Die Graue Taube

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Wellenspiel

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Die Graue Taube

Schnell durch den Wind, sanft durch die Lüfte
Reise ich von Ort zu Ort,
Bin hier, bin da, riech' tausend Düfte;
Reise ich, doch bin nie fort.

Wer bin ich hier, wer will ich sein,
Bin doch nur eine Taube,
Bin grau, nicht weis(s), bin ich nicht rein,
Zählt nicht mehr, was ich glaube?

Hier oben, über aller Weise
Wird mir klar in aller Stille:
Was zählt, ist weder laut noch leise,
Es ist im Selbst, es ist der Wille.

Man sieht mich nicht, nimmt mich nicht wahr,
Regen perlt mir durch mein Kleid,
Flieg' ich, freu' mich ganz und gar,
Mein Wunsch ist klar, der Himmel weit.

Hier oben, weiß ich, ist der Sinn
Des Lebens gänzlich anders;
Es ist, als ging's dort um Gewinn,
Doch Wahrheit liegt meist ganz woanders.

Was ist wichtig, wenn ich flieg',
Wenn ich der Elemente nah
Ihn ohnehin schon kenn', den Sieg,
Den gold'nen Sonnenaufgang sah?

Schnell durch den Wind, sanft durch die Nacht
Reise ich durch Glut und Eis;
Bin hier, bin da, auf Schwingen sacht
Reise ich, allein und leis'.

Wer bin ich hier, was denk' ich mir,
Könnt' auch ein Phönix sein,
Bin grau, nicht weis(s), doch ist's nicht schier
Ein Wert, nicht mehr als Trug und Schein?

Hier oben, über Leid und Freud',
Scheint, was wichtig ist, oft alt:
Ist's schlimm, wenn ich die Zeit vergeud',
Sie ziehen lasse, tot und kalt?

Man sieht mich nicht, schließlich bin ich
Nur eine Taube, grau und klein;
Flieg' ich, und damit hat es sich,
Ob Sturmwind oder Sonnenschein.

Hier oben, weiß ich, ist es mir ein Segen
Des Lebens, weit zu reisen;
Es ist, als ob's der Freude wegen
Mein Schicksal mir den Weg wird weisen.

Was ist nun wichtig, denn der Schemen,
Undefiniert, diffus im Licht,
Die uns meist ohnehin nur lähmen,
Schleichen, quälen, Schicht für Schicht?
 
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