Eine Fortsetzung.........
Nachdem ich Ihn nun bis zu seinen Grenzen ausgelotet habe, bin ich heute vorsichtiger, was man von Ihm nicht wirklich behaupten kann.
Irgendwann legt er sich heftigst ins Gebiss. Gegensteuern! Sitz, Schenkel, Hand
Was für eine Hand eigentlich? Ich kann Ihm mit nur einer gesunden Hand kaum mehr Widerstand leisten und er fühlt das und macht sich erneut freier.
Irgendwann wird es mir zu mühsam, meine Muskeln beginnen zu krampfen, Handschuhe hab ich natürlich vergessen...ich pariere durch und schüttle die Hand aus, sortiere die Zügel neu und fasse plötzlich kurzentschlossen nur den Kandarenzügel an.
Blanke Kandare nennt man das. Bisher habe ich es nur selten versucht und nie halten können. Jedes feine Instrument ist am Ende auch durch seine Schärfe definiert.
Ob man ein Instrument wie dieses hier anwenden darf, bestimmt am Ende das Pferd. Verkrampft es sich oder beginnt es der Kandare auszuweichen, muss man den Versuch abbrechen und zur Unterlegstrense oder gar Trense zurück kehren..
Ich treibe Ihn gegen die aushaltende Hand und mache Ihm klar, dass nun die Kandare dominieren wird. Erwartungsgemäß gibt er dem Druck im Genick nach.
Mit seinem Nachgeben folgt auch die Hand. Sitz, Schenkel und Hand werden freundlich, belohnen sein Nachgeben und nun wird es entscheidend sein, ob er diese Belohnung annehmen kann und der Kandare mit arbeitendem, aber entspannten Körper und Maul folgen kann.
Er sucht das Gebiss, die Hand, sein Körper bleibt locker. Sehr gut! Ich bin erstaunt.
Das erste Mal, dass er die blanke Kandare akzeptiert..
Ich setze mit der Lektion fort, bei der ich abbrechen musste. Einfacher Galoppwechsel: drei, vier, Parade, gerade machen, Parade, noch gerader machen, Schritt (das geschieht dann schon von selbst) und neu angaloppieren. Irgendwann nimmt er mich vorweg. Eigentlich will ich Ihn nur noch ein wenig gerader machen (es soll eine Vorbereitung sein wieder einmal den fliegenden Wechsel mit Ihm reiten zu können), als er mich vorwegnimmt und mit einem kurzen Wechselschritt eigentlich unsauber- umspringt.
Der Punkt ist aber, er hat sich bemüht mitzudenken und einen kurzen Gewichts- bzw. Sitzfehler meinerseits kann ich nicht ausschließen, so etwas passiert einfach zu leicht.
Ich bin alles andere als fehlerfrei..
Er hat mir gezeigt, dass er mitarbeiten will und am Denken ist. Was will ich mehr?
Ich beschließe es heute dabei zu belassen und nur noch ein wenig die Hankenbiegung zu fördern durch reiten in Richtung versammelten Trab.
Ich habe mir seine Grenze von gestern gemerkt. Da ich nun weiß, wo sie liegt, halte ich in meiner Anforderung an Ihn einen guten Respektabstand dazu und er nimmt die Herausforderung sich zu versammeln auch viel besser an, als noch vor relativ kurzer Zeit.. ich bin zufrieden.
20 Minuten Arbeit, mehr braucht es nicht mehr, in seinem Alter.
Schon lange habe ich diese Dinge nicht mehr von Ihm eingefordert, aber er ist aus unerfindlichen Gründen in steigender Form und will zur Zeit einfach nur beschäftigt werden..
Obwohl die Zügel nun locker am Hals hängen, ist die Energie der Versammlung noch in seinen Bewegungen zu fühlen, plötzlich aber reagiert er ungewöhnlich: er sieht Gespenster (spooky nennt man das bei uns gerne).
Ich fühle etwas, das ich nur sehr selten bei Ihm fühle: mein Pferd hat Angst!
Er ist absolut nicht feige und ich sehe auf diesem Waldweg auch nichts, was Ihm diese Furcht einflösen könnte, aber seine Empfindung ist eindeutig da..
Er sieht etwas, das ich nicht sehe, er hört etwas, das ich nicht höre, er wittert etwas, das ich nicht wahrnehmen kann.
Was immer es ist, für Ihn ist es gegenwärtig und macht Ihm Angst..
Ich entspanne mich, lege Ihm beruhigend meine Hand auf den Hals, denn er scheint bereit sich herumzuwerfen
(auch das ist ungewöhnlich, normalerweise ist er ein Pferd, der sich dem Unbekannten zuwendet, es sehen will..).
Ich sage Ihm still: Was immer es ist, ICH BIN DA! Ich passe auf Dich auf, keine Sorge! Ich bin bei Dir, komm, vertrau mir! Lass uns weiter gehen.
Er zögert und ich fühle nur diese tiefe Liebe zu Ihm und das Verstehen und Annehmen seiner Angst.
Da geht er weiter und entspannt sich schließlich..
Ich sattle ab und wir gehen grasen.
Er hat diesen sehr selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht. Irgendwann macht Ihm das alles nur noch Spass! Die Fohlen auf der Nachbarweide, der Hengst, der Ihm die ganze Zeit zuwiehert und die Kutsche, dir dort ums Eck biegt.
Er nimmt Kopf und Schweif hoch und meint nur: Ich gehe jetzt, kommst Du auch mit?
Mistaaggrrgh!
Ein Teil von mir amüsiert sich, ein Teil versucht Ihn in Richtung Stall zu bugsieren und da er sich gerade noch gnädig- steuern lässt, kann ich mir einfach ein Grinsen nicht verkneifen.. ich kenne Ihn einfach schon zu lange und solche Temperamentsausbrüche gehören nun mal zu Ihm, sobald es Ihm wirklich gut geht.
Er sieht mich an, aber ich kann nur lachend den Kopf schütteln, Ihn versorgen und Ihn auf die Weide schicken. Da ist dieser jugendliche Schalk in seinen Augen
ich liebe diesen Glanz, ich will Ihn mir nicht durch unnötige Härte verderben, auch wenn er es mir dadurch nicht immer einfach macht
LG
Regina