret nicht, weil es Unterschiede gibt, der eine weiss dies vielleicht nicht und eiert nur einseitig auf der Rolle des ständig Wißbegierigen rum, der andere nur auf der Rolle dessen, der die Weisheit schon mit Löffeln gefressen hat,
der andere nur auf der Rolle des Selbständigen, der alles selber weiß, sein eigener Lehrer und Schüler gleichzeitig sein will...
noch ein anderer möchte gerne Hierarchien haben, so mit Schüler von 1. bis 13. Klasse und natürlich die Lehrer, Oberlehrer und Rektoren...
und in dem Fokus dessen was jemand gerade fokussiert, da liegen doch die Unterschiede... da bin ich vielleicht gerade noch nicht fähig zu sehen wo ich denn einfach schon lehre durch mein Sein, auch wenn es so ist...

magdalena: ich denke immer - in den reinen ich-botschaften müsste doch die lösung liegen.

also entweder - ich bringe sie noch nicht richtig rüber - oder sie sind nicht die lösung.

ja, das kenne ich. doch dann habe ich gesehen, dass auch reine du-botschaften völlig genial sind... sie sind erstklassige Projektionsfelder für mich...
man kann ganz sachte beginnen mit dieser Übung, wenn man auf jemanden einen richtigen Ärger hat und dann sich vorstellt, wie man demjenigen mal so richtig die Meinung sagt... und dann sich diese Gardinenpredigt selber hält...
das ist toll... nur Du-Botschaften, ganz das eine Ende der Linie ausloten... und dann das andere, alle diese Du-Botschaften nur auf mich selbst beziehen...
und dann das dritte, das "wir" zu finden... was erzeugen "wir" "uns" gerade dadurch, welch gemeinsames Feld wird gerade fühlbar?
oder das "er/sie"-Feld... auch klasse... mal mit jemand, den man gut kennt, über jemanden lästern, der im Forum schreibt... und dann das, was man da gelästert hat, wieder auf die eigene Kappe beziehen... tut weh, aber ist sehr hilfreich...

magdalena: wie ist das mit der gewalt - da meine ich ganz besonders die psychische -
und im ganz besonderen die psychische gewalt, die als solche gar nicht erkannt werden kann, da sie die normalität darstellt?


öhm da fällt mir so gar nichts zu ein,
sollte mir das zu denken geben?
oder gerade nicht zu denken geben?
ist mir das so fern, weil es schon längst überwunden ist?
oder ist es mir so fern, weil es so ein großer blinder Fleck ist?

sollte mich doch auskennen damit... mh, komisch...
ich hab den Eindruck dass ich schon gewaltig bin, ja...
ich habe das so gemerkt, wenn ich zu Leuten einfach was gesagt hab, das hat bei denen wie eine Ohrfeige gewirkt, so heftig...
dabei hatte ich es so locker gesagt, ohne nun besondere Intensität dabei zu versprühen...
ich kann auch gewaltig sein, doch, stimmt,
ist nicht so meine liebste Rolle, aber geht schon, ich kanns sogar genießen,
das folgt dem Spruch "den Stock auf dem Rücken des Toren"...
ja manchmal muss das sein, ist ja nicht schlimm,
höchstens für das Ego des Anderen, und das kann man ruhig zerbrechen...
ich schätze den Anderen ja sehr,
ohne diese Wertschätzung des Anderen glaube ich ist es problematisch,
schöner ist es, wenn es das nicht braucht,
aber es braucht das wohl doch manchmal,
wenn das dem Anderen weh tut, spüre ich es,
also es ist schon fair, jeder Schlag, ich spüre ihn als meinen eignen...
ist schon ok, und ihn dann heilen zu lassen.
aber ich weiß, dass das nicht das einzige ist in mir,
es ist eine von den vielen Seiten,
wenn es schlimm ist, ist es die violette Flamme,
das zerbricht einen einfach,
die nehme ich immer lieber nur für mich... oder wenn jemand wirklich darum bittet und reif dafür ist...
gibt ja noch die vielen anderen Farben in mir, den ganzen Regenbogen...
aber deine Frage war ja nach der Gewalt...

magdalena: was - wenn mensch gelernt hat - oder schwer im lernen begriffen ist -
sie nicht nur zu fühlen - sondern ganz bewusst zu erkennen?

generell natürlich die ungelöstheit der frage - wie gehe ich um mit gewalt, ohne zu antworten mit gewalt - und zugleich ohne mich schlagen zu lassen?
(um die ungelöstheit der frage zu bemänteln, wurden wohl die legenden um jesus gewoben.)


wenn es um körperliche Gewalt geht, finde ich es ok, sich abzugrenzen.
wenn es um psychische Gewalt geht, nehme ich sie möglichst genau wahr, ohne sie zu versuchen zu ändern. das erzeugt durch das Prinzip der Dualität automatisch die Gegenkraft.

in deinen vielen worten steckt viel wahres drin. :)

ich bringe es auf meinen - derzeitigen - punkt.

jeder - alles was ist - gibt das was er/sie/es kann.

all das hat seinen ganz besonderen wert - und ist teil der weiterentwicklung -
die durch nichts und niemanden aufzuhalten ist.

deshalb hat auch alles den gleichen wert -

um es jetzt plakativ zu sagen -

egal ob es sich um den mörder handelt - oder um den heiligen.
egal ob stein - oder mensch.

das - genau das - erkenne ich als die einsicht, die einen weiterentwicklungsschub bewirken wird.

was allerdings nicht heißt - dass ich mich dem mörder zu unterwerfen habe
was auch nicht heißt -
dass ich zu stein werden sollte -
stein, der nur in sehr langer zeit zu sand zerrieben wird -
um wieder in neuer gestalt zu stein zu werden.

nein - wir (als menschen) sind ja eine ziemlich neue innovation.
wir haben die mitte erst zu finden -

eine mitte, die aus einer (fast) unüberschaubaren anzahl von mitten besteht.

kein großrechner, den wir bis lang erfinden konnten, wäre in der lage die lösung zu errechnen.

aber wir werden sie finden - über kurz oder lang -

denn der plan - das prinzip - das allem zugrunde liegt -
ist absolut.

es kann gar nicht schief gehen -

auch wenn das vertrauen - das ebenfalls eine mitte darstellt - bislang noch nicht gefunden ist.

solange in mächte vertraut wird, die so wenig in sich selbst vertrauen, dass sie in den eigenen plan lenkend eingreifen müssen -
ist das vertrauen nicht hergestellt.

solange wir (menschen) unser misstrauen in uns selbst in eine schöpfung projezieren, die dieses misstrauen - absolut - nicht verdient,
werden wir aus den folgen der schläge lernen müssen - die wir uns selbst erteilen.
 
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