Der alte Märchenbrunnen

Die Kinnaree, die in einem der Strauecher vor der Hoehle versteckt gelebt hatte, sie war hierhergeraten, keiner weiss wie, springt schnell noch auf den Ruecken der einen Drachin und fliegt schnell eine Runde mit... hoch ueber die Wopfel der Baeume hinauf, weit ueber die Gipfel der Berge hinaus, mit dem Wind ins Blaue... und beginnt zu singen, laut und wild - endlich einmal wieder mit voller Kraft die alten Rufe singen, ungebaendigt und ausgelassen, dem Sturm die Klaenge anvertrauen - endlich einmal nicht aufpassen muessen, ob man irgendwen erschreckt, endlich einmal nicht dran denken, ob einen einer entdeckt, jubelt es in ihr. Ich habs fast vergessen, lacht es in ihr, aber nur fast.

Sie beugt sich vor, die Kinnaree, mit ihrem leuchtend aquamarinblauen Gefieder, und umarmt die Drachin voller Glueck. Flieg, Drachin, flieg, singt sie laut und wild, ich weiss einen Ort, da darfst du Feuer speien, so viel du willst, da haben sie keine Angst vor dir. Ich weiss den Platz, da darf ich singen, lustig und froh, da jagt mich keiner, singt sie. Die Drachin rollt die Augen, die smaragdgruenen mit den schoenen goldenen Funken drin. Eine lange Rauchwolke wie ein Fragezeichen stroemt aus ihren Nuestern. Wo ist das, fragt die Rauchwolke.. wo?

Flieg, Drachin, flieg, ich singe dich dahin, mein Lied weist dir den Weg. Fliegen wir durch die Nacht, bruellt die Drachin vergnuegt, fliegen wir durch den Sturm, durch das ewige Eis der Berge... Ja, pfeift die Kinnaree uebermuetig, bis in das Land der...

...das letzte Wort konnte die Drachin nicht hoeren, der Sturm riss es von den Lippen der Kinnaree und trug es nach Nirgendwo, aber die Drachin wusste es doch, denn ein machtvolles Lachen droehnte aus ihrer Brust und stob wie tausend Feuergarben durch die Nacht, hinauf zu den Sternen. Sie fliegen, sie fliegen... wer weiss wohin...
 
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Also liebe Kinnaree,

als ich heute die Fortsetzung der Drachinnen-Geschichte las, da bin ich glatt mit dir durch die Lüfte geflogen (und mit der anderen Drachin). Schön war das und wild und herzerwärmend (Glut-entfachend).
Wohin sie nun fliegen, das wird sich finden, denke ich. Hauptsache, sie fliegen!

liebe Grüsse
 
Sie fliegen, sie fliegen.... und nun ist es ja so, wenn ihr auf einem Drachen fliegt, dann dürft ihr keine Angst haben, denn das kann ganz schön wild werden, das ist kein Spazierritt durch nette kleine Wäldchen und über sanfte Hügel und weiche Wiese. Da gehts rund, kann ich euch sagen. Denn Drachen fliegen mit dem Wind. Das heißt, wenn der Wind aufhört, dann stürzt du schon einmal tief in hinunter in pfeilschnellem Sturzflug, und um das abzufangen, dreht sich der Drache um sich selbst und schlägt Purzelbäume in der Luft - und da mußt du im Sattel bleiben!

So lernte nun die Kinnaree auf diesem Flug, eins zu werden mit ihrer Drachin - und eins zu werden mit den Winden. Sie lernte von der Drachin das Zauberwort zu denken, um den Wind vorausfühlen zu können und mit ihm zu spielen... Hoch hinauf über die Wolken flogen sie durch die Freiheit ohne Grenzen und tief hinab in enge Schluchten stürzten sie in die Enge der Felsenklüfte. Rund um die ganze Erde beinahe flogen sie, denn weit weit weg ist das Land, in dem man die Drachen nicht fürchtet...
 
Flieg, Drachin, flieg, ich singe dich dahin, mein Lied weist dir den Weg. Fliegen wir durch die Nacht, brüllt die Drachin vergnügt, fliegen wir durch den Sturm, durch das ewige Eis der Berge... Ja, pfeift die Kinnarîh übermuetig, bis in das Land der...

...das letzte Wort konnte die Drachin nicht hören, der Sturm riss es von den Lippen der Kinnarîh und trug es nach Nirgendwo, aber die Drachin wusste es doch, denn ein machtvolles Lachen dröhnte aus ihrer Brust und stob wie tausend Feuergarben durch die Nacht, hinauf zu den Sternen. Sie fliegen, sie fliegen... wer weiss wohin...
... sie fliegen, sie fliegen... und wild und laut singt die Kinnarîh ihr Lied.

Das Innerste des Inneren
das Dunkelste des Dunkelsten
das Tiefste des Tiefen
ist
das Höchste des Hohen
das Hellste des Hellen
das Äußerste des Äußeren

Willst du weit hinaus
dann kommst du nach Haus
In das Land der...

...und wieder nimmt der Sturm das letzte Wort der Kinnarîh und trägt es mit sich fort... sie fliegen, sie fliegen... unter ihnen die weißen Berge, die grünen Wälder, die blauen Seen, die gelben Strände, die roten Felsen... schöne weite Welt so bunt... sie fliegen mit dem Wind, sie tanzen mit dem Sturm. Sie fliegen durch Nacht und Tag, östlicher als Osten, südlicher als süden, nördlicher als Norden, westlicher als Westen. Der Sturm spielt mit dem letzten Wort der Kinnarîh...

Lumpen Banten
Bampen Lunten
Bumpen Lanten
Lamben Punten
Lumben Panten

...... Aaaaaaahhhhhhhh, brüllt die Drachin und schüttelt sich vor Lachen, JETZT versteh ich. Und sie folgt dem Wort der Kinnarîh, das ihr der Sturm zurückgegeben hat, sie fliegt über das Meer und unter die Wolken - und in der Ferne taucht es auch schon auf, das Land der...

Bunten Lampen
 
(Bevor ich jetzt weitererzähle, möcht ich mich bei Marco Arturo Marelli bedanken - für seine Inszenierung der "Zauberflöte" - denn ohne die wäre mir das Märchen jetzt niemals eingefallen)

Ja, kunterbunt ist es im Land der bunten Lampen. Ein Land voller Farben, leuchtend bunte Blumen, strahlende Sterne glitzernd in tausend Farben am Nachthimmel. Eine Insel voller buntem Duft, auf der sogar die Nächte nicht schwarz werden, weil die Mondstrahlen in allen Regenbogenfarben schimmern... und hoch oben auf dem höchsten Berg der Insel das leuchtend orange Mondschloß der Sternflammenden Königin und ihrer Mondpriesterinnen. Das ist die Heimat aller Kinnarihs und Kinnarahs, die in den bunten Wäldern singend von Baum zu Baum springen...

Nun hat es aber mit dieser Insel eine seltsame Bewandtnis.

Denn gleich nebenan im Meer der Ferne, da steht eine zweite Insel. Auf dieser Insel gibt es nur schwarz und weiß, und eine glasklare Sonne durchdringt alles mit ihrem glasklaren Licht. Wie ein wunderschönes großes Schachbrett sieht die Insel aus, ein Schachbrett aus weißem und schwarzem Marmor. In der Mitte der Insel erhebt sich ein Tempel, genau und klar konstruiert, der Tempel der Sonnenpriester mit ihrem Hohepriester. Genau und klar und ganz genau berechnet mit vielen vielen komplizierten Zahlen, so konstruiert, daß das Licht durch ihn durchfällt und ganz exakte Muster in seinem Inneren abgebildet hat, die alles von der Welt erzählten, denn die Priester können wirklich richtig gut rechnen...

...ja, abgebildet hat. Das war einmal und ist nicht mehr. Denn vor nicht allzulanger Zeit im Meer der Ferne (was nichts bedeutet, denn im Meer der Ferne verschwimmen auch die Zeitspannen und lassen sich nicht mehr so genau bestimmen) sind die Bunte Insel und die schwarzweiße Insel einmal durch irgendein Geschehnis aufeinandergeprallt. Der Bunten Insel ist dabei weiter nicht viel passiert, eine neue Meeresbucht ist entstanden und ein paar Palmen stehen ein bissl schief, aber das macht gar nicht so viel, denn es stehen ja mehr Palmen schief. Auf der Schwarzweißen Insel allerdings ist alles so ein ganz kleines bißchen aus den Fugen geraten. Gerade so ein kleines bißchen schief ist da alles jetzt in sich, auch der Tempel, aber gerade nur so viel, daß die Priester das gar nicht bemerkt haben. Und weitergerechnet und konstruiert haben, denn rechnen können sie ja wirklich richtig gut. Nur daß halt nach diesem Zusammenprall alles, was sie rechnen und bauen, ein bißchen verschoben ist in sich, grade so viel, daß sie merken, daß da was nicht stimmt, obwohl sie alles richtig gerechnet haben... und langsam aber sicher beginnen die Priester das zu merken, daß immer alles ein kleines bißchen nicht stimmt, was sie rechnen. Da fehlt immer was.

Und drum haben sich die Priester gedacht, vielleicht ist bei dem Aufprall ja etwas verloren gegangen und auf der Bunten Insel liegengeblieben, und nun machten sich die Priester immer wieder einmal auf die Suche - hinüber zur Bunten Insel - durch die bunten Wälder. Weil sie aber nie was finden konnten, dafür aber allerhand unerklärliche Begegnungen auf der Bunten Insel hatten, wurde für sie diese Nachbarinsel immer geheimnisvoller - grade so als wäre sie eine verzauberte Insel.

Die Kinnarihs und Kinnarahs erzählten ihrer Sternflammenden Königin natürlich von den seltsamen Männern in den langen weißen Nachthemden, die da immer öfter suchend durch den Wald gingen und nie was finden konnten. Einer der Kinnarahs konnte auch sagen, wonach die fremden Männer suchten. Sie suchen den Tempelsplitter, der verlorengegangen ist bei dem Aufeinanderprall der zwei Welten, so erzählte der junge Kinnarah, sie brauchen ihn, damit auf ihrer Insel die komplizierten Berechnungen wieder stimmen.

Als sie das hörten, da haben die Sternflammende Königin und ihre Mondpriesterinnen in ihrem schönen bunten Mondblumenpalast stundenlang so laut gelacht, daß man es bis auf die Schwarzweiße Insel hinüber gehört hat.
 
Danke für die schöne (lehrreiche) Geschichte. Mir wird immer klarer, warum ich so gerne im Akazienwald auf einer Lotosblüte sitze, so bunt, so leicht, so frei, im schimmernden Mondlicht!
 
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Der Sturm spielt mit dem letzten Wort der Kinnarîh...

Lumpen Banten
Bampen Lunten
Bumpen Lanten
Lamben Punten
Lumben Panten

...... Aaaaaaahhhhhhhh, brüllt die Drachin und schüttelt sich vor Lachen, JETZT versteh ich. Und sie folgt dem Wort der Kinnarîh, das ihr der Sturm zurückgegeben hat, sie fliegt über das Meer und unter die Wolken - und in der Ferne taucht es auch schon auf, das Land der...

Bunten Lampen







Aus den Wolken sind sie gelandet, die Drachin – und die Kinnaree. Nun stehen sie im Land der Bunten Lampen und horchen nach dem richtigen Weg ins Innere des Waldes.

Ein zartes Klingen führt sie durch die Bäume – es klingt immer bunter, je weiter der Weg sie führt. Plötzlich aber wird es ganz ganz still, jedes Klingen ist verstummt. Und dann stehen sie auf der Lichtung der Bunten Lampen. Staunend schauen sie das Wunder an, das sich ihren Blicken bietet. Sie sehen den leuchtenden Tempel mit seinen vier Toren. Sie sehen die Edelsteine, die die Tore zieren, die wehenden Fahnen, die Blumengirlanden in allen Farben. Sie sehen den Kreis der Bäume, die den Tempel umgeben. Sie sehen die runden Steine, die ihnen den Weg zeigen, um den Tempel herum, und in den Tempel hinein. Staunend steht die Kinnaree und schaut auf die bunten Lichter...

Die Drachin geht in vollkommener Stille einen Schritt nach dem anderen, die Steine entlang. Weich und sanft fühlen sich die Steine an unter ihren Füßen, und sie führen sie um den Tempel herum, rund um die prächtigen Tore, hinunter in die Wurzeln, in die Tiefe einer weiten Höhle unter der Erde. Still ist es und dunkel. Die Drachin horcht in die Finsternis und fühlt die Dunkle Mutter, die sie in die Arme nimmt. Du willst durch den Tempel der Bunten Lampen gehen, hört sie. Dann geh – und schau. Schau. Mit wachen Drachenaugen.

Die Drachin schließt die Augen und spürt den Wirbelsturm, der sie erfaßt. Sie verliert sich selbst, sie wird zum Wirbelsturm, der kein Hindernis kennt.
Unten und Oben – kaum kann sie es erahnen, doch sie erkennt das Jetzt,
das ihr die Augen öffnet. Hoch in den Wolken ist sie erwacht – und geht die weichen Steine des Weges hinunter durch die Äste der Bäume im Kreis, unter den Bunten Lampen entlang, die sie in ihrem Licht baden... bis in die Mitte.

Sie wendet sich um, sie schaut zurück – die Steine, die sie geleitet haben, sind verschwunden, es gibt keinen Weg zurück, und die Drachin ist allein. Sie schließt die Augen und horcht in die Stille in ihrem Innersten. Eine Stimme klingt in ihrem Herzen, die sie ruft... wach auf, du hast lange genug geschlafen, ruft die Stimme. Die Drachin erkennt die Stimme... und öffnet ihre Augen. Der erste wahre Drachenblick fällt aus ihren smaragdgrünen Augen. Er fällt auf die bunten Lampen – sie zersplittern in eine regenbogenbunte Staubwolke. Ihr zweiter Blick berührt die Mauern des Tempels – sie lösen sich in weißen Rauch auf. Ihr dritter Blick streicht über die Tore – an der Stelle, wo sie standen, wehen die Winde...

Ruhig steht die Drachin in der Mitte von allem und sieht... die bunten Lichter, die in den Lampen brannten. Die Steine, aus denen die Mauern gebaut waren. Die Welt, die sich hinter den Toren erstreckt. Und sie sieht Ihn, der sie wachgerufen hat. Sie hört sein Lächeln in sich. Komm, sagt er, laß uns gehen, in die Welt. Ihre Wunder erwarten uns.

Ja, sagt die Drachin. Und breitet die Flügel aus.
Nimmst du mich nicht mit? fragt die Kinnaree erschrocken, die noch immer vor dem Tempel steht, dessen Mauern sich in Rauch aufgelöst haben, und die Lampen anstaunt, die zu Sternenstaub zerfallen sind. Und die Steine und die Lichter nicht sieht.

Die Drachin schaut Ihn an, der sie wachgerufen hat, und lächelt. Komm, Kinnaree, sagt sie. Komm mit uns. Bleib nicht hier vor dem Tempel stehen, den es nicht gibt...

... die Kinnaree steht und wartet. Ganz still wird sie. Und wartet darauf, daß sie irgendwann den ersten Schritt tut... auf dem Weg durch den Tempel der Bunten Lampen, den man nur einmal gehen kann...
 
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