Der Turmbau zu Babel: Gen 11,1-9
1 Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte.
2 Als sie von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und siedelten sich dort an.
3 Sie sagten zueinander: Auf, formen wir Lehmziegel, und brennen wir sie zu Backsteinen. So dienten ihnen gebrannte Ziegel als Steine und Erdpech als Mörtel.
4 Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel, und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen.
5 Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten.
6 Er sprach: Seht nur, ein Volk sind sie, und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen.
7 Auf, steigen wir hinab, und verwirren wir dort ihre Sprache, so dass keiner mehr die Sprache des anderen versteht.
8 Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde, und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen.
9 Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.
(Einheitsübersetzung)
Es ist wie alle diese Erzählungen in der Bibel eine Erzählung aus der Gegenwart, aus dem gegenwärtigen Heiligen.
Der Mensch in der Vielheit möchte nicht weiter zerstreut werden. Das ist die Motivation.
In der Dynamik einer Gruppe ist es der Übergang von der qualitativen 12 in die qualitative 13.
Bis zu 12 Mitglieder einer Gruppe können noch "eine Sprache" und "die gleichen Worte" gebrauchen. Man kann sich einig sein, welches Ziel man erreichen möchte. Doch darüberhinaus zerbricht die Einheit.
Die Versuchung, eine funktionierende Gruppendynamik mit Regeln und Verpflichtungen festzuklopfen, ist immer gegeben. Gibt man ihr nach, dann fängt es an zu erstarren, und unterschiedliche Meinungen entstehen, unterschiedliche Fraktionen, unterschiedliche Marschrichtungen, und jeder meint für sich, Recht zu haben. Der andere Teil, der auch entsteht, ist Erstarrung in Dogmen, in Denkverboten und in Gesetzen, die die Lebendigkeit beschneiden.
Man kann diese Dynamik in jeder Gruppe von Menschen beobachten, egal ob im Kegelverein, in einer religiösen Gemeinschaft, einer Partei oder einer Forschungsgruppe. Bis zur qualitativen 12 funktioniert eine völlige Gleichberechtigung, und jeder kann etwas beitragen, man benötigt nicht unbedingt eine Hierarchie.
Danach entsteht automatisch eine Hierarchie, wenn es noch weiter funktionieren soll... Funktionäre werden benannt, einer muss die Kasse nehmen (im Beispiel der 12 Jünger und Jesus war es Judas).
In der inneren Dynamik einer Suche nach Erleuchtung kann man dieselben Prozesse beobachten. Es gibt ein einfaches Rezept, wie sie erlangt werden kann... doch es funktioniert nicht, eben aus diesem Grunde.
Aus dem Ego heraus kann der Himmel nicht erreicht werden, selbst wenn man die optimalen Techniken kennt...