Der lange Weg zum Wunschberuf

Juliette

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14. Juni 2007
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Leipzig
Dies ist nun nach wochenlangem Stöbern in diesem Forum mein allererster Beitrag und ich freue mich wirklich sehr, dass es hier die Möglichkeit gibt, sich über so faszinierende und wegweisende Themen wie die Familienaufstellung auszutauschen.

Ich habe ein Problem, was mich bewusst erst seit Tagen beschäftigt, dafür aber heftig:
Mir ist jetzt klar geworden, dass ich wohl mein geisteswissenschaftliches Studium mit dem Schwerpunkt Sprachen abbrechen sollte, um endlich das zu lernen, was mir wirklich naheliegt und mich berührt.
Ich bin nun schon im 7. Semester und habe bis jetzt geglaubt, obwohl das Studium nur eine Notlösung war, das jetzt endlich mal durchziehen zu müssen. Ich bin immerhin schon fast 27.
Ich hatte immer grosses Interesse für die Psychologie gehegt, aber ein Studium in der Richtung abgelehnt, da es mir zu theoretisch, zu sehr am Menschen vorbei erschien.
Mein Wunsch ist die Ausbildung zur Psychotherapeutin, am besten mit anschliessender Ausbildung zur Familienaufstellerin.

Meine Frage an Euch lautet: Was glaubt Ihr, was ich als Grundlage lernen sollte? Ich würde mir gerne ein fundiertes Basiswissen aneignen und für die Fortbildung zu Psychotherapeutin brauche ich, glaube ich, sowieso eine Lehre oder ein Studium davor.
Ich dachte an Ergotherapie, aber da klickt es noch nicht so richtig.
Es wäre wunderbar, wenn mir jemand antworten würde.

Liebe Grüsse und einen schönen Abend,
Juliette
 
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Liebe Juliette,

Praktisch JEDES Studium ist lebensfremd und unbefriedigend. (Gerade Psychologie kann so was von weltfremd, trocken und frustrierend sein.) Ich weiß nicht, wie lange Dein Studium noch dauert. Ich habe seinerzeit 3 Jahre an der Dissertation geschreiben - die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich hätte öfters am liebsten alles hingeschmissen. Und das war das Wichtigste, was ich dabei gelernt habe : Dass es sich lohnt, nicht aufzugeben. DAS brauchst Du auch später in einer therapeutischen Tätigkeit : einen Menschen nicht aufgeben, auch wenn alles noch so aussichtslos erscheint. Wenn man das selbst im eigenen Leben nicht gelernt hat - wie soll man es dann weitergeben ?

Da Dich Aufstellungen ohnehin interessieren - mach einfach eine Aufstellung dazu. Gerade die Tendenz, vor dem Ziel aufzugeben, kann eine Verstrickung und Wiederholung sein.

Und versprich Dir, Dich nicht mehr auf "Notlösungen" einzulassen.

LG, Reinhard
 
Lieber Reinhard,

ich freu, mich dass Du mir geantwortet hast.
Dieses Problem des Dinge-Abbrechens hatte ich vor 1, 5 Jahren aufgestellt und mich danach entschlossen, mein Studium weiterzumachen.
Seitdem studiere ich halbherzig, hab das Gefühl im Schlamm festzustecken und das das, was ich lerne, für mich unbedeutend ist. In dem Tempo weiterzumachen, bedeutet, noch 2 - 2,5 weitere Jahre bis zur Magisterarbeit.

Ich rief also diese Woche meine Aufstellerin an, und bat sie darum, mir Ideen zu vermitteln, wie ich mehr Energie in dieses Studium stecken und diese schrecklich Trägheit abschütteln könnte.

Sie meinte, dass das Studium keine gute Grundlage hat, wenn es damals das "Beste vom Schlechten" war. Und meinte, dass obwohl Nicht-Aufgeben eine wichtige Sache ist, es hier zu überlegen wäre, das zu tun, was die Situation klären könnte: Einen Ausbildungswechsel.

Ich bin völlig verwirrt. Meine Zwischenprüfung steht an, ich müsste wie verrückt lernen... und kann's grad nicht. Als wär dieser Trubel hier eine willkommene Ablenkung!

Nun kann ich mir vorstellen, dass dieser Text hier, nur wenig an Deiner Sicht ändert, Reinhard, oder?
Ich hatte nur das Gefühl, es nochmal etwas erklären zu müssen.

Liebe Grüsse von einer grad völlig verunsicherten Juliette
 
Seitdem studiere ich halbherzig, hab das Gefühl im Schlamm festzustecken und dass das, was ich lerne, für mich unbedeutend ist.
Es kann sein, dass HIER der Punkt liegt - und das es darum geht zu schauen, wer im Schlamm steckte und umkam. Sonst kommt das Gefühl möglicherweise immer wieder hoch - auch in der Partnerschaft, im Beruf. Und dass es gut wäre, die Studienfrage losgelöst von diesem Gefühl zu entscheiden (um nicht von einer Verstrickung beherrscht zu reagieren.)

Aber das ist eine Vermutung, die nicht stimmen muss.

LG, Reinhard
 
Schlamm... Mein ältester Bruder ist mit 8 Jahren ertrunken. Das war 5 Jahre vor meiner Geburt. Dieses Thema habe ich bereits in 4 Aufstellungen behandelt und sogar meine Eltern versuchten, das dieses Jahr durch das Familienstellen zu klären.
Meine schweren Depressionen verschwanden vor 2 Jahren nach einer Aufstellung. Ebenso meine Todessehnsucht.

Mein zweitältester Bruder war (so wie ich) sehr gut in der Schule, lebte dann aber 8 Jahre als Pseudostudent, brach 2 Studien ab und quälte sich dabei, da er Angst hatte, das meinen Eltern zu offenbaren.
Danach fand er auf einmal die Kraft, an einer Akademie zu studieren und ist jetzt seit Jahren erfolgreich in einem Unternehmen tätig. Er hat keine Familie, was ihm auch sehr fehlt.

Vielleicht hätte ich die Möglichkeit, morgen an einer Aufstellung teilzunehmen.
Wäre das eine gute Idee, so kurzfristig (vielleicht überhastet) dabeizusein?

Kann der Tod meines Bruders als wahrscheinliche Folge des früh verstorbenen Grossvaters im Krieg immer noch nicht hinreichend geklärt sein und nachwirken?

Liebe Grüsse,
Juliette
 
Kann der Tod meines Bruders als wahrscheinliche Folge des früh verstorbenen Grossvaters im Krieg immer noch nicht hinreichend geklärt sein und nachwirken?
ja, dahingehend, als dass sich diese wirklich tragischen umstände gut als rechtfertigung für die eigene bocklosigkeit zurechtbiegen lassen.

meine güte - wenn dich dein studium :4puke: , dann mach' doch etwas anderes. wo ist das problem, warum oder vor wem benötigst du eine entschuldigung dafür, dass du etwas beendest, was dir nichts bringt oder guttut?

allerdings ist richtig, dass ausgerechnet psychologie ein unendlich langatmiges und langwieriges studium sein kann, völlig dröge und mit statistik vollgeknallt. da ist erstmal garnichts mit arbeit am menschen, helfen usw.. ich wette, dein jetziges studium ist dagegen deutlich interessanter und - was sind 2,5 jahre max (wenn du dich anstrengst nur 2) gegen nochmal 8 - 10 semester, respektive bei der angezeigten motivation 12 bis 14? da machst du dir sicherlich was vor, in deinem zwischentief.

und - solche tiefs gibt's immer wieder, davor ist auch ein psychologe nicht gefeit. das ist sicherlich auch oft frustrierend, sich permanent den seelenunfrieden von anderen leuten reinziehen zu müssen.
 
Ein Gedanke für Dich, Juliette:
Wenn Du seit 1,5 Jahre halbherzig studierst, nachdem vor zwei Jahren Deine Depression aufhörte, kann es ja auch sein, dass die damalige Wahl heute nicht mehr passt weil inzwischen Dein Eigenes lebendig geworden ist.
Meine Tochter hat neulich in einer vergleichbaren (Entscheidungs-)Situation zwei Plätze im Raum gewählt und mit Bodenankern (Pappe) markiert.
Eine für den einen, eine für den anderen Weg.
Dann hat sie sich auf die jeweiligen Plätze gestellt und hingespürt.
Es war eindeutig, wo es ihr besser ging, sie mehr Kraft hatte und fröhlicher war.
Da Du ja den systemischen Hintergrund schon mehrfach aufgestellt hast, wäre durchaus möglich, dass hier ein pragmatscherer Ansatz völlig ausreichend ist.
Mit besten Wünschen,
Eva

 
Ich danke Euch sehr dafür, dass Ihr mir geantwortet habt.

Von Pisces:
ja, dahingehend, als dass sich diese wirklich tragischen umstände gut als rechtfertigung für die eigene bocklosigkeit zurechtbiegen lassen.

meine güte - wenn dich dein studium , dann mach' doch etwas anderes. wo ist das problem, warum oder vor wem benötigst du eine entschuldigung dafür, dass du etwas beendest, was dir nichts bringt oder guttut?

(Sorry, kann noch nich zitieren.)

Hörte es sich wirklich danach an, als würde ich Ausreden für meine Faulheit suchen?
Ich denke, Deinen eigenen Beiträgen in anderen Foren nach, dass Du nachempfinden kannst, wie schwer es (gerade auch für Wasserzeichen) sein kann, sich beruflich auf die eigenen Beine zu stellen, bzw. erstmal zu motivieren.
Dass es diese Tiefs immer wieder gibt, stimmt natürlich...ich hab halt nur das Empfinden, dass das ein Grundgefühl bei mir ist.

Melodie:

Dein Beitrag hat mich sehr angesprochen, da ich auch das Gefühl hatte, dass ich dieses Thema vielleicht nicht in einer richtigen Aufstellung klären müsste, da nämlich seltsamerweise die Teilnahme an der Aufstellung an diesem WE nicht geklappt hat.
Ich habe es auch ausprobiert. Ich habe mich gesammelt und bin dann an die markierten Stellen getreten. Und ich weiss natürlich nicht, ob das jetzt ein verschleiertes Empfinden war,... doch die Reaktionen waren stark:
Ich wurde glücklich auf "meinem neuen Weg" und konnte tief durchatmen und zittrig, unwohl, dunkel und mutlos bei " meinem Studium".
Wenn ich Reinhard richtig verstanden habe, dann könnten diese Reaktionen aber vielleicht eine Täuschung, eine Flucht oder sowas darstellen, oder?
Kann ich dem Ergebnis trauen?
Es war auf jeden Fall eine spannende, schöne Erfahrung.
 
Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben : Das mit den "Entscheidungsaufstellungen" ist eine heikle Geschichte mit vielen Irrtumsmöglichkeiten.

1. Wäre es dringend empfehlenswert, die beiden Stellen für sich selbst unkenntlich zu machen (sodass man nicht weiß, welche Stelle für was steht). Sonst ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man das fühlt, was man erhofft.

2. Woran merkst Du, was passt ? Die Gefühle alleine werden es wohl nicht sein. Natürlich ist es erleichternd, das mühsame Studium abzubrechen und was Neues anzufangen. Aber : Bringt es Dich auch dem angestrebten Ziel näher ? DAS ist ja das Entscheidende, oder ? Auch könnte man schauen : gibt es eine Veränderung, die das Studium wieder attraktiv macht ? (Entscheidungsaufstellungen würde ich nicht wie Münzenwerfen auf Ja / Nein reduzieren.)

3. Irgendwie ist das absurd, Entscheidungen von "äusseren Zeichen" abhängig zu machen. "Aus der Teilnahme am Seminar wurde nichts, das heißt ... ."

Das eigentliche und tiefere Thema ist, dass Du Dir und Deinen Entscheidungen nicht traust. DAS wäre fein, wenn Du eine Form findest, wie Du die für Dich passende Wahl findest und umsetzt - wenn Du Zugang zu Dir und zB. Deiner Intuition findest. JEDE Form. die Entscheidung an irgendwas oder irgendjemanden zu delegieren, ist auf Dauer unbefriedigend. Denn Du (und allein Du) musst auch die Konsequenzen Deiner Entscheidung tragen ... (Weder ich, noch Melodie, noch die Pappendeckel.)

LG, Reinhard
 
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Das eigentliche und tiefere Thema ist, dass Du Dir und Deinen Entscheidungen nicht traust. ... JEDE Form. die Entscheidung an irgendwas oder irgendjemanden zu delegieren, ist auf Dauer unbefriedigend. Denn Du (und allein Du) musst auch die Konsequenzen Deiner Entscheidung tragen ... (Weder ich, noch Melodie, noch die Pappendeckel.)
faulheit hatte ich beim schreiben meines postings nicht im sinn, bin eher d'accord mit dem oben zitierten beitrag.
 
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