Der Stier findet sich im ersten hebräischen (und auch griechischen) Buchstaben, der Aleph: Haupt des Stieres.
Mit diesem Zeichen beginnt diese Welt. Das Lamm, der Widder, mit dem der Tierkreis beginnt, hat kein Zeichen, es ist verborgen, unsichtbar, schweigend. Der Stier ist halb hier, halb im Verborgenen. Die Aleph zählt zwar als Konsonant (es gibt ein Zeichen dafür, und im Hebräischen haben nur Konsonanten Zeichen, Erscheinendes), aber sie hat keinen eigenen Laut. Der Laut ergibt sich erst durch die Vokale. So erscheint die Aleph zwar in dieser Welt, ist aber nicht von dieser, sie kommt von "dort".
Daher beinhaltet der Stier auch das Un-berechenbare, das nicht Erklärbare, das, was einem zu-stößt. Aber gerade das gehört auch zum Konkreten, zu dieser Welt, der Zufall, Glück oder Pech, die Herausforderung, die uns begegnet, oder auch gesucht wird.
Der Kampf mit dem Stier ist der Kampf mit der Urkraft, mit dem, was gefährlich sein kann, weil es nur zum Teil bekannt ist.
In uns ist eine Kraft, die sich dieser Urkraft stellt, die hier in der Welt erscheint. Ob oder wie wir das tun, ist nicht festgelegt. So, wie die Aleph ihren Laut durch die Vokale erhält, bekommt der Stier sie durch die Planeten. Es ist also ganz unterschiedlich, wie der Mensch im Einfluss des Stieres sich verhält. Mal nimmt er die Herausforderung an und kämpft, mal ist er im Schweigen.
In dieser Gefahr liegt aber auch Geheimnis, das auf den Menschen verweist: Warum geschieht etwas, warum passieren Unglücke, Zufälle, Pech und Glück? Es verweist darauf, dass alles seinen Ursprung, sein Fundament "dort" hat. Es ist bereits dort da, bevor es hier erscheint.
Auch was die Sprache angeht, kann man sagen, dass das Zeichen Stier im Menschen sagt: In meinem Ursprung bin ich wie die Aleph. Ich kann mich nicht gut formulieren, brauche dazu die Planeten. Daher bin ich aber auch sehr frei darin, mal so, mal so. Mal stürme ich voran, mal bleibe ich im Schweigen und bin glücklich dabei. So artikuliert sich das Erste im Erscheinenden. Das Ursprüngliche im Menschen möchte erkannt und anerkannt werden.
Das war jetzt eine freie Formulierung aus "Die Astrologie in der jüdischen Mystik" von Weinreb. So aus dem Zusammenhang gerissen, ist es vielleicht etwas schwierig zu verstehen. Trotzdem wollte ich einen kleinen Einblick geben, wie das Zeichen Stier auch betrachtet werden kann, und wo die Bilder und Mythen zum Stier ihren Ursprung haben. Auch der Stierkampf ist ein Beispiel dafür, auch wenn er in seiner weltlichen Übertragung ein grausames Spektakel ist (wie das ja so oft der Fall ist, wenn der Mensch Dinge allzu wörtlich und weltlich nimmt). Dennoch liegt auch darin noch die Erinnerung an die ursprüngliche Bedeutung.