Ich denke noch immer über diese drei Sätze nach, also über deren Bedeutung. (Über den Smiley am Ende hingegen nicht.)
Interessant ist ja, dass Menschen, welche an sich selbst den Anspruch stellen, wahrlich moralisch zu sein (oder abgeschwächt: zu handeln), immer ein wenig die Dummen sind. Erstens mag man sie nicht so gerne, weil sie stets ein bisschen zu wenig menschlich sind. Ein wenig metallisch, sozusagen. Von mir aus: ein wenig allzu saturnisch. (Ich habe ja übrigens auch Sonne Trigon Saturn. Und wegen Uranus: Der steht bei mir in Opposition zur Sonne und zu Chiron.) Zweitens sind sie oft noch am predigen, um Urajups Worte aufzugreifen, während sich alle anderen, nach tiefgründigen Diskussionen darüber, was man zu tun habe, längst am Buffet bedienen.
Mich interessiert das, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass fast alle Menschen sich selbst gerne als moralisch aufrichtig denken (sogar Verbrecher und Gauner tun das in der Regel), gleichzeitig aber im gelebten Leben in nicht gerade wenigen Fällen sich gerne nicht an die eigene Moral halten.
Der Mensch ist also, bei genauerer Betrachtung, zumeist nur halb halb. Also weder ein richtiger Verbrecher, noch ein richtiger Heiliger, sondern hat von beidem ein wenig, und nicht selten von keinem genug.
Was also ist denn das nun für ein Vorwurf, der von Urajup geäussert wurde? Es ist ja nicht der Vorwurf, ich würde eine Moral einfordern, die unmenschlich sei. Es ist ebenso wenig der Vorwurf, ich selbst würde meiner eigenen Forderung in keiner Weise standhalten. Es geht hier also gar nicht um die Moral, sondern was mir vorgeworfen wird, ist
Selbstgerechtigkeit.
Hier eine längere, eher umständlich formulierte Definition von Selbstgerechtigkeit.
Nun ist ja das Feststellen von Selbstgerechtigkeit bei anderen eine durchaus interessante Sache. Denn sobald jemand die Selbstgerechtigkeit eines anderen konstatiert, gibt er sich die Blösse, dass nun wiederum irgendjemand anderer daherkommen und ihm wiederum Selbstgerechtigkeit unterstellen kann. Womit sich diese Person ebenfalls entblösst, und eine weitere Person kommen und ihn kritisieren könnte. Und so weiter, ad infinitum. Die gegenseitige Kritik mag insofern ein amüsanter Zeitvertreib sein, aber was dabei nicht entsteht, ist irgendeine Art von Dialog, eine Gemeinsamkeit des Zieles, irgendeine gemeinsame Wahrheit zu finden, sich zu verständigen, oder wenigstens am Ende unvereinbare Weltbilder zu konstatieren.
Betrachtet man nun den Thread-Verlauf, dann fällt sofort auf, dass Jake die einzige Person geblieben ist, die nach meinem ersten Post inhaltlich etwas beigetragen hat. Urajup und Christel haben sich damit begnügt, Argumente ad hominem abzufeuern, freilich ganz ohne zusätzlich auch nur ein Wort über das zu verlieren, was ich da zu Beginn des Threads ausgesprochen hatte.
Dieses Nicht-auf-ein-Thema-Eingehen - freilich ohne gänzlich zu schweigen! - finde ich nun aber wiederum mindestens so interessant, wie Jakes Beitrag. Es wird also geredet - nur nicht über das, was da inhaltlich gesagt und behauptet wurde. Sondern, im Fall von Christel und Urajup, über denjenigen, der gesagt hat (mich). Urajup und Christel leiten also einen Wechsel der Ebene ein, sie wählen bewusst sofort Argumente der Meta-Ebene, ohne auch nur ein einziges Wort über die Ebene selbst zu verlieren. Also nicht "Was du gesagt hast ist falsch, weil..." sondern "Wer bist du, dass du so etwas sagen dürftest?".
Welche Art von Moral steht hinter einem solchen Verhalten? Offenbar eine Moral, die es erlaubt, andere ad hominem zu kritisieren, ohne auf den eigentlichen Inhalt des Gesagten Bezug nehmen zu müssen. Es wird die Autorität des Sprechenden in Frage gestellt, nicht der Inhalt des Gesprochenen. Um die Autorität eines anderen in Frage zu stellen, muss man aber selbst die Autorität besitzen, oder sie zumindest in Anspruch nehmen, das tun zu können!
Es geht hier, mit anderen Worten, also um ein Spiel der Mächte. Gerade indem Christel und Urajup mich hier kritisieren, beanspruchen sie letztlich Macht für sich selbst. Beispielsweise die Macht, es besser zu wissen, oder die Macht, ein Urteil fällen zu können und so weiter. (Selbstverständlich ist auch mein Eingangsposting ein solcher Machtakt.)
Und hier schliesst sich der Bogen. Ich stelle mir gerade vor (ob das stimmt, weiss ich zur Zeit nicht), dass die weiter oben erwähnte naive Person, die Moral einfordert, deshalb immer ein wenig der Dumme ist, weil er nicht begreift oder nicht begreifen will, dass Moral immer und in erster Linie ein Machtakt ist. Er glaubt an Ideale - seine Umwelt an die Macht.
Wer denkt, dass das alles nicht stimmt, der schaue sich nur mal die Rolle der Grünen in Deutschland an, oder auch die der SPD, wenn man ein bisschen weiter in die Geschichte zurückschaut. Sämtliche Ideale wurden im Verlaufe der Geschichte allesamt gegen Macht eingetauscht.
Die einzigen Dummen, die das noch nicht mitgekriegt haben, sind vermutlich die Prediger.