M
magdalena
Guest
"Bring dich doch um, dann kann ich dich wenigstens einweisen lassen." sagte sie zu mir
Aber ich glaubte ihr nicht.
Mütter sagen so etwas nicht.
Sie schauen einen nicht an mit diesem Gesicht, was wie eine Maske aussieht, die Augen kalt, die Stimme gleichgültig.
Noch viele Jahre später drehte ich diesen Satz immer wieder in meinem Kopf hin und her.
"Ich gehe morgen zu meiner Ärztin", sagte ich.
Eine junge Ärztin, die wusste dass es mir nicht gut ging und die gesagt hatte, dass ich jeder Zeit zu ihr kommen könne wenn was wäre.
Eine vertrauensvolle junge Frau, die Menschenkenntnis und Mitgefühl zu haben schien.
Welche Beurteilungsfehler !
Kurz nachdem ich das Sprechzimmer betreten hatte war klar dass Dinge schief liefen.
Meine Mutter war vor mir dagewesen...was auch immer sie in ihrer sehr überzeugenden Art erzählte, habe ich nie erfahren.
Als klar wurde dass ich nicht einverstanden war, wurden innerhalb kürzester Zeit ein paar Leute zusammen getrommelt, die mich mit Gewalt festhielten während mir eine starke Beruhigungsspritze gesetzt wurde.
An meinen Armen hatte ich später blaue Flecken davon und die Äderchen um meine Augen herum waren aufgeplatzt.
Aufwachen tat ich in einem Raum ohne Türklinke...wusste nicht wo ich war oder warum...stand wohl ein paar Tage unter einer Art von Schock.
"Ich will hier raus..." war das einzige was ich tagelang immer wieder sagte.
Ich hatte unglaublich grosse Angst davor was nun andere Menschen für meine Zukunft entscheiden würden.
"Deine Eltern haben die Entscheidungsgewalt über dich...du bist nichtvolljährig- wir dürfen dich nicht gehen lassen."
Fassungslos schaute ich zu wie Menschen mit Gewalt Medikamente verabreicht wurden.
Würde es mir genauso ergehen ?
Als mein Vater zu Besuch kam, da flehte ich ihn an mich dort raus zu holen.
Ich war nicht nur sprichwörtlich auf meinen Knien, sondern wirklich...lag auf dem Boden, hielt seine Beine fest, bettelte...
In meinem ganzen Leben hatte ich mich nie mehr gedemütig wie in diesem Moment.
Er traf die für ihn bequeme Entscheidung.
Die Tür fiel ins Schloss.
Es war der schwärzeste Tag meines Lebens...denn an diesem Tag zerbrach meine Seele in tausend Stücke.
Das Kartenhaus stürzte ein.
Das übervolle Fass lief über.
Nie mehr war ich der Mensch, der ich vorher war.
Von einem Tag auf den anderen gingen innere Hölenqualen los...nie sollte ich mich vollständig davon erholen.
Den einzigen "Fehler" den ich gemacht hatte war sterben zu wollen- eine ruhige und wohlgereifte Entscheidung.
Meine Kraft reichte nicht mehr erwachsen zu werden, wozu auch ?
Ich hatte alles getan was ich konnte um der Situation zu entkommen und hatte verloren.
Ich war mehr und mehr in einem seelischen Benommenheitszustand geendet, neben mir stehend, nicht mehr richtig da.
Keine Hilfe irgendwo in Aussicht.
Dafür wurde ich nun auch noch bestraft ?
Hatte ich nicht den anständigen Ausweg gewählt ?
Wenn einem von klein auf immer eingeredet wird was für ein verabscheuenswürdiges Wesen man ist...man glaubt das.
Bis oben hin voll mit Selbsthass und Komplexen glaubt man tatsächlich keine Lebensberechtigung mehr zu haben.
Ich wollte der Welt einen Gefallen tun sie von mir nutzlosem Wesen zu befreien.
Meine Freundinnen kamen alle aus unheilen Familien.
Das war unsere Normalität.
Das erzählt einem doch niemand dass man daran kaputt gehen und sterben kann !
ganz wird man die erinnerung nie los - aber sich zu öffnen ist schon mal ein sehr heilsamer schritt.
chocolade, ich wünsch' dir aus vollstem herzen, dass du eines tages deinen inneren frieden machen kannst.
mit vergebung hat es nach meinem erkennen eher am rande zu tun -
es geht vielmehr darum sich innerlich emotional völlig lösen zu können.
meine mutter ist der deinen in nichts nachgestanden, und mein vater war zwar ein sehr lieber mensch, aber schwach und ihr hörig.
ganz am ende des lebens meiner mutter ist geschehen, was ich mir so sehr wünschte - dass ich meinen frieden machen konnte mit ihr.
es war ein langwieriger prozess, der vielleicht nur deshalb erfolgreich sein konnte, weil mein wunsch ein so intensiver gewesen ist, und ich wusste - nur so kann es gut werden für mich.