Meiner Ansicht nach ist es von Fall zu Fall verschieden, und verurteilen darf und soll man keinen, wie auch immer er die Situation löst.
Ist man in solcher Lage, werfen sich sowieso enorme Lebensthemen auf,
zum Beispiel:
Unsere Schulmedizin ( mein Vater überlebte 2 Schlaganfälle, einen Herzinfarkt und hatte Alzheimer)...
die finanzielle Frage ( es gibt die Pflegestufen, doch reichen die?.. und ist der Elternteil im Heim, was nehmen die dem Heim-insassen alles weg, damit es sich ausgeht?...wieviel muss man als Kind anteilig dazuzahlen?
Welche Hilfe gibt es für die unmittelbaren Betroffenen, die im selben Haus/ Wohnung wohnen?
es kommt nicht darauf an, ob man seinen Elternteil gern mag oder weniger gern , damit man ihn zu Hause pflegt, sondern darauf, ob man der Situation überhaupt gewachsen ist, und das ist immer individuell verschieden.
Man sollte sich seiner Grenzen nicht schämen, jeder Mensch hat das Recht darauf, nein zu sagen.
Und wenn ich ehrlich bin, ich würde nicht wollen, dass eines meiner Kinder auf mich schaut; gerade weil ich sie über alles liebe.
Meine Mutter hatte die grössten Schuldgefühle, als sie der Situation nicht mehr gewachsen war, ständig hörte ich: was werden die Leute dazu sagen, wenn ihr Mann ins Heim kommt?
Bis sie schliesslich zusammenklappte und selber ins Krankenhaus musste.
Das muss sich einer mal vorstellen für eine 70 jährige: ein Jahr lang keine Nacht mehr durchgeschlafen, weil Vater immer aktiv war, trotz Medikamente, überall hinurinierte, die Windel ständig runterriss, das Bett versaute, in der Wohnung herumgeisterte, Dinge kaputt machte, nicht mehr richtig gehen konnte aber wollte und so ständig wo hinfiel, mit ihr schrie, sie bedrohte, beschimpfte, richtig Psychoterror, nicht mehr alleine anziehen, essen, und waschen sowieso nicht mehr... die ständigen Hasstiraden, dann wieder nur weinen bis zum geht nicht mehr...
Als er dann im Heim war, besuchte sie ihn sowieso jeden Tag und blieb oft den ganzen Tag bei ihm, bis sie erkannte, dass ihr auch das einfach über ihre Kräfte geht, dann blieb sie einen Tag fern, um dann wieder immer für ihn da zu sein.
Sie schaute, dass er im Heim etwas zu Essen hatte, denn die Schwestern hatten - oder nahmen - sich keine Zeit , ihm zu helfen( bis auf eine, aber die war nicht immer da). Und so ging oft ein Essen fast unangerührt zurück, aber nicht, weil er nicht wollte, sondern weil er nicht konnte... das beobachtete meine Mutter rundherum, nicht nur bei ihrem Mann.
Natürlich kommt es aufs Heim an - mein Vater war in einem öffentlichen Pflegeheim, also kein privates.
Als er im September vorigen Jahres gestorben ist, haben wir alle sehr um ihn geweint, doch wir waren froh für ihn, dass sein Leiden endlich ein Ende hatte.
Also, wie es der Einzelne will, oder was die Situation bringt, sind 2 verschiedene paar Schuhe, und man sollte so entscheiden, wie es am sinnvollsten für alle Beteiligten ist, denn es geht nicht nur um den Kranken, sondern es betrifft die ganze Familie.
Und, noch etwas:
Wir sind 3 Schwestern, doch keine konnte Vater zu sich nehmen, weil es wirklich nicht möglich war. Und ich war dann diejenige, die bei ihm war, als ihn das Rettungsauto abholte, um ins Heim zu bringen.
Es war die schlimmste Stunde meines Lebens, ihn so dasitzen zu sehen und zu wissen, dass er diese Wohnung nie wieder betreten wird - zumindest nicht mit diesem kranken Körper, denn inzwischen hat sein Geist uns alle schon besucht.
alles Liebe
seherin