Dezentrierung, Perspektivenübernahme, Meditation und spirituelle Entwicklung

Erstmal, ja sie hören auf zu denken wenn man sie ziehen lässt, ABER das kann man nur machen, wenn man alleine in einer höhle sitzt oder zu hasue aufm bett oder sonst wo, abgeschottet vom Tumult der Welt.

Ja, aber davon habe ich geredet: Kontemplation. Am besten an einem Ort, wo man immer schweigt, nur meditiert, sich nicht um das Kochen kümmern muss: einfach nur Schlafen, meditieren, essen (bis 12 Uhr) und spaziern gehen :)


Naja. Meiner Erfahrung nach hören Gedanken auf zu denken, wenn man sie ziehen läßt, ohne sie zu kommentieren, zu interpretieren und zu verfolgen. Wobei die Formulierung "hören auf zu denken" in doppelter Hinsicht etwas unscharf ist. Erstens ist es in meinem persönlichen Empfinden doch die Quelle, die denkt - also das Bewußtsein - und nicht das Wasser selbst - also die Gedanken. Zweitens wäre es etwas zu früh gefreut, wenn man meint, sie würden ganz aufhören. Die Aufmerksamkeit kann zwischen ihnen hindurch in die Stille gehen - und je feiner sie wird, desto intensiver wird man die Stille erleben - aber keine Gedanken mehr, so sagte Sylvia Wetzel unter unserem dankbaren Gelächter, würde heißen, "daßt gstuabm bist und es nur net gmirkt hast".

Ok, mal schauen, ob uns hier nur die Begriffe trennen.


Also, zu Beginn, wenn man medtiert, dann setzt man sich hin und denkt, "Ha, da ist doch einfach". Man ist zwei, drei Minuten ruhig und denkt, dass man doch ganz ruhig ist. Und dann merkt man, dass man schon denkt.

Dann bekommt man das Bewusstsein für das Loslassen und man versucht jetzt loszulassen, aber dann fängt es gerade erst an ! Man versucht loszulassen, schafft das eine Sekunde, dann will ein Gedanke kommen, man lässt ihn wieder los, das geht dann ein paar Mal und dann ist man plötzlich in einem laaaaaaaaaaangen Gedanken und blickt zurück und sieht, dass man gerade den Einkauf fürs Wochenende geplant hat und man will aufhören, denkt sich aber, dass man das noch kurz zu Ende denken kann.

Dann wird es langsam immer weniger anstrengend, loszulassen. Derjenige, der Loslässt wird ein eigener Geist, er wird ein Beobachter. Und derjenige, der Denken will, der wird zum Beobachteten, dem Zappelfillip :banane:
Die kurzen Ansätze des Denkens werden immer kürzer. "Ich... " "Aha...." "oh ..." Es ist immer nur ein kleines Ansetzen, aber es entsteht schon gar kein richtiger Gedanke mehr. Und zwischen diesen Ansätzen entsteht immer mehr Zeit: Zeit der Stille. Die Konzentration verweilt immer länger nur auf dem Meditationsobjekt, der Atem ist sehr flach, es ist sehr still.
Der Zappelfillip wird immer ruhiger, immer seltener setzt er an, um anzuklammern, zu denken, zu wünschen, und der Beobachter und der Beobachtete werden immer mehr Eins und sind doch immer mehr wie ein fröhliches, ruhiges, kuscheligs, geborgenes Kind und ein weiser, liebevoller Erwachsener.

Immer mehr kehrt Stille ein, immer mehr verweilt die Aufmerksamkeit auf dem Meditationsobjekt.

(Das alles passiert natürlich nicht in "einer" Meditation, sondern es ist eine Entwicklung, die sich über Jahre hinziehen kann)

Von "Gedanken", die irgend etwas zu Ende denken, etc. ist dann aber weit und breit nichts mehr zu sehen. :liebe1:
 
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... im Alltag zeigt sich dann beispielsweise:

"Das Kind/der Beobachtete/ das I" haftet immer weniger unmittelbar an und lässt selbst los, ganz spontan. Wenn es etwas nicht bekommt, wenn jemand es anzugreifen versucht, es lässt ganz einfach los.
"Der Erwachsene/Der Beobachter/ Das Self" könnte immer mehr, wenn er/es müsste, Distanz herstellen, um loszulassen, falls Anhaftung auftritt.
Die Natur (Farben, Töne, Pflanzen etc.) wird immer mehr als Eins wahgenommen.
Und es ensteht keine allzugroße Unruhe, kein Stress im Arbeitsleben, denn da ist immer eine Stille in der Tiefe, die beruhigt.

Ein Weiser (Höheres Selbst) "blickt von einem Berg herab, beobachtet alles ruhig und erkennt so vieles - viel mehr als zuvor, als das Bewusstsein rational und der Geist unruhig war - und der Alltag erscheint wie ein Spiel-, Mitgefühl- und Erkenntnis-Raum - im Vergleich zum großen Kampfplatz der tiefen Meditation.
Dann ist das Kind unmittlbar, es pflückt Blumen und es strahlt wie eine Sonne :)"
 
Energeia schrieb:
(Das alles passiert natürlich nicht in "einer" Meditation, sondern es ist eine Entwicklung, die sich über Jahre hinziehen kann)

Von "Gedanken", die irgend etwas zu Ende denken, etc. ist dann aber weit und breit nichts mehr zu sehen. :liebe1:
Na klar, in 5 Minuten erlernt man das nicht - man hat ja schließlich 35 Jahre lang gedacht, daß man nur das ist, was man sich zu was denkt....:liebe1:

Und natürlich sind dann keine Gedanken mehr zu sehen, irgendwann, wenn wir es einmal geschafft haben werden, unsere Aufmerksamkeit dauerhaft auf die Stille zu richten. Eh klar. :)

Übrigens, in den letzten Atemmedis wurde mir noch was klar. Meine lieben Lamas lehren mehrere Möglichkeiten der Konzentration auf den Atem. Du kannst dich auf den gesamten Atemvorgang richten (und da nun wieder eher vor dem oder nach dem Atemzug einen Schwerpunkt empfinden), oder auf die Stelle, wo der Atem eintritt oder auf die Stelle, wo der Impuls zum Atmen entsteht (also Nasenspitze und Zwerchfell). Bei letzterem ist mir etwas aufgefallen.

Wenn du das konsequent tust, dann erlebst du IN DIR selbst eine Abtrennung vom Ganzen. Konzentrier dich auf die Nasenspitze - und du erlebst, daß du eine Energie fühlst, und nicht weißt wohin sie verschwindet. Konzentrier dich aufs Zwerchfell - und du erlebst, daß du eine Energie fühlst, von der du nicht weißt, woher sie kommt. Erlebe intensiv, wie sich die isolierten Sichtweisen anfühlen - und es entsteht während der Meditation eine Sehnsucht nach Vereinigung. Halte die Isolierung weiter aufrecht - und du bekommst zum ersten Mal ein körperliches Gefühl dafür, mit was für einem Kraftaufwand wir uns an unsere isolierten falschen Sichtweisen klammern - insbesondere daran, wir seien etwas vom Ganzen Getrenntes.

Und dann löse die Isolierung auf und lasse zu, daß sich deine Aufmerksamkeit dezentralisiert - und mache dir anhand des Glücksgefühls über diese wiedergewonnene Einheit ein Bild davon, wie schön es erst sein muß, alle anderen isolierten Sichtweisen aufzugeben...

Viel Spaß beim Ausprobieren...:) aber vielleicht kennst du das ja schon, Energeia :liebe1:
 
Ich sage erstmal was zur Kontemplation. Kontemplation kommt vom lateinischen "contemplare" oder "complentatio" und heisst soviel wie "betrachten" und die "Betrachtung". Ich richte mich also nach der Wurzel des Wortes und betrachten kann man sich schliesslich immer zu jeder Zeit.
 
Energeia schrieb:
Ja, aber davon habe ich geredet: Kontemplation. Am besten an einem Ort, wo man immer schweigt, nur meditiert, sich nicht um das Kochen kümmern muss: einfach nur Schlafen, meditieren, essen (bis 12 Uhr) und spaziern gehen :)




Ok, mal schauen, ob uns hier nur die Begriffe trennen.


Also, zu Beginn, wenn man medtiert, dann setzt man sich hin und denkt, "Ha, da ist doch einfach". Man ist zwei, drei Minuten ruhig und denkt, dass man doch ganz ruhig ist. Und dann merkt man, dass man schon denkt.

Dann bekommt man das Bewusstsein für das Loslassen und man versucht jetzt loszulassen, aber dann fängt es gerade erst an ! Man versucht loszulassen, schafft das eine Sekunde, dann will ein Gedanke kommen, man lässt ihn wieder los, das geht dann ein paar Mal und dann ist man plötzlich in einem laaaaaaaaaaangen Gedanken und blickt zurück und sieht, dass man gerade den Einkauf fürs Wochenende geplant hat und man will aufhören, denkt sich aber, dass man das noch kurz zu Ende denken kann.

Dann wird es langsam immer weniger anstrengend, loszulassen. Derjenige, der Loslässt wird ein eigener Geist, er wird ein Beobachter. Und derjenige, der Denken will, der wird zum Beobachteten, dem Zappelfillip :banane:
Die kurzen Ansätze des Denkens werden immer kürzer. "Ich... " "Aha...." "oh ..." Es ist immer nur ein kleines Ansetzen, aber es entsteht schon gar kein richtiger Gedanke mehr. Und zwischen diesen Ansätzen entsteht immer mehr Zeit: Zeit der Stille. Die Konzentration verweilt immer länger nur auf dem Meditationsobjekt, der Atem ist sehr flach, es ist sehr still.
Der Zappelfillip wird immer ruhiger, immer seltener setzt er an, um anzuklammern, zu denken, zu wünschen, und der Beobachter und der Beobachtete werden immer mehr Eins und sind doch immer mehr wie ein fröhliches, ruhiges, kuscheligs, geborgenes Kind und ein weiser, liebevoller Erwachsener.

Immer mehr kehrt Stille ein, immer mehr verweilt die Aufmerksamkeit auf dem Meditationsobjekt.

(Das alles passiert natürlich nicht in "einer" Meditation, sondern es ist eine Entwicklung, die sich über Jahre hinziehen kann)

Von "Gedanken", die irgend etwas zu Ende denken, etc. ist dann aber weit und breit nichts mehr zu sehen. :liebe1:

Dem kann ich so zustimmen. Obwohl eine Zustimmung eigentlich nicht viel Wert hat. Allerdings weiss ich nicht so genau, was du hier mit Meditationsobjekt meinst ???

auch bei Meditation halte ich mich an der Wurzel des wortes "meditatio" und "meditare" was so viel wie das "Nachdenken", "nachsinnen" bedeutet.
 
Ich finde eigentlich nicht, dass sich Elas und Energeias Perspektive gegenseitig ausschliessen.

Das regelmässige Meditieren (in der Höhle, im Retreat, zuhause) und Stillewerden vertieft nach meiner Erfahrung ganz grundsätzlich die innere Stille, die dann auch im Alltag im Durchschnitt länger anhält. Aber, und hier stimme ich mit Ela überein, das ist noch nicht genug. Es ist eben auch meine Erfahrung, dass diese innere Stille dauernd zunichtegemacht wird durch unkontrollierbare Emotionen, rasende Gedanken usw. Diese basieren aber auf nicht aufgelösten Identifikationen, also alles, was eine innere Anhaftung oder Abwehrhaltung schafft. Alleine durch die Meditation lösen sich diese Identifikationen nicht, es bedarf der gezielten Auseinandersetzung mit sich selbst (der Begriff "Psychotherapie" passt hier ganz gut, auch wenn es sich nur in seltenen Fällen um klassische Therapiestunden mit einem Psychiater handelt). Und da gilt es durchaus zu reflektieren, in sich hineinzufühlen usw.

Wilber hat das irgendwo mal so formuliert: Meditation ("das Üben der Identifikation mit dem Zeugen") führt NICHT automatisch zur Auflösung von Neurosen. Man wird zum unbeteiligten Beobachter der eigenen Neurosen. Aber aufgelöst sind sie dadurch noch nicht. Es gibt durchaus Erleuchtete, die in ziemlich tiefem Masse neurotisch sind (insbesondere nicht wenige jener asketischen Yogis, von welchen es in Indien sehr viele gibt). Die Neurosen aufzulösen geschieht nicht alleine durch Meditation, sondern durch aktive Auseinandersetzung mit sich selbst, wobei aber Meditation diesen Schritt ungemein erleichtern kann (und darum sind Meditierende im Schnitt auch psychisch gesünder als Nichtmeditierende).

Wer das nicht glaubt, der darf sich gerne durch Janwillem de Wetering's überaus unterhaltsame Geschichten lesen, die von seinen vielen Jahren Zen-Erfahrung zeugen. Dort begegnen einem Zen-Mönche, die Alkoholiker oder suizidgefährdet oder sexbesessen sind usw.
 
@fckw

Das hast du schön gesagt. Die Reibung und damit meine ich unter anderem auch die Identifaktionen, die Anhaftungen und die Abwehrhaltungen. Hierraus resultieren dann wohl auch alle Neurosen. Der Punkt ist dann ganz einfach der, wenn man in der Welt ist und dort ist diese Reibung, dann kann man nicht still werden, dann kann man nicht einfach alles an sich vorbeiziehen lassen, es sei denn diese Reibung ist fort!!! UND: Diese Reibung geht weg, automatisch, wenn man sich hinsetzt auf dem Bett und die Gedanken betrachtet, ich sage nicht, dass dies nicht stimmen würde, aber es funktioniert eben nur auf dem Bett oder in der Höhle etc...Wenn man dann im Leben ist und irgendeine Herausforderung steht an, dann ist auf einmal Konflikt da, Gedanken kämpfen, wollen nicht!!!, struggle!!, da hilft die Meditation (ich verwende dieses wort jetzt mal so wie es gewöhnlich gebraucht wird, also nicht nach der Wurzel des Wortes), zu hause auf dem Bett überhaupt nicht.
 
Hallo Leute!

Warum eigentlich das Ganze so kompliziert sehen?

Es geht doch nur um Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Bewußtsein..... oder wie man es sonst nennen möchte.

Mehr ist eigentlich nicht zu sagen...

Es geht darum, dass man sich seiner Aktivität bewußt ist.
Wenn ich vom Atem abgelenkt werde, durch Gedanken, - dann bin ich mir eben meiner Gedanken bewußt! Wenn ich jedoch merke, dass mein Bewußtsein durch Identifikation "verbraucht" wird, kehre ich wieder zum Rettungsanker Atem zurück.....
Dazu braucht es auch kein stures Sitzen einmal eine halbe Stunde am Tag.
In geringerer Intensität kann man sein ganzes Leben bewußter warnehmen.
Dabei spielt es keine Rolle, dass man durch ein Gedankenmuster immer wieder daran erinnert wird "Aufmerksam" zu sein, wenn man nur Aufmerksam ist.

Deshalb: Kultiviere Aufmerksamkeit, soviel du kannst,- zu jeder Zeit, an jedem Ort.

Gruß, Arjuna

PS: Enscheidend dabei ist: Sei besonders Aufmerksam, wenn es dir schlecht geht!
 
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