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Bei Depressionen und Angststörungen können Sport und Bewegungstherapie zu einer erheblichen Verbesserung des Gesundheitszustandes von psychisch kranken Patienten führen. Das stellt der Berufsverband der Rehabilitationsärzte fest und bemängelt, dass diese Möglichkeiten noch viel zu wenig genutzt werden.
"Studien zeigen, dass regelmäßiger, maßvoller Ausdauersport, zum Beispiel Lauftraining, bei leichten bis mittelschweren Depressionen positive Wirkungen zeigen kann, die mit denen von Medikamenten vergleichbar sind", sagt Dr. Horst Haltenhof von der Abteilung Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover. Auch der Übergang zu schwereren Störungen könne so verhindert werden. Bisherige Untersuchungen lassen positive Effekte bei Depressionen, Angst- und Panikstörungen, Suchtmittelmissbrauch und schizophrenen Störungen erkennen.
Allerdings findet die Sport- und Bewegungstherapie mit psychisch kranken Menschen in Fachkreisen immer noch zu wenig Beachtung, kritisiert der Berufsverband der Rehabilitationsärzte. "In psychiatrischen Lehr-, Facharzt- und Handbüchern ist zwar von Entspannungsverfahren und körperorientierten Methoden die Rede", stellt Haltenhof fest, "Krankengymnastik, Bewegungstherapie und Sport werden jedoch so gut wie gar nicht erwähnt." Ein Patient in stationärer psychiatrischer Behandlung hat pro Woche Aussicht auf etwa eine halbe Stunde Bewegungstherapie oder Krankengymnastik; für Ergotherapie hingegen wird das Zwei- bis Vierfache eingeräumt.
Wie bei Gesunden fördert Sport bei psychisch Kranken Ausdauer, Beweglichkeit, koordinative Fähigkeiten, Konzentration, Körperwahrnehmung und insbesondere bei Gruppenangeboten Selbstbewusstsein und soziale Kompetenzen. Direkte neurobiologische Wirkungen auf die Stimmung durch die verstärkte Ausschüttung von Endorphinen und Neurotransmittern konnten bislang zwar nicht beobachtet werden. Allerdings zeigte sich eine Reihe psychologischer Effekte: Sport lenkt von negativen Empfindungen und Wahrnehmungen ab, baut Ärger und Aggressionen ab und zeigt den Patienten, dass sie Situationen meistern können auch solche, die bisher mit Angst verbunden waren.
Spezielle Risiken einer Bewegungstherapie gibt es für psychisch Kranke nicht. Der Sport sollte innerhalb der zuvor individuell überprüften Belastungsgrenzen stattfinden und nicht übermäßig wettkampforientiert sein, empfiehlt der Berufsverband. Die Einnahme von Medikamenten stellt in der Regel keinen Hinderungsgrund für moderates Ausdauertraining dar; im Einzelfall ist lediglich zu beachten, dass Psychopharmaka Schnelligkeit und Koordinationsvermögen beeinflussen können.
Macht Haltenhof Betroffenen Hoffnung: "In der Regel ergänzt Bewegungstherapie die medikamentöse Behandlung sehr gut. Sie ist kostengünstig und risikoarm und könnte daher gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Sparzwänge im Gesundheitswesen viel häufiger als bisher in ein multimodales Gesamt-Therapiekonzept eingebaut werden."
LG
JimmyVoice