Die Fadenmaschine

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Koenigskind

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Die Fadenmaschine

Es war einmal eine Frau, die hatte gerne mit Kindern zu tun und die Kinder aus Nachbarschaft und dem Freundeskreis hatten ebenso gerne mit ihr zu tun.
Ein Wochenende stand bevor und eine Bekannte hatte gefragt, ob nicht die Möglichkeit besteht, dass Alessandro noch mal eine Nacht bei ihr schlafen könnte? Als Babysitter war sie sehr beliebt und gefragt und so wurden alle Vorbereitungen getroffen. Alessandro war nicht irgend ein Kind, nein, er war ein kleiner Wirbelwind, hatte rotes Haar und einen italienischen Vater. Mehr muss man gar nicht wissen, das sagte alles über sein Temparament aus. Inzwischen war er fast 4 Jahr und schon deutlich pflegeleichter als noch vor einiger Zeit.
Trotzdem, es war besser, man packte wertvolles Geschirr wie Vasen und Obstschalen auf die Seite. Der Papagei in seinem grossen Käfig, war der einzige der diesem kleinen Rabauken Respekt abverlangte. Denn Chicco rannte auf seinen Holzstängchen entlang, kam direkt ans Gitter und verteidigte sein Revier unerbittlich. Dann zuckte selbst Alessandro erschrocken mit den Augen und wich einen Schritt zurück.
Es forderte schon einige Rafinesse, diesen Strolch mit einer Sache so zu fesseln, dass er mal zehn Minuten auf seinem Hinterteil sitzen blieb oder gar von etwas begeistert war. Nun gab es in der grossen Wohnung einiges, was Alessandro Zuhause nicht hatte und zumindest für ihn neu war. Und so ging diese Frau gelassen mit ihm durch die präparierte Wohnung und erklärte dem Kind, was es wissen wollte. Wozu ist das? Was tut man damit? Und wer schläft dort? Warum steht das da? Alles Fragen, die sonst keiner stellt und auf deren Beantwortung man so nicht gefasst ist. Fragen, die man sich nie stellt, weil die Antworten so klar sind - für uns Grosse.
Nach Alessandros Eintreffen, kippt er einen Sack mitgebrachtes Spielzeug mitten ins Wohnzimmer. Darin enthalten waren Kinderbücher, Bauklötze für die er längst zu gross war, sein Lieblingspuzzle und ein Kartenspiel, Mikadostäbchen und ein Schmusetier für die Nacht.
Der Papagei plapperte munter mit dem kleinen um die Wette und immer wenn er ein Wort sagte das Sandro kannte, rief der entsetzt in die Küche: “Hast Du das gehört, der hat Quatschkopf zu mir gesagt!” Der Kleine lachte und der Papagei lachte mit, es war ein unbeschreibliches Schauspiel, den Jungen mit dem Vogel in einem Raum zu beobachten. Wüsste man nur, wer da der Verblüfftere von beiden war. Der Vogel hatte nicht oft Besuch von so kleinen Menschen und nahm sie offenbar nicht ernst. Und Sandro kannte viele Tiere aus seinen Kinderbüchern, Krokodile und Elefanten, Spinnen und Enten aber einen echten Papagei hatte er auch noch nie gesehen, schon gar nicht sprechen gehört. Zugegeben, die Frau wusste es nur zu gut, dass nicht nur sie diesen begabten Vogel vergötterte. Er war ein Magnet für viele Kinder aus der Umgebung. Alle wollten ihn mal sprechen hören.


Inzwischen war es Abend geworden. Um allen Diskussionen ums Thema Abendbrot aus dem Weg zu gehen, entschieden sie gemeinsam eine Pizza zu backen. Das lag Sandro im Blut. Und welches Kind isst nicht gerne Pizza?
Auch hierzu waren alle Vorbereitungen längst getroffen. Paprika, Thunfisch und Tomatensosse, Käse gerieben und ach, bald hätten sie es vergessen, die Salami durfte nicht fehlen.
Die Pizza duftete im Ofen und Alessandro saß derweil in der Badewanne. Sie hatten verabredet, nach dem Baden wird gegessen und dann darf er zumindest einen kleinen Teil des Abendprogramms vom Sofa aus mit schauen. Es würde nicht lange dauern, dann fielen die kleinen Äuglein zu und man konnte ihn getrost ins grosse Bett legen, wo er den Rest der Nacht seelig schlafen würde.
Doch manchmal kommt es anders.
Da gab es noch eine Reparatur zu machen und so stellte sich die Frau die schwere Nähmaschine auf den Tisch und sagte: “Ich muss eine Kleinigkeit nähen, es dauert nicht lange, noch ehe du deine Pizza gegessen hast, bin ich fertig.”

Jetzts schlugs aber dreizehn, was ist denn das für ein Gerät, muß sich der Junge gewundert haben. Er fragte aber nicht, beobachtete aus sicherer Entfernung mit vollem Mündchen alles was die Frau dort so machte und staunte nicht schlecht, als sie plötzlich anfing zu nähen. Diese Geräusch, die Bewegung, diese Fäden, es übte eine Faszination auf den Jungen aus. Als er fertig war mit essen, kam er leise und stellte sich mit an den Tisch, sah schweigend zu und stellt wieder einige seiner hintergründigen Fragen!
Alles was er bisher gesehen hatte, aber so eine Maschine war offensichtlich nicht dabei gewesen.
Überall bewegt sich etwas, drehte sich etwas, zieht ein Faden entlang, hebt sich die Nadel, dreht sich ein Rad und unten tritt man ein Pedal, gibt Gas und wird ganz schnell, ach wie gerne hätte er das mal selber ausprobiert. Keine Chance. Die Frau erzählte es besser nicht, aber da hatte sich schon manch einer mit der Nadel durch den eignen Finger genäht. So ungefährlich wie es aussah war es dann doch nicht.
Nach einer viertel Stunde war der Spuk vorüber und sie schauten Fernsehen. Etwas später schlief Sandro wie geplant ein und so verging die Nacht.
Am nächsten Tag kam seine Mutter und fragte natürlich wieder: ”Wie war es ?”
Da hoffte die Frau, er erzählt, vom Spielen, vom Lachen, vom Papagei, von der Pizza oder vom Baden mit mega viel Schaum, doch er schwieg einen Moment. Nein, nichts von all dem wurde erwähnt. Sandro sagte aufgeregt zu seiner Mutter: “Mama, ich will eine Fadenmaschine haben, so eine wie die Inge hat!”
Und so enstand die Geschichte von der Fadenmaschine.
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Verrat

Alles ist aus den Fugen geraten.
Kein Stein steht mehr auf dem anderen.
Die Libellen suchen ihre Gewässer.
Der Hummelflug ist beendet.
Taubedeckte Wiesen.
Wassertreten nach Kneipp.
Der allesverschlingende Ostwind.
Die Millionen Heere der Ameisen.
Das ewige Wetteifern der Soldaten.
Die niederschmetternden Nachrichten.
Die allumfassende Liebe.
Der betrogene Ehemann.
Die besorgte Ehefrau.
Das ständige Bemuttern.
Das herzzerreißende Weinen ihrer Kinder.



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