Was also ist das? Kollektive Einbildung?? Kollektive Wahnvorstellungen??
Weder zwingend das eine, noch zwingend das andere. Und auch nicht zwingend die Erinnerung an ein früheres Leben.
Um es vereinfacht auszudrücken: Jede Erfahrung, die ein Mensch macht, ist an und für sich ohne Attribute. Und jeder Mensch fügt dieser attributslosen Erfahrung einen Überbau an Dingen - Attributen, Wertungen, Erklärungen, Assoziationen usw. - hinzu.
Wenn mir also jemand erzählt, er habe eine Erinnerung an ein früheres Leben, so kommuniziert er nicht wirklich die Erfahrung, die er gemacht hat. Diese kann gar nicht durch Worte kommuniziert werden, weil sie ohne jegliche Attribute ist. Sondern er kommuniziert mir den Überbau an Dingen. Ich sehe nicht, was die Person wirklich gesehen hat, sondern ich muss mich auf das Wort dieser Person verlassen - welches, wie gesagt, nicht mit der eigentlichen Erfahrung übereinstimmt.
Ich habe als Aussenstehender überhaupt keine Möglichkeit nachzuprüfen, welches die eigentliche Erfahrung ist.
Aber die Person selbst hat diese Möglichkeit auch nicht - denn die Erfahrung ist bereits vorbei, wenn sie darüber zu reden oder nachzudenken beginnt.
Jede Erfahrung wird
nachträglich in einem Kontext eines Überbaus gedeutet. Das, was du hier uns erzählst, ist deine persönliche Deutung einer Erfahrung. Ob es sich dabei um die Erinnerung an ein früheres Leben handelt oder nicht, das kann nicht mehr festgestellt werden. Deine Behauptung darf daher durchaus bezweifelt werden, aber auch der Zweifel darf mit absolut gleichem Recht wiederum bezweifelt werden.
Das ist das eine.
Das andere ist, dass Menschen äusserst unzuverlässig sind, wenn es um ihre Erinnerungen geht. Es konnte gezeigt werden, dass es ziemlich einfach ist, Menschen Erinnerungen "einzupflanzen" (z.B. durch gefälschte Fotografien), die sie in ihrem Leben nie gemacht hatten. Beispielsweise wurden Kriegsberichte von Menschen, die den 2. Weltkrieg miterlebt hatten, untersucht und man stellte fest, dass sich hier Berichte von anderen mit eigenen Erinnerungen vermischten und Personen dahin tendierten, fremde Erinnerungen als ihre eigenen auszugeben.
Wenn wir die Existenz parapsychologischer Bereiche in Betracht ziehen, dann wird die Sache vollends unübersichtlich. Beispielsweise könnte es dann sein, dass die Erinnerung zwar tatsächlich an ein früheres Leben stammt, aber nicht von dir ist, sondern von einer anderen Person, die sich deiner Wahrnehmung bedient. Oder es könnte sein, dass du und die andere Person ein morphogenetisches Feld erstellt habt, innerhalb dessen tatsächlich sowas wie eine kollektive "Erinnerung" entsteht, die von euch beiden gleichermassen gespiesen wird.
Oder es könnte sich um einen archetypischen Komplex handeln, den ihr beide teilt, und den ihr - eurem Überbau gemäss - in solche "Schein-Erinnerungen" übersetzt.
Aber selbst wenn wir weniger weit suchen: Durch unbewusste, subtile Manipulation und Suggestion könntest du einer anderen Person eine Erfahrung einreden, die sie nie gemacht hat und danach als die eigene ausgibt, was dann zum verblüffenden Effekt führt, dass ihr euch beide an etwas erinnert, was ursprünglich bloss deine eigene Erinnerung war. Kollektive Suggestion - ja.
Es gibt also viele mögliche Erklärungen. Gemäss der Forderung von Occam's Razorblade - der Forderung, nach welcher jene Theorie zu bevorzugen ist, die mit möglichst wenigen Unbekannten auskommt - wäre die einfachstmögliche Theorie die zu bevorzugende.
Welche auch immer das ist.