Der Ausschluss von Tätern

Dagmar

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Hallo liebe Zulesenden,

aus den vorangegangenen Threads habe ich bisher unbeantwortete Fragen aufgegriffen und mit Hilfe eines Buches beantwortet,
Wilfried Nelles 'Die Hellinger Kontroverse'. Auf einige Gedanken hat das Buch mich gebracht, zb. das mit dem Baum und dee uh, ihr werdet es so ähnlich in dem Buch wiederfinden. Original-zitate, sind als mit Quote-Zitate gekennzeichnet.

Zitat P.
Was bedeutet: Heute ist MAN einiges weiter? Mit MAN ist gemeint die Auf-
stellung oder die, die sie interpretieren?


Man ist heute um einiges weiter heißt,
es hat Entwicklung stattgefunden.
Der Interpretation haftet etwas Willkürliches an, etwas vom Menschen so bestimmten ohne dass es eine allgemeine Verbindlichkeit hätte. Als sei das Interpretieren eine willkürlich veränderliche Meinung eines Einzeln, die zutreffen kann oder auch nicht.
Wenn wir vor einem Toten stehen, werden wir uns darüber einig sein, dass der Tod ist, egal welche Nationalität wir angehören, ein toter Mensch scheint etwas zu sein, dass von allen Menschen auf der Welt gleich wahrgenommen wird. Also es scheint den Tod zu geben, ebenso wie es einen Baum oder eine Kuh gibt. Es gibt den Tod, den Baum, die Kuh unabhängig von dem was wir wollen und meinen oder auch nicht wollen und nicht meinen. Es ist.

Um aber einen toten Menschen zu benennen, den Baum zu benennen, muss es einen Menschen geben, der das so benennt, und der kann weder tot, noch Baum sein. Nur weil dieser Mensch wahrnimmt dass ein Toter ein Toter ist, und ein Baum ein Baum, hängt es noch lange nicht von ihm selbst ab, dass der Tote tot ist und der Baum ein Baum ist.
Also: ‚die Welt ist so wie du sie denkst’, bzw. ‚wenn du das so sehen willst ist das so’, ist auf dieser Ebene Humbug, ein Baum ist nicht ein Baum, weil ich es will, dass es ein Baum ist, denke, dass es ein Baum ist, ich bin nur der der wahrnimmt und benennt.
Beim Baum, dem Tod und der Kuh ist man noch im Bereich des kleinen Einmal-Eins, wie ist dem mit anderen Realitäten - Wahrnehmungen?!

Nelles beschreibt, der Doktorand Peter Schlöter hat unter Betreuung des Hellinger-Kritikers Fritz B. Simon ab der Universität Witten/Herdecke in einer streng experimentellen Anordnung untersucht, ob die Stellvertreter in einer Aufstellung nur ein beliebiges, subjektives Spektakel (‚die Welt ist immer nur so wie du sie dir denkst, sie ist immer ein Konstrukt der Bilder die du von der Welt hast’) veranstalten, oder ob sie tatsächlich übereinstimmend etwas Reales repräsentieren.

Zu diesem Zweck wurde das gleiche System in verschiedenen Räumen mit verschiedenen Repräsentanten aufgestellt. Insgesamt standen 130 Personen in 2700 Aufstellungen. Das Ergebnis: Die Aussagen der Repräsentanten waren hoch signifikant übereinstimmend, und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter, Sozialisation. Peter Schlötter selbst dazu im Rheinischen Merkur, 28.10.2004: Am meisten hat mich überrascht und fasziniert, wie treffsicher unterschiedliche Menschen in den Versuchen die gleichen Empfindungen äußern. Das ist so signifikant, wie wir es sonst nur in der Naturwissenschaft kennen. Fritz B. Simon bewerte die Arbeit so: ‚Der Innovationsgrad der Arbeit ist außerordentlich, die Methode erfüllt höchste Ansprüche, und obendrein sind die Ergebnisse für die Praxis von hoher Relevanz’.

Warum und wie das genau funktioniert wird noch zu erforschen sein, und je offener die geistige Haltung dazu ist, desto eher wird man vielleicht logisch-plausible Erklärungen dazu finden.
Bert Hellinger selbst braucht und will und muss, nach eigenen Worten, muss nicht alles wissen, es genügt ihm dass es funktioniert.
Der Weizen wächst, die Rose duftet, wer das Warum erforschen will kann das tun, aber bekommt er noch den Duft der Rose mit ?

Zitat P.
Die Aufstellungen haben früher gezeigt, dass der Nazi-Schuldige die Zugehö-
rigkeit verspielt hat und heute zeigen sie es nicht mehr? Wie ist es möglich?


In den Fällen, die sich in den Aufstellungen zeigten, kamen nicht die Betroffenen sondern deren Kinder, Enkel, Neffen oder auch die Opfer selbst.
Im Gegensatz zu den öffentlichen Unterstellungen wird keine Tat beschönigt und kein Täter entlastet. Bis zum Jahr 2000 wurden bei solchen Aufstellungen die Stellvertreter der Täter aus dem Raum geschickt. Das sollte deutlich machen, dass sie durch ihre schlimme Tat ihren in der Familie verwirt hatten und sich ganz allein ihrer Schuld stellen mussten. Allerdings war auch damals schon klar, dass die Nachkommen nur zur Ruhe kamen und seelischen Frieden fanden, wenn sie ihre Väter (die Täter) nicht vedammten, sondern auf jedes Urteil verzichteten. In diesem Sinne verabschiedeten sich Kinder oder Enkel von ihren Väter oder Großvätern, in dem sie sich als Kind vor ihnen verneigten und gleichzeitig die Schuld und die Konfrontation damit den Tätern überließen, ohne sich einzumischen. Zugleich mussten sie sich vor den Opfern ihrer Vorfahren verneigen, auch sie konnten nur Frieden finden, wenn sie auf Anklage oder Rache verzichteten.

Zitat P.
Es ist klar, dass es einen Menschen kaputt machen kann, wenn er weiß,
welche Greueltaten sein eigener Vater oder Großvater ausgeführt haben.
Da muss man direkt Angst haben, dass diese Grausamkeit auch in einem
selbst steckt:
Zitat:
Jetzt hat er herausgefunden - und das bestätigt sich mir auch aus meiner Erfahrung - dass es für die heutigen Frieden bringt, wenn die Liebe auch zu den Tätern wieder fließen kann und sie einen Platz in Familie und Herz bekommen. Hellinger nimmt dabei eine sehr weite Perspektive ein. Aus der Ferne der Geschichte kann man beobachten, dass Täter und Opfer eingebunden sind gemeinsam in Größeres. Sie konnten beide nicht anders und sind doch verantwortlich und betroffen.


Zitat P.
Und jetzt ist es da: ER = B. Hellinger hat es herausgefunden, ER nimmt eine
sehr weite Perspektive. Also doch eine menschliche Manipulation. Er hat herausgefunden, wie man die Schuld abgeben kann, nämlich>> wenn man die Täter und die Opfer gleichstellt - sie konnten nicht anders. Wirklich sehr raffiniert. Und ich verstehe sehr gut, warum es so vielen Menschen gefällt. Da haben sie ihren Freispruch bekommen.


Diese Gleichstellung ist keine Nivellierung!
Bert Hellinger hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass die Ermordung der Juden ein beispieloses Verbrechen ist. Er nennt Täter Täter und Opfer Opfer. Seine Frage ist lediglich: Wie gehen die Nachgeborenen damit um, die Nachkommen der Täter, die Nachkommen der Opfer.
Du solltest eine Aufstellung sehen, man muss auf die Verurteilung verzichten, um zu sehen, was Menschen zu Taten treibt, und man muss auf Rache und Hass verzichten, um Wege zum Frieden zu finden.
Täter bleiben Täter – und Opfer bleiben Opfer, aber darüber hinaus sind sie auch Menschen, gute Menschen, schlechte Menschen, gute Väter, böse Väter, liebende Ehemänner, schlimme Ehemänner und Menschen.
Sabine Christiansen hat in ihrer Talkrunde ihre Gäste gefragt, ob man Hitler tatsächlich als Mensch bezeichnen kann, Reich-Raniki hat ihr mit den Worten geantwortet, ‚was für eine schwachsinnige Frage, was soll er sonst sein ein Elefant, ein Kamel ?!’ (Alles nicht wortgetreu!)
Das Ausgrenzen des Schlimmen hätte zur Folge, dass wir uns mit unserem Schatten nicht mehr auseinander setzen brauchen. Wie stellen wir uns als Mitmenschen zu den dunklen Seite des Menschseins ? Und der dunklen Seite in uns ?

Zitat P.
Das sind wieder die typischen Halbwahrheiten, die am besten die Wahrheit
verdecken - eine "einfache" Lüge wird so was nicht schaffen.
Die ganze Aufmerksamkeit (um zu verdecken) wird von den Tätern auf die
Opfer gebracht - es wird behauptet, dass die Opfer die Täter lieben, und
wenn nicht dann sollten sie es schnellstens tun (=alle Juden für den Hitler
beten oder so etwas).


Nein, was würde passieren, würde man das fordern ?
Sie wären zu recht empört und würden sich so einen Ansinnen verweigern.

Aber was ist mit Nelson Mandela?!
Er ist soweit gegangen und ist zu dem Mann der ihn töten wollte ins Gefängnis gegangen und hat ihm verziehen. Was ist mit Raquel Schlosser, Nachfahrin von Holocaust Opfern ?
Franz Ruppert schreibt dazu auf seiner I-Net-Seite:
Der Vater von Raquel Schlosser hat Auschwitz-Birkenau überlebt. Er ist dann nach Amerika ausgewandert. Raquel Schlosser ist dort geboren und konnte bis vor kurzem nicht nach Deutschland reisen, ohne schon bei dem bloßen Gedanken Panikanfälle zu bekommen. Mit Hilfe des Familienstellens und ihre Bekanntschaft mit Bert Hellinger ist es ihr schließlich gelungen, zusammen mit ihrem Vater noch einmal nach Ausschwitz zu fahren. Sie hat ihre Erfahrungen und ihren persönlichen Prozess in einem Artikel „Von auschwitz zu Familienaufstellungen: Die Reise einer Seele in Richtung Versöhnung“ für mich sehr berührend dargelegt (in Albrecht Mahr (Hg.) (2003) Konfliktfelder – Wissende Felder. (S. 136 – 158). Heidelberg: Carl-Auer.Systeme Verlag.).
Ich habe Raquel Schlosser im September diesen Jahres in Mexiko City getroffen. Dass Prof. Dr. Weber in einem Artikel in der Zeitschrift „Psychologie heute“ Hellinger als (Proto)Faschisten „entlarvt “, hat sie sehr betroffen gemacht. Sie meint, sie spüre in solchen Aktionen immer noch die Energie von Tätern.

Zitat P.
Natürlich ist es nicht richtig die Täter zu verdammen, aber ihre grausamen Taten muss man verurteilen und nicht verharmlosen. Und das fehlt mir bei Hellinger.

Bert Hellinger sagt:
Ich betrachte den Holocaust nicht als etwas, das man gegen das andere Aufrechnen darf, denn der Holocaust hat durch seine geplante Vernichtung eines ganzen wehrlosen Volkes etwas außerordentlich Grausames und in dieser Hinsicht unvergleichlich Schlimmes an sich.
Und vielleicht, Zauberin musst du ‚Der Abschied, Nachkommen von Tätern und Opfern (des Nationalsozialismus) stellen ihre Familien’ lesen.

Wenn man sich dem Täter und seiner Tat zuwendet ihn anschaut, so Gutes tut, kann das einen Täter nie entlasten, es entlastet ihn nicht von seiner Schuld. Seine Schuld bleibt bestehen. Ein Mord kann durch nichts ausgeglichen werden.
Wenn einer etwas stiehlt, kann er das bereuen, es zurückgeben, Sozialstunden dafür leisten aber ein Mord kann nie ausgeglichen werden, denn du kannst ihm sein Leben nicht zurückgeben.

Nelles: Ein aktuelles Beispiel für eine Versöhnung, die die Täter nicht ausklammert, liefert die schwarze Bevölkerung Südafrikas. Antjie Krog schildert in ihrem Eröffnungsvortrag zum 4. Internationalen Literaturfestival in Berlin (9/2004), dass einerseits die führenden schwarzen Politiker dafür gelobt werden, und andererseits wird betont, dass dies ein Modell für die Welt sein könne. Krog zitiert einen amerikanischen Journalisten, der sagte: ’es ist wunderbar, dass die Schwarzen Südafrikaner verzeihen konnten, doch als Weltmacht tragen wir Amerikaner die Verantwortung, dass der Unterschied zwischen Recht und Unrecht gewahrt bleibt. Krog eine weiße Südafrikanerin sagt dazu: ‚In ihrem eigenen Land tun sie alles, um Täter’ vor Gericht zu zerren. Mandela aber wird umarmt, weil er den Mörder seines Volkes vergeben hat. Warum ? Mit angemessener Scham muss es bekannt werden: Weil der Westen Wut versteht, weil er Rache faszinierend findet und Hass aus tiefstem Herzen bewundert.’
Und es gibt noch mehr Beispiele für schwarze Friedensarbeit, die in den Zeitungen für ihre Menschlichkeit hochgelobt werden.

Krog fragt, ‚wie ist es zu erklären, dass die Versöhnungsprozess in Südafrika so viel Beifall und Unterstützung gerade bei Leuten findet, sie selbst nicht im Traum an Versöhnung denen ?’ und antwortet: ‚… wenn nicht so, dass er einen Hautgout von Rassismus enthält, Schwarze sollen vergeben, Weiße müssen Rache nehmen’.

Was würde man mit Hellinger machen, hätte er Beifall für so eine Rede bekommen?
Hellinger sagt im Umgang mit Tätern nichts anderes als Antjie Krog, er würde noch nicht mal soweit gehen wie sie, den zur Würde des Täters gehört, dass er für seine Tat sühnt und bestraft wird.

Zitat P.
Da sind immer nur Anweisungen für die Nachfahren von den
Tätern oder für die Opfer, aber Anweisungen für die Täter habe ich nicht
bemerkt
.

Bert Hellinger hat im Gefängnis mit Mördern gearbeitet.
Hast du darüber gelesen? Lies was er ihnen sagt, ihnen aufträgt zu tun.
Und er begegnet ihnen von Menschen zu Mensch, Erwachsener zu Erwachsenem, wenn sie es nicht tun, nicht tun können oder wollen, würde er sie lassen.


Du sprichst das jüdische Totengebet an,
Zum einen hat Bert Hellinger anerkennend einen jüdischen Lehrer zitiert, der dies sagte.
Und zum anderen, hat ein chassidischer Lehrer in einem Workshop gesagt, dass das jüdische Vol erst dann seinen Frieden mit sich selbst, und mit seinen arabischen Nachbarn und mit der Welt findet, wenn auch der letzte Jude für Hitler das Totengebet gesprochen hat.

Ein Teilnehmer, ein Psychoanalytiker, dessen Familie von den Nationalsozialisten ermordet worden war, trat am nächsten Morgen in den Raum, in dem der Workshop stattfand, sein Gesicht war gezeichnet von Tränen und Kämpfen einer schlaflosen Nacht, strahlte einen Frieden und ein Heil aus und alle wussten, was er später bestätigte, sich selbst besiegend, hat er an diesem Morgen dieses Totengebet für Adolf Hitler gesprochen.

Hellinger: Wenn wir deutschen ein Totengebet für Hitler sprechen, bedeutet das, dass man ihn aufnimmt in die Gemeinschaft als einen von uns. Und zwar mit Mitleid. Das nimmt nichts weg von der Schuld und der Verantwortung. Aber man sieht, dass einer, der eine solche Schuld auf sich geladen hat, einen unendlich langen Weg hat, bis er Frieden findet. Viel länger als seine Opfer. Doch man kann ihn nicht ausklammern. Wo soll er denn hin?
Das im Grundsatz die gleiche Haltung, die der Versöhnung Südafrikas zugrunde liegt. Antjie Krog wurde dafür in Deutschland hohe Anerkennung zu teil, bezogen auf unsere Geschichte ist diese Haltung jedoch absolut tabu, dafür wird Hellinger in die braune Ecke gestellt.


Ich hoffe, den Fragenden gedient zu haben, und einige Fragen beantwortet zu haben.
Das ist das was ich gefnden habe, dem ich zustimmen kann. ich habe nichts besseres, weisers gefunden. Wer es besser weiß, soll es mich wissen lassen.

aus der zweiten oder dritten oder auch letzten 'Reihe'
grüßt Dagmar
;-)
 
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