sybillejennifer
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- 3. Januar 2011
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Hier ein Auszug meiner Gedanken, als meine Tochter dem Himmel so nah war.
Als hätte ich es geahnt, dass eine Hiobsbotschaft kommen wird, habe ich die vorhergehenden Tage sehr schlecht geschlafen. Ich habe Alpträume und schrecke in regelmäßigen Abständen hoch, weil meine Träume so real scheinen.
Oft wird erklärt, dass sie das Tor zum Unterbewusstsein sind. Und ich denke das im Kern dieser Aussage die Wahrheit liegt. Wie sonst könnte ich mir die Tatsache erklären, dass mein Instinkt durch die Illusion meiner Träume so deutlich geschärft ist. Bis auf wenige Ausnahmen haben sich meine Vorahnungen mit der anschließenden Realität bewahrheitet und wenn ich nun an die vielen Begebenheiten zurückdenke, die ich erlebt habe, und die Gewissheit spüre, dass meine Ahnungen fast identisch mit der anschließenden Wirklichkeit einhergehen, ergeben sich für mich Gründe genug, mich auf meine Intuition zu verlassen.
Rückblick
Wie bitte? Habe ich richtig gehört? Jennifer muss wieder operiert werden?
Aber sie sagten doch, erst in ein paar Jahren! Die erste Operation ist doch erst 1 ½ Jahre her. Wie kann das sein? Unbewusst blättere ich in meinen Erinnerungen wie in einem Stapel Fotos und will es einfach nicht wahrhaben.
Unmöglich, versuche ich es noch einmal, doch der ernste Blick und die Mimik des Arztes, bestätigt mir nur die eben getroffene Feststellung. Um den Ernst der Lage wissend, erläutert mir der Herzspezialist ausführlich die Gründe, welche die Notwendigkeit einer Korrektur OP rechtfertigt. Der Druck in der rechten Herzkammer ist viel zu hoch, und die Pulmonalarterien zeigen eine starke Verengung, die wir mit Kathetereingriffen nicht mehr beseitigen können. Zudem müssen wir den Homograft austauschen und dafür brauchen wir einen ganz speziellen, einen T-förmigen, den wir nur in der Organspenderbank in Brüssel anfordern können, da bei Jennifer die rechte wie auch die linke Pulmonalarterie in Mitleidenschaft gezogen ist. Aber da wir ein ganz besonderes Teil benötigen, ist es nicht sicher, wann wir dieses erhalten. Und die Zeit drängt...
Die Hände auf meiner Tochter ruhend, versuche ich die Worte zu erfassen aber mein Herz, welches wie wild schlägt, lässt mich keinen klaren Gedanken fassen. Mit jedem weiteren Wort verstärkt sich das Gefühl, bis ich den Puls so heftig an meinem Hals spüre und ich Angst bekomme.
Die Konturen meiner Tochter verschwimmen vor meinen Augen und das letzte was ich bewusst wahrnehme ist ihr fröhliches vor sich hin gebrabbel, nichtsahnend was auf sie zukommen wird.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, und der letztendlichen Gewissheit, schaffe ich es mich wieder in den Griff zu bekommen, ziehe mechanisch meine Tochter an und das letzte was man von uns sieht ist, wie ich mit meiner Tochter auf dem Arm, langsam und tief in Gedanken versunken, den Gang der Kinderklinik in Richtung Auggang schleiche.
Gleich am nächsten Morgen kaufe ich mir eine Überwachungs-Kamera, die ich ins Schlafzimmer einbaue - den Fokus aufs Bett gerichtet, um Jennifer auch nachts, immer im Blick zu haben.
Für mich ist es eine Erleichterung - besonders abends gibt es mir etwas Sicherheit, auch wenn ich nicht unmittelbar in Jennifers Nähe bin, einen möglichen Krampfanfall rechtzeitig zu bemerken, oder vom Wohnzimmer aus ihre Atmung zu beobachten. Die einzigen Bilder, die ich mir anschaue, während ich nachts Fachbücher studiere.
Die Tage sind ausgefüllt mit Leben. Ich bemühe mich Stark zu sein und bin überrascht, wie gut es mir gelingt. Zumindest wenn es hell ist. Die Nächte dagegen sind grausam. Ich habe Angst die Augen zu schließen. Die Alpträume sind so schlimm und konkret, dass ich morgens völlig gerädert und von Tränen durchnässt aufwache oder schreiend den Schlaf unterbreche. Die Träume so deutlich, dass es mir unmöglich macht wieder einzuschlafen.
Der OP ist hell beleuchtet. Ich stehe etwas abseits, in der hinteren Ecke des OP Saals und beobachte, die Chirurgen, die voll konzentriert an meiner Tochter arbeiten. Die Instrumente blitzen im hellen Licht der OP Lampe und ich höre das Geräusch, wie die Säge die Rippen durchtrennt. Ich kann nichts sehen, nur hören und stehe in der hintesten Ecke des Raumes und kann mich nicht rühren, nicht schreien, geschweige denn mich anders bemerkbar machen. Überall ist Blut, doch ich kann ihr nicht helfen, da ich vor Angst völlig starr und gelähmt bin.
Dann ein Zeitsprung. Ich stehe vor dem Sarg meiner Tochter. Den Pinsel in Farbe getaucht, um die schönen Momente ihres Lebens auf dem weißen Holz zu verewigen. Wieder ein Szenenwechsel und nun befinde ich mich vor dem Grab meiner Tochter und überlege angestrengt, was ich ihr mitgeben könnte. Erinnere mich an unser Lied, dass wir so gerne gehört haben und nun durch die Lautsprecher über den gesamten Friedhof schallt. Es ist das Lied von Phil Collins DIR GEHÖHRT MEIN HERZ. Dann wache ich schreiend auf. Die Erinnerungen an den Traum noch so real, das mir das Blut in den Adern gefriert.
Mit einem Seitenblick auf meine Tochter vergewissere ich mich, das es ihr gut geht. Sie atmet ruhig, aber flach aber es geht es gut und schläft nur.
Ich trotte niedergeschlagen und mit klopfenden Herzen ins Wohnzimmer. Schalte den Monitor der Überwachungsanlage wieder an und versuche mich auf die Buchstaben des Buches zu konzentrieren, das vor mir liegt.
Ich habe Angst vor der Stille. Lausche angestrengt den regelmäßigen Atemzügen meiner Tochter und das rhythmische Ein und Ausatmen beruhigt mich wieder. Irgendwann schlafe ich völlig erschöpft ein.
Als hätte ich es geahnt, dass eine Hiobsbotschaft kommen wird, habe ich die vorhergehenden Tage sehr schlecht geschlafen. Ich habe Alpträume und schrecke in regelmäßigen Abständen hoch, weil meine Träume so real scheinen.
Oft wird erklärt, dass sie das Tor zum Unterbewusstsein sind. Und ich denke das im Kern dieser Aussage die Wahrheit liegt. Wie sonst könnte ich mir die Tatsache erklären, dass mein Instinkt durch die Illusion meiner Träume so deutlich geschärft ist. Bis auf wenige Ausnahmen haben sich meine Vorahnungen mit der anschließenden Realität bewahrheitet und wenn ich nun an die vielen Begebenheiten zurückdenke, die ich erlebt habe, und die Gewissheit spüre, dass meine Ahnungen fast identisch mit der anschließenden Wirklichkeit einhergehen, ergeben sich für mich Gründe genug, mich auf meine Intuition zu verlassen.
Rückblick
Wie bitte? Habe ich richtig gehört? Jennifer muss wieder operiert werden?
Aber sie sagten doch, erst in ein paar Jahren! Die erste Operation ist doch erst 1 ½ Jahre her. Wie kann das sein? Unbewusst blättere ich in meinen Erinnerungen wie in einem Stapel Fotos und will es einfach nicht wahrhaben.
Unmöglich, versuche ich es noch einmal, doch der ernste Blick und die Mimik des Arztes, bestätigt mir nur die eben getroffene Feststellung. Um den Ernst der Lage wissend, erläutert mir der Herzspezialist ausführlich die Gründe, welche die Notwendigkeit einer Korrektur OP rechtfertigt. Der Druck in der rechten Herzkammer ist viel zu hoch, und die Pulmonalarterien zeigen eine starke Verengung, die wir mit Kathetereingriffen nicht mehr beseitigen können. Zudem müssen wir den Homograft austauschen und dafür brauchen wir einen ganz speziellen, einen T-förmigen, den wir nur in der Organspenderbank in Brüssel anfordern können, da bei Jennifer die rechte wie auch die linke Pulmonalarterie in Mitleidenschaft gezogen ist. Aber da wir ein ganz besonderes Teil benötigen, ist es nicht sicher, wann wir dieses erhalten. Und die Zeit drängt...
Die Hände auf meiner Tochter ruhend, versuche ich die Worte zu erfassen aber mein Herz, welches wie wild schlägt, lässt mich keinen klaren Gedanken fassen. Mit jedem weiteren Wort verstärkt sich das Gefühl, bis ich den Puls so heftig an meinem Hals spüre und ich Angst bekomme.
Die Konturen meiner Tochter verschwimmen vor meinen Augen und das letzte was ich bewusst wahrnehme ist ihr fröhliches vor sich hin gebrabbel, nichtsahnend was auf sie zukommen wird.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, und der letztendlichen Gewissheit, schaffe ich es mich wieder in den Griff zu bekommen, ziehe mechanisch meine Tochter an und das letzte was man von uns sieht ist, wie ich mit meiner Tochter auf dem Arm, langsam und tief in Gedanken versunken, den Gang der Kinderklinik in Richtung Auggang schleiche.
Gleich am nächsten Morgen kaufe ich mir eine Überwachungs-Kamera, die ich ins Schlafzimmer einbaue - den Fokus aufs Bett gerichtet, um Jennifer auch nachts, immer im Blick zu haben.
Für mich ist es eine Erleichterung - besonders abends gibt es mir etwas Sicherheit, auch wenn ich nicht unmittelbar in Jennifers Nähe bin, einen möglichen Krampfanfall rechtzeitig zu bemerken, oder vom Wohnzimmer aus ihre Atmung zu beobachten. Die einzigen Bilder, die ich mir anschaue, während ich nachts Fachbücher studiere.
Die Tage sind ausgefüllt mit Leben. Ich bemühe mich Stark zu sein und bin überrascht, wie gut es mir gelingt. Zumindest wenn es hell ist. Die Nächte dagegen sind grausam. Ich habe Angst die Augen zu schließen. Die Alpträume sind so schlimm und konkret, dass ich morgens völlig gerädert und von Tränen durchnässt aufwache oder schreiend den Schlaf unterbreche. Die Träume so deutlich, dass es mir unmöglich macht wieder einzuschlafen.
Der OP ist hell beleuchtet. Ich stehe etwas abseits, in der hinteren Ecke des OP Saals und beobachte, die Chirurgen, die voll konzentriert an meiner Tochter arbeiten. Die Instrumente blitzen im hellen Licht der OP Lampe und ich höre das Geräusch, wie die Säge die Rippen durchtrennt. Ich kann nichts sehen, nur hören und stehe in der hintesten Ecke des Raumes und kann mich nicht rühren, nicht schreien, geschweige denn mich anders bemerkbar machen. Überall ist Blut, doch ich kann ihr nicht helfen, da ich vor Angst völlig starr und gelähmt bin.
Dann ein Zeitsprung. Ich stehe vor dem Sarg meiner Tochter. Den Pinsel in Farbe getaucht, um die schönen Momente ihres Lebens auf dem weißen Holz zu verewigen. Wieder ein Szenenwechsel und nun befinde ich mich vor dem Grab meiner Tochter und überlege angestrengt, was ich ihr mitgeben könnte. Erinnere mich an unser Lied, dass wir so gerne gehört haben und nun durch die Lautsprecher über den gesamten Friedhof schallt. Es ist das Lied von Phil Collins DIR GEHÖHRT MEIN HERZ. Dann wache ich schreiend auf. Die Erinnerungen an den Traum noch so real, das mir das Blut in den Adern gefriert.
Mit einem Seitenblick auf meine Tochter vergewissere ich mich, das es ihr gut geht. Sie atmet ruhig, aber flach aber es geht es gut und schläft nur.
Ich trotte niedergeschlagen und mit klopfenden Herzen ins Wohnzimmer. Schalte den Monitor der Überwachungsanlage wieder an und versuche mich auf die Buchstaben des Buches zu konzentrieren, das vor mir liegt.
Ich habe Angst vor der Stille. Lausche angestrengt den regelmäßigen Atemzügen meiner Tochter und das rhythmische Ein und Ausatmen beruhigt mich wieder. Irgendwann schlafe ich völlig erschöpft ein.