Die Courage meines Bruders

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Abraxas365Mithras

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Neunzehnhundertdreiundachtzig, wie lang ist das jetzt schon her,
spielten wir im Haus verstecken, mir ist, als wenn es gestern wär.
Irgendwann, es war schon abend, ich war grad mit Suchen dran,
hörte ich ihn plötzlich schreien, was geschah, wusst ich sodann.

Harte Schläge gab es reichlich, doch an diesem Tag zu viel,
fast halbtot lag er am Boden, als er schwer zu Boden fiel.
Irgendwie find ichs erbärmlich, wenn sein Vater ihn so schlägt,
denn mein Bruder ist behindert, geistig etwas schwach belegt.

Alles wegen einer Türe, die sich nie so richtig schloss,
wollte sich doch nur verstecken, und dann hat er einfach bloß
den Schlüssel umgedreht, gelacht, vielleicht gedacht, jetzt suchst du lang,
der Alte kam über das Dach, weil Tom die Tür nicht aufbekam.

Die Courage meines Bruders tut mir weh,
auch nach all den Jahren noch, ja, ich gesteh,
die Courage meines Bruders tut mir weh.

Zweitausendeins beim Schützenfest, hab ich ihn danach gefragt:
ob er alles vergessen hätte, doch er hat mir nur gesagt:
"Ach, was solls, er ist mein Vater, und ich will zum Schützenfest,
heute tut er sowas nicht mehr", seine Courage gibt mir den Rest.

Ich war erst sechs und er war fünf, obwohl gesund, begreif ichs nicht,
sein Herz muss stärker sein als meins, denn Thomas trägt ein liebendes Gesicht.

Die Courage meines Bruders tut mir weh,
auch nach all den Jahren noch, ja, ich gesteh,
die Courage meines Bruders tut mir weh.
 
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