Der Wald (Ort der Spiritualität) und der Forst (wirtschaftliches Nutzgut)

Fröstelnd streife ich durch den Auwald, raschelnd bei jedem Schritt das leicht angeschneite Laub aufwirbelnd. Hinter mir lasse ich eine braune Spur, dort wo der Schnee sich am Laub sich nicht mehr halten konnte, die Flocken grob herabgeschüttelt wurden von meinen unbarmherzigen Schuhen. Jedes Kind könnte mich heute verfolgen, aber welches Kind geht schon bei diesem Wetter hinaus in einen solchen Wald?
Die Gedanken fliegen zurück an meine eigene Jugend, wo es mich genau an solchen Tagen hinausgezogen hat, immer bereit, irgendwelche möglichen und unmöglichen, realen und erträumten Geheimnisse zu entdecken ... aber heute streife ich ganz allein und unbeachtet durch das Laub, kann so laut sein wie ich will ...

Etwas fällt mir plötzlich auf; weit entfernt ein dunkles Etwas zwischen den farblosen Baumstämmen - endlich ein guter Grund, das ziellose Streifen aufzugeben, und auf ein Ziel loszugehen ...

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Langsam nähere ich mich dieser großen dunklen Traube, die scheinbar den Baumstamm umklammert, auf dem sie sich befindet. Wie ein Fremdkörper umschmiegt sie den rauhen Stamm fast zur Gänze, und die Oberfläche zerfällt in lauter kleine, teilweise mit Algen und Moosen sanft begrünte kleine Knorpel. ich umkreise diese übergroße Warze ... und gleichzeitig denke ich, dass "Warze" doch ein häßliches Wort ist für dieses eigentlich sanft gerundete und ästhetisch geformte Etwas.

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Ich lehne mich an einen Stamm gleich gegenüber, hole - aus Verlegenheit? - eins meiner Brote aus dem Rucksack und beginne erstmal gemütlich zu schmausen - und schaue gebannt nach "oben" zu dem "Ding" hinauf. Dabei fällt mir auf, wie wohl ich mich in diesem Moment fühle, wie fröhlich mich diese Entdeckung macht, und kaue extra lange und langsam, um diese Zeitspanne so richtig auszukosten. Die Kälte wird unwichtig, und während ich immer noch auf diese unbenannte Beule am Baum starre, wird mir intensiv bewußt, wie langsam mein Brot den Weg in meinen Magen findet, nehme intensiv meine "Nahrungsaufnahme" wahr - ein wie durch ein Vergrößerungsglas verstärktes Fühlen ist das gerade ....

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Einige Minuten lasse ich dieses gemeinsame Schauen und Fühlen noch in mir nachklingen, bevor ich meine Sachen wieder packe und mich von diesem Ort verabschiede - um ein seltsames Erlebnis reicher ....

Raschelnde Grüße
cerambyx
 
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Weglos durch den Auwald - das ist immer am Schönsten und man kommt so richtig "herab" ...

Das trockene Laub verhindert ein lautloses Gehen, und so gehe ich einfach extrem langsam zwischen den Stämmen und dem Gestrüpp hindurch. Das Wild nimmt mich so von weitem wahr und hat genügend zeit, sich leise zu verdrücken, und braucht nicht in wilden Fluchten unnütz seine Energie zu vergeuden. Es kennt ja sehr genau den Unterschied zwischen aufregendem "schleichen" und absichtslosem "gehen" und richtet sein Verhalten auch danach ein ....

Weglos ... und dennoch versperrt mir ein Baum den Weg .... denke ich und unbegründete Heiterkeit macht sich in mir bemerkbar. Wie sinnlos doch manchmal Worte sein können ...

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Hoppla, ich bin in die Nähe von einigen Flußbegleitenden Teichen gekommen ... und dabei über die Arbeit eines Bibers wohl der letzten Nacht gestolpert .... er scheint nicht fertig geworden zu sein, aber das wird er wohl bald nachholen ...

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Hier hat ein Größerer, Mächtigerer wesentlich schneller und effizienter gearbeitet .... Gevatter Sturm hat hier zugelangt und mit sicherem Griff den alten, kranken und schwachen Stamm entdeckt ... und geknickt wie ein Streichholz. Aber wie schon oft bemerkt: das ist nicht der endliche Tod, der hier vor mir liegt. Generarionen von Pilzen, Flechten, Insekten und deren Larven und wiederum deren Jäger werden diesen scheinbar toten Baum noch einige Jahre beleben, mit Leben füllen ... schon jetzt finde ich eine halbe Schale einer aufgebrochenen Haselnuss auf der Bruchfläche, wohl weil ein Specht die Stammscheibe als willkommenen Amboß benutzte ....

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Quer über leere Felder führt mich der weitere Weg, und grüßend winkt mich eine noch junge Eiche näher, die schon deutliche Zeichen für einen späteren markanten, kernigen und kräftigen Wuchs eines Einzelbaumes trägt, in dem einst vielleicht irgendwelche Wesenheiten der Natur ihren Sitz haben werden ... schon jetzt Persönlichkeit ... anders als nur Natürlichkeit ....

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Die Eiche hat mich aufmerksam gemacht .... ich gehe nahe heran und schau ihre Rinde genau an, untersuche die Furchen ..... sie trägt schon zahllose kleine Blauflechtenkinder und Kreisflechten, und die Rinde bildet schon eine eigenen kleine landschaft, in deren Ausdehnung ich mich bei der Betrachtung fast verlieren kann ... jene Ritzen, in die ich schauen kann, sind aber leer - keine Insekten, keine Larven überwintern hier ... sie steht wohl zu exponiert im kalten Luftzug ....

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... und weil ich jetzt im Anschluss einfach genauer schaue, fallen mir ich auch schon die Zutaten für den Brotaufstrich ins Auge ... und gleich danach in die Tasche!
Ein klitzekleiner Flecken voller junger Bärlauchtriebe leuchtet mit den hellgrünen Büscheln am Waldrand .... ich wähle dieses Büschel, ich nehme jenes Büschel, an dreien gehe ich vorbei, und die nächsten zwei gehören wieder mir .... es ist ein fröhliches Pflücken und Bücken .... *auweh* ... na, auch das ging früher doch leichter, erinnere ich mich kurz .....

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Ich wünsche Spirituelle Mahlzeit
cerambyx
 
Auf riesigen Flächen wütet der Borkenkäfer, meistgehaßter Schädling im bloß einartigen Fichtenwald, der als Monokultur für die Forstwirtschaft zwar gewinnträchtig, aber auch anfällig ist wie alles, was der Mensch "anders" als die Natur pflanzt. Der Schaden, den der kleine Käfer anrichtet, kann jährlich in die Millionen Festmeter gehen ...

Aber was für den industriell denkenden Forstwirt "Schaden" bedeutet, ist für die Natur bloß "Dynamik". Ändern sich Voraussetzungen, wird fallweise erbarmungslos das Schwache ausgemerzt und durch Besseres, Stärkeres ersetzt. So wie hier auf diesem Bild ... es handelt sich um eine "natürliche Fichten-Monokultur" im Gebirgsraum. Entstanden durch jahrhundertelange Auslese und durch die Fichte wahrgenommene Standortvorteile. Sie konnte dort - dicht unterhalb der Baumgrenze - fast alle anderen Baumarten wie Buche, Ahorn und Lärche verdrängen oder gar nicht erst aufkommen lassen. Und durch die Höhenlage war sie dem Zugriff des Borkenkäfers bisher entzogen - zu kalt war es dort oben für die kleinen Tierchen, zu kurz der Sommer für die Entwicklung einer Brut ...

Aber jetzt ändert sich das Klima ... und unbarmherzig zieht der Borkenkäfer in die Höhe, wo es jetzt wärmer geworden ist, und stürzt sich zu Millionen auf die fette Beute "Fichte". Diese hat schon mit der ungewohnten Wärme zu kämpfen; an exponierten Lagen ist der Boden trockener geworden und die Fichte hat Mangel an Wasser; neue Winde, ja Extremstürme haben die Bäume geknickt, gebrochen, gestürzt und Löcher in die geschlossene Walddecke gerissen - und so wurde der Boden für die winzigen Käferchen aufbereitet.
Und sie haben volle Arbeit geleistet ... überall blättert die Rinde von den Stämmen, und manchmal ist der Wald tot und grau geworden , so weit das Auge reicht ....

Und dennoch - in kurzer Zeit wird auch hier frisches Grün sprießen, und alles wird überwuchert sein von einer saftigen Pflanzendecke ... und alles wird sich anders - aber neu entwickeln ...

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Gar nicht weit entfernt ein ganz anderes Bild - der Bergwald ist durchsetzt mit Buchen, Ahorn, Fichten, Eichen und an feuchten Stellen finden sich sogar Eschen und Erlen. Dicke Bäume, schlanke Bäume, hohe und niedrige Bäume bunt durcheinander gemischt. Auch hier hat dazwischen ein Sturm ein paar Bäume gefällt, aber die Bäume waren biegsamer, haben sich gegenseitig Schutz gegeben, und so hat nur wenige das Schicksal getroffen.
So ein Loch im Naturwald ist aber kein Schaden, sondern ein Glücksfall! In wenigen Wochen und Monaten wird hier frisches Grün aus dem Boden schießen, dem neu auftreffenden Licht entgegen. Und in wenigen Jahren wird ein junger Wald mit vielleicht anderen Arten die Lücke wieder aufgefüllt haben - pralles Leben ...

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... und so bleibt im Naturwald die Dynamik die treibende Kraft zur immerwährenden Veränderung, egal ob natürlicher Misch- oder natürlicher Einheitswald!
Nur im "Menschgemachten Wald" wird die Dynamik jedoch zum Schaden!

Es grüßt aus dem Wald
cerambyx
 
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Monoton wirkt der Nutzwald auf 1000 Metern Höhe, trotz der Schneedecke, die fröhliche Flecken überall dort bildet, wo sich die Frühlingssonne durch das dicht benadelte Kronendach kämpft ...
Doch nur wenige Spuren sind auf der Schneedecke sichtbar - ein paar einzelne Rehfährten, ansonsten nur Hundepfoten, die unweit der geradlinigen Menschenspuren ihre Girlanden in den Schnee zeichnen ... keine Füchse, keine Dachse, keine wilden Hühner, nicht einmal Eichkätzchen ...

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Laut tönt das Knirschen des Schnees unter meinen Schritten durch diesen Wald - wie Echo scheint es sich an den Stämmen zu brechen, sich förmlich zu verlängern, um so der lautlosen Leere ringsum wenigstens eine Stimme zu verleihen ...

cerambyx
 
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